Nach dem giftigen TV-Rededuell im ORF zwischen ÖVP-Altkanzler Sebastian Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner waren die Reaktionen recht einhellig: Das war's dann wohl mit Türkis-Rot nach der Nationalratswahl. Die Verve, mit der Rendi-Wagner den ÖVP-Obmann abgekanzelt, ihn bisweilen mit scharfen Angriffen fast sprachlos gemacht hatte, und die Art, wie dieser angepisst konterte, ließ den Eindruck entstehen: Bei dieser gegenseitigen Antipathie werden die beiden nie und nimmer ein Regierungsteam bilden können. Ausgeschlossen.

Rendi-Wagner legte ja tags darauf sogar noch ein Schäufelchen nach und wiederholte ihre Rüge, Kurz sei kaltherzig. Als während einer der TV-Diskussionen erkennbar wurde, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer mit mehr als 39 Grad Fieber antrat und ärztlich versorgt werden musste, habe Kurz nichts anderes im Sinn gehabt, als seinen Pressesprecher aufzufordern, Hofers Gesundheitszustand den Medien zu melden. "Kritische Situationen anderer Menschen für den eigenen Vorteil zu nützen ist unanständig und unmenschlich", holte die SPÖ-Chefin in einer Aussendung nochmals aus. Kurz und die ÖVP waren fast sprachlos empört. "Verschwörungstheorie", ärgerte sich Kurz.

Aber auch wenn es jetzt stark nach verbrannter Erde zwischen SPÖ und ÖVP riecht – einen Satz aus dem TV-Streitgespräch von Rendi-Wagner sollte man im Gedächtnis behalten: Es gebe in der Politik eben eine persönliche und eine professionelle Ebene. Soll heißen: In einer Regierung muss man sich nicht persönlich mögen, sondern nur professionell zusammenarbeiten.

Unfall der Geschichte

Das wahrscheinlich beste Beispiel, dass zwei völlig verfeindete politische Lager eine professionelle, sogar harmonische Regierung schmieden können, hat die Steiermark vorgezeigt. Die ÖVP hatte seinerzeit SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves, nachdem er aus der Wahl 2005 als Sieger hervorgegangen war, eine ganze Legislaturperiode hindurch bis aufs Blut gereizt. Voves, der stets nur als "derzeit amtierender Landeshauptmann" bezeichnet wurde, sei sozusagen ein Unfall der Geschichte in der Steiermark, die bisher nur von der Volkspartei regiert worden sei.

Vor den nächsten Landtagswahlen brachte die ÖVP sogar eine Anzeige gegen Voves und die SPÖ ein. Dann kam die Wahl, die ÖVP legte den Schalter um, und nach einer Woche Verhandlungen waren beide ein Herz und eine Seele. ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer und SPÖ-Landeshauptmann Voves wuchsen sogar zu einem politischen Freundespaar zusammen und bildeten eine "Reformpartnerschaft".

Was damals die Steirer professionell regelten, wird auch für den Bund am Tag nach der Wahl gelten. Sag niemals nie. (Walter Müller, 19.9.2019)