Sechs Spitzenkandidaten und ein "Joker": Beate Meinl-Reisinger (Neos), Jörg Leichtfried (SPÖ), Werner Kogler (Grüne), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Peter Pilz (Jetzt), Sebastian Kurz (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ).

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Wien – Die Herausforderin eröffnete mit einem zutiefst persönlichen Vorwurf. Zu den Duellen der Vorwoche habe sich Mitkonkurrent Norbert Hofer mit 39 Grad Fieber geschleppt, erzählte Pamela Rendi-Wagner, doch Sebastian Kurz habe nichts Besseres zu tun gehabt, als seine Pressesprecher anzuweisen, dies Journalisten zu stecken. Er habe schon vieles an Verschwörungstheorien erlebt, erwiderte der Angesprochene: "Doch das toppt alles."

Rendi-Wagner und Kurz fällt es schwer, Gemeinsamkeiten zu finden. Rendi-Wagner spricht gar von einer "Vertrauenskrise"; für Kurz war es die richtige Entscheidung, damals die rot-schwarze Regierung aufzukündigen.

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Harte Bandagen beim bisherigen Höhepunkt der unzähligen Wahlduelle. Die Konfrontation der Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ am Mittwochabend im ORF kam einem Kanzlerduell am nächsten. Die Anwartschaft von Kurz ist angesichts der Umfragen unbestritten – und Rendi-Wagner bemüht sich zumindest, so zu tun, als gelte das für sie auch.

Auch in der Frage der Reform der Sozialversicherungen unterscheiden sich die Standpunkte von Pamela Rendi-Wagner und Sebastian Kurz.


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Die SPÖ-Chefin blieb lange auf der persönlichen Ebene. Zwei Gesichter zeige Kurz: Der Ex-Kanzler trete stets freundlich auf – doch nach vertraulichen Gesprächen lese sie darüber rasch in den Medien. Kurz versuchte zweimal zum Leibthema Zuwanderer und Islam abzubiegen, verfangen hat letztlich aber nur die Frage der Fusion der Krankenkassen: Rendi-Wagner hält die versprochene Patientenmilliarde für eine Illusion, Kurz versprach den Gegenbeweis. Am Ende blieb schleierhaft, wie sich die beiden zu einer Koalition zusammenraufen könnten. Kurz kündigte an, "unseren Weg" fortsetzen zu wollen, Rendi-Wagner assozierte denselbigen mit der FPÖ ("Hetze, Spaltung, Einzelfälle") und natürlich Ibiza. Nicht besonders versöhnlicher Nachsatz: Kurz sei ja noch sehr jung, "vielleicht kann er noch etwas lernen".

Um die Politikvorschläge der SPÖ geht es heute auch bei unserem Live-Format "DER STANDARD mitreden": SPÖ-Politiker Max Lercher diskutiert ab 17 Uhr mit dem Chef der Agenda Austria, Franz Schellhorn.
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Neos gegen FPÖ: Hydrant macht Politik

Auch Beate Meinl-Reisinger hätte lieber gleich mit Kurz diskutiert, schließlich matcht sie sich mit diesem zum Teil um die gleichen Wähler. Eröffnen musste sie den Abend aber mit FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, von dem sie nicht zuletzt die Anhängerschaft trennt, also versuchte die Neos-Chefin zweimal die Kurve zu Kurz zu kratzen – worauf Debattenprofi Hofer natürlich nicht einstieg. Gegenseitig aus der Reserve lockten sich die beiden dennoch. Hofer rühmte die von ihm wieder angestrebte türkis-blaue Regierung dafür, keine Schulden gemacht zu haben, Meinl-Reisinger konterte: Ein "Hydrant" hätte das zusammengebracht, bei derart sprudelnden Steuereinnahmen. Ein Wort gab das andere, am Ende wurde das beidseitige Lächeln ein zunehmend zähnefletschendes.

Finanzminister Eduard Müller mahnt die Abgeordneten angesichts der kommenden Nationalratssitzungen zu "Augenmaß". Norbert Hofer meint, einige Beschlüsse seien dringend notwendig, Beate Meinl-Reisinger sieht das kritischer.
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Jetzt gegen SPÖ: Man ist per Du

Viel amikaler die nächste Runde, man war per "Peter" und per "Jörg". Jetzt-Kandidat Pilz eröffnete das soziale Bestbieten mit dem Ruf nach einer Grundsicherung für Alte und Kinder, Sozialdemokrat Leichtfried war so ehrlich, systemische Bedenken anzumelden: Die verschiedenen Leistungen von Bund bis Länder ließen sich nicht so einfach zusammenfassen. Ein realistischer Einwand – aber schlecht zu verkaufen.

Soll das Schnitzel zum Luxusprodukt werden? Pilz ist der Meinung: "Da muss sich etwas ändern." Er sieht das Klima durch die industrielle Fleischproduktion bedroht. Leichtfried glaubt, dass die EU ihre Förderungen für die Landwirtschaft umstellen muss.
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Der Rest lief nach einem wiederkehrenden Schema ab: Pilz preschte mit ökologischen Forderungen vor, Leichtfried sagte Ja mit einem sozialen Aber im Anschluss.

Neos gegen ÖVP: Liberal-konservative Melange

Dann durfte Meinl-Reisinger wirklich gegen Kurz ran, brauchte aber drei Anläufe. Beim Thema BVT argumentierte die Neos-Kandidatin kompliziert, Vorwürfe in der Asylfrage zerredete der ÖVP-Widersacher geschickt. Prägnanter wurde es erst bei der Bildung, Beispiel Schulnoten: Meinl-Reisinger nahm den liberalen Part ein, Kurz den konservativen. Ob sie damit im jeweils anderen Lager punkten konnten? Eher nicht.

Die Wiedereinführung verpflichtender Ziffernnoten in der Volksschule ist laut Meinl-Reisinger "Humbug". Kurz verteidigt vor allem die Deutschklassen, die unter seiner Regierung beschlossen wurden.
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FPÖ gegen Grüne: Eindeutige Grenze

Klare Frontlinie beim nächsten Duell: Norbert Hofer pro Wehrpflicht, Werner Kogler dagegen, der Blaue für mehr Geld fürs Bundesheer, der Grüne für ein Minimum mit Ausnahmen wie dem Katastrophenschutz: Aber bevor es für das Heer ein Budget von einem Prozent der Wirtschaftsleistung gebe, verdopple er lieber das Geld für Klimaschutz oder Kindergärten. (Gerald John, 18.9.2019)

Solange Katastrophenschutz, Kampf gegen Cyberkriminalität und Friedensmissionen vom Bundesheer übernommen werden, braucht es auch mehr Geld, fordert Kogler. Hofer sieht den Schutz des Staates als Hauptaufgabe.
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