Die frauenpolitischen Vorhaben der Parteien betreffen letztendlich alle, nicht nur Frauen. Trotzdem verzichten viele Parteien in ihren Wahlprogrammen gleich ganz darauf.

Foto: Matthias Cremer

Wer im aktuellen Nationalratswahlkampf nach frauenpolitischen oder gar feministischen Themensetzungen der wahlwerbenden Parteien sucht, sucht lange. Dabei ist der Handlungsbedarf groß: Der Gender Pay Gap in Österreich liegt mit 20 Prozent im Spitzenfeld der EU, der Pensions-Gap liegt sogar bei 42 Prozent, jede fünfte Frau ist von Gewalt betroffen, und Frauen erledigen noch immer rund 75 Prozent der unbezahlten Sorgearbeit. Menstruationshygieneprodukte sind höher besteuert als Kinokarten, und Machtpositionen sind in Politik und Wirtschaft nach wie vor männlich dominiert. Der Frauenanteil im aktuellen Nationalrat beträgt nur 34,43 Prozent.

Zu diesen Langzeitproblemen kommen aktuelle Angriffe auf frauenpolitische Errungenschaften: Durch die Initiative #Fairändern würden beispielsweise die reproduktiven Selbstbestimmungsrechte von Frauen infrage gestellt werden. Was sagen angesichts all dessen die wahlkämpfenden Parteien in ihren Wahlprogrammen dazu? Die Parteien wurden bewusst nicht zu ihren Positionen zu bestimmten frauenpolitischen Bereichen befragt, damit die Eigeninitiativen und Schwerpunkte in den Wahlprogrammen von ÖVP, FPÖ, SPÖ, Neos, Jetzt, KPÖ und Wandel deutlich werden. Der Österreichische Frauenring führte erst kürzlich eine solche Befragung durch.

Wahlprogramme: Wo geht's in Richtung Gleichstellung?

Die ÖVP hat bisher kein Wahlprogramm veröffentlicht. Im Programm der FPÖ findet sich kein Kapitel zu Frauen- oder Gleichstellungspolitik. Geschlechterpolitik kommt lediglich mit der Forderung nach einem Kopftuchverbot vor. Die SPÖ fokussiert vorrangig auf Lohngerechtigkeit und Pensionen.

Die SPÖ und die Grünen sind die einzigen, die LGBTIQ*-Themen besprechen. Für die Neos stehen Pensionssplitting und eine Reform der Elternteilzeit und Karenz im Fokus. Das Programm von Jetzt umfasst zwölf Pläne, von welchen einer mit "Frauen- und Kinderarmut beenden" betitelt ist.

Das umfangreichste Programm legen die Grünen vor – sowohl insgesamt als auch in gleichstellungspolitischen Fragen. Dem Thema Geschlechtergerechtigkeit ist einerseits ein Kapitel gewidmet, andererseits kommen Genderkomponenten als Querschnittsmaterie in anderen Bereichen wie Klima und Korruption vor.

Die KPÖ legt einen Schwerpunkt auf ökonomische Gerechtigkeit. Das insgesamt sehr kurze Programm beinhaltet wenig explizit feministische Forderungen. Durch die Forderung nach Umsetzung der Maßnahmen des Frauenvolksbegehrens wird aber indirekt viel abgedeckt. Im sogenannten Utopiepapier von Der Wandel finden sich wenige konkrete Forderungen. Es ist, wie der Name schon sagt, vielmehr die Ausformulierung einer Vision als ein Maßnahmen- und Forderungskatalog. Es gibt kein Kapitel zu Frauenpolitik, auch in den einzelnen Unterpunkten wird die gleichstellungspolitische Perspektive auf die politischen Ideen nicht beleuchtet.

Und so würden die Parteien die konkreten Probleme im Detail angehen:

  • Lohnschere und Lohndiskriminierung

Die SPÖ orientiert sich in ihrem Programm am isländischen Modell. Dort trat 2018 ein Gesetz in Kraft, das Unternehmen verbietet, Frauen und Männer ungleich zu bezahlen. Die Firmen müssen ein gerechtes und nachvollziehbares Gehaltsschema erstellen und Maßnahmen gegen Diskriminierung nachweisen, geprüft wird von einer staatlichen Zertifizierungsstelle. Gibt es in einer Firma Lohndiskriminierung, wird das mit knapp 400 Euro Bußgeld am Tag geahndet. Angelehnt an dieses Modell, fordert die SPÖ einen Equal Pay Act auch für Österreich. Das bedeutet: Effektivere Einkommensberichte sollten schon für Unternehmen ab 20 MitarbeiterInnen – statt bislang 150 – verpflichtend sein. In diesen Berichten soll der etwaige Gender Pay Gap ausgewiesen sowie verpflichtende Maßnahmenpläne vonseiten der Unternehmen vorgelegt werden. Bei einer Unterentlohnung von Frauen fordert die SPÖ Strafen. Als weitere Maßnahme möchte die SPÖ Pilotprojekte starten, um "gleichwertige" Arbeit zu definieren sowie 50 Prozent der Mittel für das Arbeitsmarkservice (AMS) für Frauen reservieren.

