"Wir sind so arm, dass wir deswegen Sammler sammeln", kommentiert Schröder das geringe Ankaufsbudget der Albertina. Doch platzt das Haus dank erfolgreicher Akquise von Dauerleihgaben aus allen Nähten. Wenn man den Anschluss an die Gegenwartskunst halten will, brauche man also einen zweiten Standort. Der neue ist in unter fünf Minuten erreichbar, frohlockt Schröder. Auch hier hat er im Glastrakt zur Bösendorferstraße ein Büro – aber nur ein kleines.

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Blick in die Ausstellungsräume. Dass manche der einstigen Oberlichte im Plastikersaal nachtrauern, nennt Schröder "Phantomschmerzen", denn dessen Decke sei schon seit Jahrzehnten geschlossen.

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"Wenn wir nicht für die österreichische Kunst Bahn brechen, wer dann?", will Schröder der heimischen Kunst am neuen Standort eine Heimstatt geben. "Geht man heute mit einem Touristen durch Wien, sieht man weder Wurm noch Lassnig noch West oder Export in einer Sammlung". Das soll sich mit der "Albertina Modern" und deren Mix aus heimischen und internationalen Künstlern in jeder Ausstellung ändern.

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Aufwendige Restaurierungsarbeiten stellen im Inneren den Originalzustand um 1900 wieder her, unter anderem mit Stuckmarmor, Vergoldungen und buntem Gebälk.

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Alles begann bei einem Abendessen, erzählt Klaus Albrecht Schröder. Da habe Hans Peter Haselsteiner ihn gefragt, welche Vision er für die Sammlung Essl hätte. Haselsteiner hatte gerade die Mehrheit daran erworben. Binnen Minuten skizzierte Schröder ihm eine Idee: Er würde sie nach Wien holen und zum dauerhaften Erhalt an ein Bundesmuseum übergeben, natürlich an die Albertina! Schröder wusste auch schon den geeigneten Präsentationsort: das seit Jahrzehnten "devastierte" Künstlerhaus. Er würde es nach Vorgaben der Albertina umbauen lassen.

Haselsteiner gefiel's, auch die finanziell klamme Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs stimmte zu. Nun präsentierte der expansionsfreudige Albertina-Chef bei einer Baustellenbegehung die Sanierungsarbeiten. In sechs Monaten eröffnet in der neuen Stätte die Dependance "Albertina Modern" für zeitgenössische Kunst. Zu einem Gutteil wird sie sich aus Haselsteiners Sammlung Essl speisen, die bis 2044 als Dauerleihgabe zur Albertina gehört.

Groß verrechnet

Die wird ins Erd- und Untergeschoß einziehen (2.500 Quadratmeter), das Obergeschoß verbleibt der Künstlervereinigung (900). Haselsteiners Strabag baut, Haselsteiner zahlt. Alles läuft nach Plan. Einzig: Schröder hatte sich verrechnet und 25 Millionen Euro Instandsetzungskosten kalkuliert – sie belaufen sich aufs Doppelte.

Die Treppe hoch: Das Obergeschoß gehört der Künstlervereinigung. Die "Factory" (über dem Plastikersaal) wurde mit komplizierter akustischer Decke für Musik, Filme und Veranstaltungen fit gemacht. Die Künstlervereinigung kann sie auch für Vermietungen nutzen.
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Das liegt weniger an der Haustechnik als an der Restaurierung. Nachdem man sich durch 15 Farbschichten geschabt hatte, beschloss man, im Foyer den Originalzustand um 1900 wiederherzustellen. Gerade wird handgeschlagener Terrazzo verlegt, die Wände zieren Stuckmarmor und Gold.

Zu sagen, die Geschichte des Künstlerhauses sei wechselhaft, wäre geschönt. 1865 von Kaiser Franz Joseph der Wiener Künstlerschaft geschenkt, wurde der Bau mehrmals fast abgerissen, eine Triebfeder war stets die marode Finanz der Künstlervereinigung. 1933 übernahmen überzeugte Nazis, nach 1945 plädierte selbst das Bundesdenkmalamt jahrzehntelang für einen Abriss. Diesen "Ungeist" will Schröder austreiben. Gartenhistoriker sollen sogar den früheren Park rekonstruieren.

Zukunft des Brut ungewiss

Nicht weniger begeistert Schröder die Vielfalt seiner neuen Räume: groß, klein, zentral, länglich. Etwa 30 Mitarbeiter wird es für den Betrieb mit Café brauchen. Auch dafür bezahlt Haselsteiner. Wie hoch die Betriebskosten im Jahr sind? Fast siebenstellig, genauer will Schröder nicht werden.

Finde den Albertina-Chef: Klaus Albrecht Schröder in seinem neuen Reich, der "Albertina Modern", die gerade im Künstlerhaus entsteht.
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Außen wird das Gebäude nur an der Rückseite verändert: In einem Glasbau finden Büros Platz. Was aus dem Theater Brut wird? Auch das gehört Haselsteiner. Schröder würde den Trakt gerne für eine Dauerausstellung nutzen. Das Brut zeigt sich von dem Plan überrascht, eine Rückkehr wolle man nicht ausschließen.

Gestartet wird in der Albertina Modern am 12. März mit österreichischer Kunst von 1945 bis 1980. Die zweite Schau soll nur internationale Positionen der Sammlung Essl zeigen – Schröder will damit Stimmen antworten, die über deren Qualität spötteln. Erst die dritte Schau wird für die Spielstätte typisch sein, heimische mit internationaler Kunst auf Augenhöhe zeigen und ihr so zu ihrem Recht verhelfen. Geplant sind drei Wechselausstellungen im Jahr, auch im Stammhaus wird es weiter Gegenwartskunst geben. (Michael Wurmitzer, 19.9.2019)