Österreich ist – ausnahmsweise einmal – Vorreiter beim Klimaschutz. Zumindest indirekt, denn die nun im Parlament beschlossene Ablehnung des EU-Mercsosur-Freihandelsabkommens wird vor allem mit der (Brand-)Rodung des Regenwalds im Amazonas begründet, die wiederum der Ausdehnung der Landwirtschaft dient. Fraglich ist nur, ob die plötzliche Liebe zum Umweltschutz nicht eher dem Wahlkampf samt Jubeltitel in der Krone geschuldet ist. Bezweifeln darf man zudem, dass dem Klima geholfen ist, wenn der Pakt mit dem südamerikanischen Block, bestehend aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, nicht zustande kommen sollte.

Schon die Vorgangsweise heimischer Abgeordneter – mit Ausnahme der Neos – in der Mercosur-Frage lässt tief blicken. Die Ablehnung des Abkommens wurde bereits fixiert, obwohl nur ein Bruchteil des Vertragstexts vorliegt. Klar: Teufelszeug bleibt Teufelszeug, vor dem Urnengang erst recht. Und mit der Teufelsaustreibung nahmen es die Mandatare so ernst, dass gleich zwei unterschiedliche Anträge eine Mehrheit fanden. Bravo!

Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace entrollten am Flakturm im Wiener Augarten einen Banner mit der Aufschrift "Bauern schützen – Mercosur stoppen".
Foto: APA/GREENPEACE/ASTRID SCHWAB

Inhaltlich kann man über Freihandel trefflich streiten. Doch ein Aspekt sollte nicht untergehen: Wer sich in einer offenen Volkswirtschaft mit einem Exportanteil von mehr als 50 Prozent gegen eine Liberalisierung des Außenhandels positioniert, möge bitte auch erklären, wie er oder sie alternativ Jobs schafft. Denn im Austausch von Waren und Dienstleistungen werden jene Wirtschaftsräume begünstigt, die zur Kooperation bereit sind. Soll heißen: Wenn die EU nicht kann oder will, wird Mercosur anderen Partnern bessere Konditionen bieten. Die Union erhält damit auch einen Rückschlag dahingehend, ihren globalen Einfluss dank des wachsenden US-Protektionismus über Handelspakte zu stärken.

Populistische Volte

Das führt zur Frage: Soll die Europäische Union aus den genannten Gründen jedes Abkommen akzeptieren, nur um einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Wirtschaftsmächten zu verhindern? Klare Antwort: Nein. Das tut sie auch nicht. In den jüngeren Handelsabkommen hat die Union Wert auf die Berücksichtigung von Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Arbeitnehmerrechte und dergleichen gelegt. Turbokapitalismus sieht anders aus.

Doch die Gegner verbreiten so lange Mythen, bis sie zu Fakten werden. Die Geschichte von Gensoja und Hormonfleisch, die die EU überschwemmen werden, klingt so gut, dass sie ebenso gerne erzählt wie gehört wird. Dass sich Brüssel weiterhin die volle Hoheit über die Zulassung von Lebensmitteln und Agrarprodukten nach eigenen Standards ausbedungen hat, passt nicht in dieses Bild und wird unter den Tisch gekehrt.

Und der Regenwald? Die Fleischausfuhren Brasiliens nach Europa sind – künftige Steigerung durch zarte Marktöffnung inbegriffen – so gering, dass der Pakt diesbezüglich keine große Rolle spielt. Sehr wohl von Relevanz ist das Abkommen hingegen wegen der Zusicherung Brasiliens, sich an das Pariser Klimaschutzabkommen zu halten. Selbst wenn man mangelnde Sanktionen bemängeln kann, ändert das nichts daran, dass der Pakt Brasilien mehr und nicht weniger Schutz des Regenwalds auferlegt.

Das sollte auch die ÖVP beherzigen, die gerade eine populistische Volte schlägt. Wenn man sich die Klimabilanz unter der Regierung Kurz vor Augen führt, richtet sich der neue Ökoanstrich im Wahlkampf von selbst. (Andreas Schnauder, 19.9.2019)