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David Koepp kommt aus der Filmbranche. Als Drehbuchautor kann der US-Amerikaner eine ganze Reihe Hits für sich verbuchen, von "Mission: Impossible" über "Spider-Man" (die 2002er Version mit Tobey Maguire, man verliert inzwischen ja den Überblick vor lauter Spinnenmännern) bis zur schwarzen Komödie "Der Tod steht ihr gut". Die dickste Trophäe im Schrank dürfte allerdings immer noch "Jurassic Park" aus Koepps frühen Jahren sein.

Darum kehrt er nun gewissermaßen zu seinen Anfängen zurück, obwohl er das Medium wechselt. Der Dino-Klassiker von 1993 basierte ja bekanntlich auf einem Buch von Michael Crichton. Und wenn Koepp nun im zarten Alter von 56 seinen ersten Roman vorlegt, dann ist dies ein Wissenschaftsthriller ganz im Geiste Crichtons. Das eigentlich Wichtige aber: "Cold Storage" ist von vorne bis hinten überraschend unterhaltsam.

Fungaler Fiesling

Bereits im Prolog macht Koepp klar, wohin die Reise gehen wird: nämlich ins Reich der Pilze. Und die Star-Rolle erhält eine Spezies, die wir schon sehr gut kennen. Ophiocordyceps unilateralis ist Lesern des Wissenschaftsressorts als jener tropische Pilz geläufig, der das Gehirn von Ameisen befällt, um sie so an einen Ort seiner Wahl zu steuern. Dort beißen sie sich so lange fest, bis sie platzen und damit die Sporen des Pilzes in weitem Umkreis verteilen.

Mit einer fiktiven Variante dieses Pilzes, die statt Ameisen Menschen zu Zombies macht, hat uns vor einigen Jahren der britische Autor Mike Carey in seinem apokalyptischen Roman "The Girl with All the Gifts" ("Die Berufene") das Gruseln gelehrt. Auch bei Koepp werden wir es mit einer neuen Variante des Pilzes zu tun bekommen, die – unter anderem – Menschen befällt. Hier dreht sich die Handlung aber nicht um das Überleben in einer Zombiekalypse, hier gibt man sich noch heftig Mühe, eine solche im Keim zu ersticken.

Zurück in die 80er

Michael Crichtons "The Andromeda Strain" stand unverkennbar Pate für den ersten Abschnitt des Romans, angesiedelt im Jahr 1987. Darin begibt sich Roberto Diaz, ein Spezialagent der US-Armee, zusammen mit seiner Partnerin Trini Romano zu einem abgelegenen Dorf in Westaustralien, wo einst ein paar Trümmer der abgestürzten Weltraumstation Skylab niedergegangen sein sollen. Die beiden arbeiten für eine Abteilung, die routinemäßig ausländische ABC-Waffenprogramme eliminiert, und sollen Berichten über eine mögliche biologische Kontamination nachgehen.

Und eine solche werden sie auch finden. Der Pilz war nämlich Teil eines Experiments an Bord der Station, hat ihren Absturz überlebt und sich durch die Symbiose mit einem nicht näher charakterisierten Mikroorganismus in etwas Neues verwandelt, "Cordyceps novus". (Die Stelle mit dem mysteriösen Symbionten ist übrigens die einzige, über die sich der ansonsten sehr präzise bleibende Koepp drüberschwindelt.) Die Folge: Als Roberto und Trini am Zielort eintreffen, müssen sie feststellen, dass sämtliche Dorfbewohner wie brave Zombie-Ameisen auf die Dächer geklettert und dort explodiert sind. Also wird die Gegend durch Massenvernichtungswaffeneinsatz sterilisiert und das Agentenduo reist wieder ab – freilich mit einer letzten Probe des Pilzes im Gepäck, um sie in einer militärischen Geheimanlage aufzubewahren.

Doch wie das halt so ist: Die Jahre ziehen ins Land, Regierungen und Prioritäten wechseln, die Anlage verliert ihre Bedeutung und wird verkauft. 30 Jahre später ist auf dem Gelände – einem Höhlensystem in Kansas – ein kommerzielles Mietlager eingerichtet. Und außer Roberto, Trini und ihrem ehemaligen Vorgesetzten weiß in der ganzen Militärbürokratie kein Mensch mehr, dass in einer versiegelten Kammer unter den Storage-Units immer noch der Pilz schlummert. Gehen wir davon aus, dass Roberto ("I don't like making work for other people.") beizeiten noch aus dem Ruhestand zurückkehren wird.

In der Gegenwart

Doch erst ist es Zeit für den Auftritt eines jungen Protagonistenpaars der gelungenen Sorte. Travis "Teacake" Meacham und Naomi Williams jobben beide im Mietlager, weil sie dringend das Geld brauchen. Teacake ist in der Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten und immer noch ein Schlitzohr, aber sehr darauf bedacht, nicht endgültig die Einbahnstraße in die Kriminalität einzuschlagen. Von Naomi ist er hingerissen, seit er sie das erste Mal mit einer Überwachungskamera erspäht hat. Das Problem: Die junge alleinerziehende Mutter ist deutlich reifer als er – wie soll er bei so einer bloß landen können?

Dass ich hier auf solche vermeintlichen Nebensächlichkeiten eingehe, hat schon seinen Grund. Natürlich ist die unvermeidliche Freisetzung des Pilzes der Dreh- und Angelpunkt des Romans, und "Cold Storage" wartet auch reichlich mit all den Suspense-, Schock- und Ekeleffekten auf, die man sich von einem solchen Thema erwarten darf. Das Zusammenspiel der Protagonisten verleiht dem Ganzen jedoch eine unerwartete Dosis Witz. Plappermaul Teacake ist stets drauf und dran, sich um Kopf und Kragen zu reden, und liefert unter anderem die witzigste, weil umständlichste Liebeserklärung ab, die ich seit langem gelesen habe. Endlich mal keine gestelzten Informationsübermittlungsgespräche, sondern authentisch wirkende Dialoge, die auch zu den Figuren passen!

Spaß und Spannung

Dass die Dialoge sitzen, ist letztlich ganz simpel dem Umstand geschuldet, dass Koepp mit Worten umzugehen versteht. Minutiöse Schilderungen biochemischer Prozesse hier, auf den Punkt gebrachte Charakterzeichnungen da und mit dem Gefühl fürs richtige Timing gesetzte Überraschungseffekte allerorten – Präzision durch Anschaulichkeit lautet Koepps Devise. Der ironische Ton, in dem die diversen Grauslichkeiten geschildert werden, spiegelt das Amüsement eines Erzählers wider, dem das Schaudern seines Publikums Vergnügen bereitet. Also legt er genüsslich noch ein Schäuferl drauf.

Natürlich ist "Cold Storage" Genreliteratur par excellence, soll heißen: in seinem Ablauf letztlich erwartbar. Doch hab ich schon deutlich schlechtere Wissenschaftsthriller gelesen – und die kamen nicht von Debütanten. Überraschender ist die Erkenntnis, dass ich auch schon jede Menge Romane gelesen habe, die viel mehr wie verkappte Drehbücher wirkten und fast schon verzweifelt auf eine Verfilmung zu schielen schienen. Koepp hingegen hat den Formatwechsel offenbar ernst genommen und tatsächlich einen Roman geschrieben. Was freilich nicht heißen soll, dass "Cold Storage" nicht leicht verfilmbar wäre. Und sollte sich statt dem Syfy-Channel Hollywood die Rechte sichern (und für Teacake und Naomi die richtigen Darsteller finden), werde ich mir das auch gerne anschauen.