Die Neos wollen die Kollektivverträge auf Lohndiskriminierung hin untersuchen. Es braucht laut Neos auch mehr Verhandlungsmöglichkeiten innerhalb von Betrieben, um auf individuelle Bedürfnisse von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen eingehen zu können.

Die Grünen sind wie die SPÖ für Verschärfungen bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einkommensberichten und wollen die Unternehmen zu verbindlichen Aktionsplänen zur Schließung der Einkommensschere verpflichten. Ebenso sollen säumige Unternehmen sanktioniert werden können. Zudem kündigen sie an, die Arbeitsbewertung in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen "modernisieren" zu wollen. Teil des grünen Maßnahmenpakets zur Lohnschere sind außerdem Mindestarbeitszeitregelungen bei Teilzeit und die Koppelung öffentlicher Auftragsvergaben an die Frauenförderung in Unternehmen. Sie fordern auch höherwertige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in der Erwachsenenbildung und, wie die SPÖ, 50 Prozent der Fördermittel des AMS für Frauen. Die Grünen fordern zudem einen Mindestlohn von 1.750 Euro brutto bei Vollzeitbeschäftigung und Versicherungsschutz für alle unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse. Die KPÖ fordert einen lohnsteuerbefreiten Mindestlohn von 1.750 Euro.

  • Arbeitszeitverkürzung

Eine häufige feministische Forderung ist jene nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche. Dies soll zu einer faireren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen. Die SPÖ fordert eine 35-Stunden-Woche und einen Rechtsanspruch auf eine Viertagewoche. Die Grünen zeigen sich bei diesem Thema etwas widersprüchlich: Sie fordern einerseits eine schrittweise Verkürzung auf eine 35-Stunden-Woche, gleichzeitig aber eine Umsetzung einer 30-Stunden-Woche, wie sie als Forderung zuletzt vor allem durch das Frauenvolksbegehren laut wurde. Die KPÖ fordert eine 30-Stunden-Woche als ersten Schritt, Der Wandel eine 21-Stunden-Woche.

  • Maßnahmen gegen Altersarmut

Der Pensions-Gap liegt in Österreich bei 42 Prozent, Altersarmut betrifft somit zu einem größeren Teil Frau. Die SPÖ will daher eine verfassungsrechtliche Absicherung von Pensionshöhen. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten soll auf 160 Euro im Monat verbessert werden. Auch bereits bestehende Pensionen sollen so nachträglich erhöht werden. Die Neos fordern automatisches Pensionssplitting sowie jährliche Pensionskontomitteilungen. Diese sollen Frauen dazu animieren, "richtigere" Entscheidungen zu treffen und "Fallen" wie Teilzeitarbeit zu vermeiden. Im Steuer-, Arbeits- und Sozialrecht sollen "negative Anreize" ausgemerzt werden, die Teilzeit begünstigen. Jetzt fordert eine 1.200-Euro-Grundsicherung im Alter.

Die Grünen wollen eine steuerfinanzierte Grundpension von 900 Euro für alle ab 65. Zu dieser sollen die durch individuelle Beitragsleistungen erworbenen Pensionsleistungen noch hinzugezählt werden. Außerdem fordern sie die Sicherstellung von Pensionen auch für Menschen, die mehrfach geringfügig, teilzeit- oder prekär beschäftigt waren.

  • Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit

Frauen erledigen in Österreich nach wie vor 75 Prozent der unbezahlten Pflege-, Reproduktions- und Haushaltsarbeit. Die Neos möchten diesen Missstand mit einem Anspruch auf Karenz von maximal 18 Monaten für jedes Elternteil bis zum dritten Lebensjahr des Kindes lösen. Außerdem brauche es eine Aufwertung von Elternteilzeit für Frauen und für Männer bei einer maximalen Arbeitszeitreduktion von 20 Stunden. Gleichzeitig soll ein individuelles, einkommensabhängiges Familiengeldkonto eingeführt werden, das die bisherigen Regelungen zum Kinderbetreuungsgeld ersetzen soll.

Die Grünen fordern ein modernes Kinderbetreuungsgeld, das die Familienarbeit auf beide Elternteile gleichberechtigt aufteilt. Sie wollen außerdem Betriebe zu individuellem Karriere- und Karenzmanagement verpflichten und zu Jobsharing und Teilzeitmodellen bei Führungskräften ermutigen. Außerdem fordern sie einen raschen Rechtsanspruch auf den Papamonat sowie einen finanziellen Bonus während des Papamonats. (Beatrice Frasl, 22.9.2019)