Niedrige Sparzinsen, steigende Immobilienpreise und holprige Börsen: Junge Österreicher stehen bei der Eigenvorsorge vor vielen Hürden.

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Wenn es um die Vermögen der Österreicher geht, treffen im Wahlkampf zwei Weltanschauungen aufeinander: Die ÖVP schlägt in ihrem jüngst vorgestellten Steuerkonzept vor, junge Menschen beim Kauf des (ersten) Eigenheims von staatlichen Gebühren zu befreien. Eigentum sei die beste Altersvorsorge, lautet das Argument.

Auf der anderen Seite stehen SPÖ-Pläne, Vermögen und Erbschaften ab einer Million Euro zu besteuern. Wer so viel angehäuft hat, soll einen größeren Beitrag für den Sozialstaat leisten, so die Idee. Aber wie realistisch ist der Vermögensaufbau in Österreich heute überhaupt noch?

Hälfte des Ersparten verpufft

Obwohl die SPÖ-Pläne eine Freigrenze von einer Million Euro bei Vermögen und Erbschaften vorsehen, kämen Menschen unter Druck, die man eigentlich entlasten wollte, argumentiert man bei der IV. Eine Beispielrechnung soll untermauern, wie schwierig es selbst ohne neue Steuern geworden ist, Vermögen anzusparen:

Ausgangspunkt ist der vollzeitarbeitende vierzigjährige Mann Herr P. Er ist im Vergleich aller Erwerbstätigen mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von rund 55.000 Euro brutto ein Besserverdiener – unter vollzeitarbeitenden Männern liegt er genau im Schnitt. Wer, wenn nicht Herr P. sollte sich langfristig etwas aufbauen können?

Mit einem Anlagehorizont bis zu seinem statistischen Ableben von 82 Jahren, könnte Herr P. viermal in österreichische Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit investieren, um mit wenig Risiko für die Erben vorzusorgen. Doch zu heutigen Konditionen ist die Rechnung eher deprimierend: Bei einem Anlagebetrag von 10.000 Euro sind in gut vier Jahrzehnten, nach Abzug von Depotkosten und Kapitalertragssteuer, 10.300 Euro geworden.

Inflation knabbert am Geldwert

Geht man davon aus, dass die durchschnittliche Inflationsrate von 1,8 Prozent seit der Euro-Einführung auch in den kommenden Jahrzehnten im gleichen Tempo am Geldwert knabbert, schmelzen die Ersparnisse von Herrn P. auf unter 5000 Euro zusammen. Daran erkennt man, dass bereits heute risikoscheue Sparer die Hälfte ihrer Kaufkraft verlieren dürften.

Wenn nun Herr P. nicht angestellt ist, sondern einen Kleinbetrieb wie eine Spenglerei mit zehn Leuten hat, das ihm sein Jahreseinkommen von 55.000 Euro einbringt, müsste er nach SPÖ-Plänen Vermögenssteuer von 0,5 Prozent jedes Jahr zahlen. In dem Fall blieben am Ende nur rund 4000 Euro übrig. Seinem Erben blieben unter Umständen von den angelegten 10.000 Euro nur 3000 Euro, rechnet IV-Chefökonom Christian Helmenstein vor.

Doch sind angesichts miserabler Sparzinsen die eigenen vier Wände ein realistischer Weg für die Vorsorge, wie es die ÖVP betont?

Kaum leistbares Wohnen

Wer bestehende Besitzer fragt, erhält eine klar positive Antwort. Für Käufer sind die Perspektiven trüber: Laut offiziellen Quellen sind die Häuserpreise seit 2008 fast dreimal, und die Mietpreise bei Neuvermietungen fast doppelt so stark gestiegen wie das Haushaltseinkommen der Österreicher. Andererseits kommt man billig an Geld: "Die Kredite sind ob des anhaltenden Nullzinsumfelds günstig. Eine Eigentumswohnung zu finden, die noch leistbar ist, ist aber keine leichte Aufgabe, sagt Peter Bosek, Vorstandsvorsitzender der Erste Bank.Wer im Jahr 2003 unter typischen Konditionen eine kleine gebrauchte Wohnung in Wien erwarb, musste rund 21 Jahre lang den Kredit zurückzahlen, rechnet das Institut für Immobilienwirtschaft vor. Für die gleiche Wohnung im Jahr 2018 zahlt man rund 35 Jahre zurück. Ein Lichtblick: Bevor die Zinsen in Folge der Euro-Krise in den Keller rasselten, war die Finanzierung noch deutlich ungünstiger.

Bevor sich junge Leute unendlich verschulden, ist Miete hier die bessere Variante, sagt Bosek. Wer jedoch die nötigen Eigenmittel hat, kann mangels sicherer Alternativen ins Betongold gehen.

SPÖ-Politiker Max Lercher diskutiert am Donnerstag live ab 17 Uhr mit dem Chef der Agenda Austria, Franz Schellhorn, über Armut und Arbeit.
DER STANDARD

Risikofreude notwendig

Für alle, die bereit sind, etwas mehr Risiko zu tragen, bieten Aktienfonds die Chance auf ordentliche Renditen. Günstige Indexfonds von automatisierten Robo-Investoren punkten mit niedrigen Spesen. Aktiv gemanagte Fonds kosten mehr, bieten den Sparern dafür die Gewissheit, dass Menschen die Entscheidungen treffen. Letzteres hat sich historisch betrachtet nicht bewährt, aber wenn es um das eigene Ersparte geht, schlafen manche Kunden besser, wenn sie einen Fondsmanager verantwortlich machen können.

Beispielrechnungen liefern bei Aktienfonds meist enorme Spannbreiten. Eine typische Rechnung: Bei 10.000 Euro Anlage und einer monatlichen Sparrate von 100 Euro hätte man nach zehn Jahren den Einsatz verdreifacht. Da bliebe auch nach Steuern und Gebühren ein deutlicher Gewinn übrig. Vorausgesetzt der Markt entwickelt sich in dieser Zeit im Schnitt so wie in der Vergangenheit. Solche Punktlandungen sind aber sehr unwahrscheinlich.

Schieflage für Mittelstand

Wie die Politik künftig den Vermögensaufbau beeinflussen wird, ist ungewiss. Gegen die sozialdemokratischen Steuerpläne stemmt sich mitunter die Industrie: Das Vorhaben führt zu einer "absurden Schieflage" für den Mittelstand, sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellen Vereinigung.

Bei der SPÖ kennt man die Einwände. Schließlich ist das Thema nicht neu. Die Sozialdemokraten argumentieren, dass ihre Maßnahmen nur zwei Prozent der Bevölkerung betreffen würden.

Bessere Chancen hat eine Förderung des Eigenheimkaufs. Auch die Sozialdemokraten wollen hier steuerliche Begünstigungen einführen. (Leopold Stefan, Bettina Pfluger, 18.9.2019)