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Schiitische Milizen im Irak: Die Regierung bemüht sich, sie in die irakische Armee zu integrieren, manche sehen ihre Herren in Teheran. Sie stehen im Verdacht, etwas mit den Angriffen auf Saudi-Arabien zu tun zu haben.

Foto: Reuters/Dhiia al-Deen

Reste von 25 Drohnen und Raketen, die dem Iran zugeschrieben werden – aber noch immer keine klaren Aussagen, woher der Angriff kam, der am Samstag die saudische Ölproduktionskapazität halbierte. Nur die jemenitischen Huthi-Rebellen, die sich bekannt hatten, sind für die meisten Experten offenbar vom Tisch: Das Ausmaß der Operation und die Distanz von bis zu 1.300 Kilometern zu den Huthi-Militärbasen, von wo die Abschüsse erfolgt sein könnten, sprechen gegen ihre Urheberschaft.

Saudis und Amerikaner sprachen von einem "Kriegsakt", ließen jedoch die Konsequenzen einstweilen offen, während der Iran mit "vollem Krieg" drohte, sollte er angegriffen werden. US-Außenminister Mike Pompeo konnte bei seinem Besuch in Saudi-Arabien Zuwachs zur US-geführten Koalition zum Schutz der Schifffahrt im Persischen Golf verbuchen: Riad, das zuvor gezögert hatte, schloss sich nun an wie auch Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate. Diese hatten ja zuletzt mit Teheran Sicherheitsgespräche geführt, die zur Entspannung am Golf führen sollten. Nun herrscht wieder ein anderer Ton vor.

Der Schutzinitiative nicht anschließen will sich jedoch der Irak: Bagdad verweist dabei explizit auf die Mitgliedschaft Israels. Die Situation des Irak zwischen iranischem Einfluss und den stationierten US-Truppen sowie den Bemühungen, die Beziehungen zu den sunnitischen arabischen Golfstaaten zu verbessern, wird immer unbequemer.

Möglicherweise Südirak

Noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass die Angriffe auf Saudi-Arabien von Stützpunkten irakischer Iran-treuer schiitischer Milizen im Südirak ausgingen. "Middle East Eye" meldete bereits vor Tagen, ein irakischer Geheimdienstler habe dies zugegeben. Die Angriffe seien aus dem "Norden" gekommen, heißt es offiziell – vielleicht aber auch aus dem Nordwesten. Kuwait untersucht Drohnensichtungen am Samstag, die auf die geografische Herkunft Südirak hinweisen könnten.

Auch Kuwait trifft die Eskalation in einem besonders sensiblen Moment, wollen doch die Gerüchte über den prekären Gesundheitszustand des 90-jährigen Emirs Sabah al-Ahmad al-Jaber al-Sabah nicht verstummen. Er hat in den vergangenen Jahren versucht, Kuwait aus den Spannungen mit Iran sowie den internen Konflikten innerhalb des Golfkooperationsrats (GCC) – Stichwort Katar – herauszuhalten. Kuwait hat sich auch dem Hochrüstungstrend am Golf nicht angeschlossen und gilt als besonders verletzlich – wobei man gesehen hat, dass milliardenschwere Rüstungsausgaben auch den Saudis nicht geholfen haben.

Bagdad dementiert

Bagdad tut alles, um sich vom Vorwurf, dass irakisches Territorium involviert war, zu befreien. Premier Adel Abdul Mahdi ringt seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr darum, die bei der Bekämpfung des "Islamischen Staats" erfolgreichen schiitischen Milizen unter Kontrolle zu bekommen, indem er sie in die Armee integriert. Auf Erfolgsmeldungen folgen jedoch solche wie jene von der Aufstellung einer eigenen Luftwaffe durch die "Volksmobilisationseinheiten" (PMU) oder Hashd al-Shaabi, wie die Milizen heißen. Nicht alle von ihnen sind vom Iran abhängig, aber ein Teil macht gar kein Hehl aus seinen Loyalitäten Teheran gegenüber.

Es wird spekuliert, dass, wenn die PMU wirklich die Urheber des Aramco-Angriffs sind, es mit den seit Monaten auftretenden Attacken und geheimnisvollen "Unfällen" auf PMU-Basen zu tun hat. Am Mittwoch war ein Munitionslager im irakisch-syrischen Grenzgebiet dran, vor zehn Tagen explodierte ein Waffenlager der PMU in der Provinz Anbar. Die Angriffe werden – nicht nur von den Milizen, auch von unabhängigen Beobachtern – Israel zugeschrieben. Warum dann Angriffe auf Saudi-Arabien als Vergeltung? Ganz einfach: Das antiisraelische, antisaudische Narrativ lautet, dass Saudi-Arabien Israel für die Angriffe auf die PMU "bezahlt" habe.

Das alles ist eine Katastrophe für die irakische Regierung, die gute Beziehungen zu den Golfstaaten dringend nötig hat. Sie hat soeben mit dem Golfkooperationsrat ein Abkommen über Elektrizitätslieferungen geschlossen, die den notorischen Strommangel im Südirak lindern sollen, der immer wieder zu Unruhen führt. Immerhin will Saudi-Arabien angesichts des eigenen Mangels aber jetzt Rohöl vom Irak kaufen.

Generell sind Angriffe, die von irakischem Territorium ausgehen, ein hochsensibles Thema, nicht nur eingedenk des Überfalls Saddam Husseins auf Kuwait 1990. Als die USA nach dem Sturz Saddams 2003 nach und nach ihre Illusionen über den Irak herunterschrauben mussten, blieb am Schluss eigentlich nur eines: Vom Irak sollte keine Gefahr für die Nachbarn mehr ausgehen. (Gudrun Harrer, 19.9.2019)