Die Meinungen über den Eröffnungsmove von Pamela Rendi-Wagner im TV-Duell mit Altkanzler Sebastian Kurz am Mittwochabend sind geteilt. Manche halten den harten persönlichen Angriff der SPÖ-Chefin für einen genialen Schachzug, andere viel eher für einen wirren Beleg der verzweifelten Situation der Sozialdemokratie. Fest steht: Das Wahlkampffinale ist eröffnet – ein Fieberschub wird zum Politikum.

Wurde Medium vorab informiert?

Am Donnerstag bekräftigte die Chefsozialdemokratin ihren Vorhalt: Kurz habe beim Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten für die ORF-Duelle vergangene Woche auf die Nachricht, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer unter hohem Fieber leide, seinen Sprecher beauftragt, eine Zeitung darüber zu informieren.

ORF

Konkret sollen Rendi-Wagner und der sie begleitende Kommunikationschef der SPÖ die Szene beobachtet haben. Und zwar backstage um etwa 20 Uhr, kurz bevor sich alle Kandidaten für das Gruppenfoto versammelten. Es wurde spekuliert, dass es sich bei dem Medium, das Kurz in Kenntnis setzen wollte, um oe24.at handelt – das Onlineportal des Gratisblatts "Österreich" von Medienmacher Wolfgang Fellner. Aus der SPÖ heißt es, man wisse nicht, um welches Medium es ging und auch nicht, ob tatsächlich ein Anruf erfolgt sei.

Ein Tweet, ein flotter Artikel

Kurz bezeichnet den Vorwurf als absurd. Sein Pressesprecher wies die Behauptung schon Mittwochabend zurück. Er verwies darauf, dass Hofers Medienbeauftragter Volker Höferl an besagtem Abend selbst die Öffentlichkeit informiert hatte – und zwar via Twitter, um 20.28 Uhr. Inhalt der öffentlichen Kurznachricht: "@norbertghofer gerade am Küniglberg medizinisch versorgt worden. Fieber gemessen: 39,4 Grad."

Auf oe24.at ging der drei Absätze lange Artikel mit dem Titel "Fieber-Anfall: Hofer im ORF-Studio medizinisch versorgt" um 20.36 Uhr online. Dort heißt es, man habe die Information durch den Tweet erhalten.

Kurz-Pressesprecher Johannes Frischmann hat der APA und anderen Medien inzwischen eine Aufstellung seines Einzelgesprächsnachweises vom Abend des 11. September übermittelt. Zwischen Kurz' Ankunft im ORF um 19.41 Uhr und dem Ende des Duells mit Kogler um 20.41 Uhr gab es demnach um 20.03 Uhr nur ein Telefonat, das zu einer ÖVP-internen Nummer führte. Über den Gesundheitszustand des FPÖ-Chefs erfuhr Kurz laut Frischmann erst kurz danach durch Hofer selbst.

"Unanständig, unmenschlich"

Rendi-Wagner blieb zuvor jedenfalls dabei: "Kritische Situationen anderer Menschen für den eigenen Vorteil zu nützen ist unanständig und unmenschlich. Dieses Vorgehen zeigt die zwei Gesichter des Sebastian Kurz", wird sie in einer Aussendung am Donnerstag zitiert. Hofer-Sprecher Höferl wollte sich zu den Aussagen Rendi-Wagners nicht weiter äußern.

Pamela Rendi-Wagner zeigt sich neuerdings auch angriffslustig.
Foto: APA/AFP/JOE KLAMAR

Was der Schlagabtausch für die Koalitionsverhandlungen bedeutet? Weder Rendi-Wagner noch Kurz schließen eine Zusammenarbeit offen aus. Die Gräben sind seit Mittwochabend aber noch tiefer als bereits zuvor. Kurz betont darüber hinaus, dass SPÖ und ÖVP inhaltlich vieles trenne – vor allem in der Migrationspolitik und "beim Umgang mit dem politischen Islam". Heißen muss freilich auch das alles nichts, ist die Wahl erst einmal geschlagen. (Katharina Mittelstaedt, 19.9.2019)