Unterstützung für kleine Einkommen oder "Klientelpolitik vom Feinsten": An den Plänen von ÖVP und FPÖ für die Nationalratssitzung am Donnerstag scheiden sich die Geister.

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Es ist ein zentraler Brocken bei der Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag. ÖVP und FPÖ wollen einen Teil der von ihrer früheren Regierung geplanten Steuerreform durchbringen, mit dem erklärten Ziel: Nun müssten Geringverdiener entlastet werden.

Eine Analyse des Budgetdienstes des Parlaments, die dem STANDARD vorliegt, stellt diesen Anspruch zum Teil infrage. Bei den Arbeitnehmern und Pensionisten zielten die Maßnahmen tatsächlich auf niedrige und mittlere Einkommen ab, schreiben die Experten auf Anfrage des Abgeordneten Bruno Rossmann (Jetzt), bei Selbstständigen und Bauern jedoch wachse der Vorteil linear mit dem Einkommen: Die maximale Entlastung von 371 Euro pro Jahr tritt demnach beim stolzen Nettoeinkommen von 40.000 Euro im Jahr ein (siehe Grafik). Arbeitnehmer hingegen erhalten den Maximalbetrag bei einem Einkommen von etwa 8.700 bis 17.000 Euro, dann schmilzt das Plus rasch ab.

Grund: Während Arbeitnehmer das Geld über einen Steuerbonus bekommen, der bei höherem Verdienst ausläuft, werden für Selbstständige und Bauern die Krankenversicherungsbeiträge ohne Limit um 0,85 Prozentpunkte gesenkt. Einem Arbeitnehmer mit 10.300 Euro netto im Jahr bringt die Reform folglich 300 Euro, einem Selbstständigen mit dem gleichen Einkommen nur 122 Euro. Umgekehrt bekommt ein Selbstständiger mit 38.500 Euro 355 Euro, ein Arbeitnehmer gar nichts mehr.

"ÖVP und FPÖ schieben die Kleinverdiener vor, betreiben aber Klientelpolitik vom Feinsten", kritisiert Rossmann. Gerald Loacker von den Neos hält das Modell für "unschlüssig" und fürchtet überdies eine "Teilzeitfalle" für Arbeitnehmer: Die Entlastung mindere den Reiz, Vollzeit zu arbeiten.

Anders als Jetzt werden die Neos dennoch zustimmen, weil in dem Paket auch sinnvolle Entlastungen für Unternehmen steckten. Die SPÖ macht ihr Ja davon abhängig, ob Arbeitnehmer den Bonus doch bereits 2020 – also rückwirkend fürs Jahr 2019 – erhalten; derzeit ist dies erst ein Jahr später vorgesehen. Selbstständige und Bauern profitieren von der Beitragssenkung Monat für Monat ab Beginn 2020.

Abschiebestopp für Lehrlinge

Darüber hinaus dürfen sich Pensionisten freuen: Die Parteien haben sich als Wahlzuckerl noch eine kräftige Pensionserhöhung vorgenommen – bis zur Steuergrenze von 1.111 Euro um 3,6 Prozent. Bis zu einer Pensionshöhe von 2.500 Euro erfolgt eine schrittweise Absenkung bis auf den gesetzlichen Inflationswert.

Vor der Wahl könnte nun auch noch ein Abschiebestopp für Asylwerber während der Lehre beschlossen werden. Die SPÖ möchte am Donnerstag einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen. Neos und Liste Jetzt zeigen sich offen, auch die ÖVP ist nicht gänzlich abgeneigt. Im Hintergrund hatte sich der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne), der seit langem für das Thema mobil macht, um eine überparteiliche Lösung bemüht.

Ein weiterer Beschluss betrifft Einbürgerungen: Direkte Nachfahren von NS-Opfern sollen privilegierten Zugang zu Doppelstaatsbürgerschaften erhalten. Wenig Chancen auf Umsetzung hat hingegen der Vorstoß der ÖVP, noch rasch ein Identitären-Verbot durchzupeitschen – weder FPÖ noch SPÖ haben vor, dabei mitzustimmen. Die Parteien hatten kürzlich das Innen- und Justizministerium damit beauftragt, die Möglichkeiten für den Umgang mit der rechtsextremen Bewegung auszuloten. Die SPÖ argumentiert, hier erst die Ergebnisse abwarten zu wollen.

Finanzminister Eduard Müller mahnte die Abgeordneten am Mittwoch jedenfalls zu "Augenmaß". Er geht davon aus, dass die im freien Spiel der Kräfte bereits gefassten und noch zu erwarteten Beschlüsse bis 2023 mehr als fünf Milliarden Euro kosten werden – allein die geplanten Pensionserhöhungen schlagen bis dahin mit 1,6 Milliarden zu Buche. (Gerald John, Katharina Mittelstaedt, 18.9.2019)