Besonders in China, Indien, Brasilien, Iran und der Türkei grassieren Antibiotikaresistenzen in der Landwirtschaft. In manchen Regionen haben die häufigsten Antibiotika ihre Wirksamkeit fast völlig eingebüßt.

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Zürich – Die meisten Resistenzen treten gegen diejenigen Antibiotika auf, die am häufigsten bei Tieren verwendet werden: Tetracycline, Sulfonamide, Penicilline und Chinolone. Einen besonderen Anstieg haben Züricher Wissenschafter in Entwicklungs- und Schwellenländern registriert. Sie schufen auch eine interaktive Weltkarte zu dem wachsenden Problem.

Ein Hintergrund ist die weltweit stark zunehmende Fleischproduktion. Immer mehr Menschen in Indien, China, Lateinamerika oder Afrika sind zu Wohlstand gekommen, was sich in einem erhöhten Konsum von Fleisch und Milchprodukten äußert. In Afrika hat der Fleischkonsum in den vergangenen zwei Jahrzehnten um mehr als die Hälfte zugenommen, in Asien und Lateinamerika um zwei Drittel.

Unkontrollierter Masseneinsatz

Um die wachsende Nachfrage zu decken, wurde die Tierzucht intensiviert, unter anderem mit einem höheren Einsatz von Antibiotika. Landwirte setzen die Medikamente nicht nur ein, um kranke Tiere zu behandeln, sondern auch um Infektionen bei der Massentierhaltung vorzubeugen. Denn wo Tiere in großer Zahl auf engem Raum unter mangelhaften hygienischen Bedingungen gehalten werden, brechen leicht Krankheiten aus. Antibiotika werden aber auch dafür eingesetzt, um den Gewichtszuwachs der Tiere zu erhöhen.

Gleichzeitig haben Entwicklungs- und Schwellenländer oft nur wenig Kapazitäten, um den Gebrauch von Antibiotika und Resistenzen auf Betrieben zu überwachen. Die Anwendung von Antibiotika sei dort meist schlechter reglementiert und dokumentiert als in reichen Industrienationen, schreibt ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Thomas Van Boeckel von der ETH Zürich.

Verbreitungskarte und Datenbank

Die Wissenschafter haben nun im Fachblatt "Science" eine Karte der Antibiotikaresistenzen in Nutztieren aus Entwicklungs- und Schwellenländern veröffentlicht. Um herauszufinden, wo und in welchen Nutztierarten Resistenzen bei den Krankheitserregern Salmonella, E. coli, Campylobacter und Staphylococcus aureus aufgetreten sind, schufen sie zudem eine umfangreiche Datenbank.

Gemäß der Studie sind Tiere im Nordosten Chinas, in Teilen Indiens und des südlichen Brasiliens sowie des Iran und der Türkei am stärksten von Antibiotikaresistenzen betroffen. In diesen Ländern sind die genannten Bakterien mittlerweile gegen eine Vielzahl der in der Fleischproduktion und in der Humanmedizin eingesetzten Medikamente resistent. Erst wenige Resistenz-Hotspots finden sich derzeit in Afrika mit Ausnahme von Nigeria und die Region um Johannesburg.

Die meisten Resistenzen treten gegen diejenigen Antibiotika auf, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen: Tetracycline, Sulphonamide, Penicilline und Quinolone. In gewissen Regionen haben diese Substanzen ihre frühere Wirksamkeit gegen Infektionen fast völlig eingebüßt, so das alarmierende Fazit der Forscher.

Gesundheitliche Folgen

Um nachzuverfolgen, wie sich Mehrfachresistenzen entwickeln, entwickelten die Wissenschafter einen neuen Index. Dieser beziffert für jede Region den Anteil der Antibiotika mit Resistenzraten von mehr als 50 Prozent. In Schwellen- und Entwicklungsländern hat sich dieser Index für Hühner und Schweine in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdreifacht. Zurzeit versagen ein Drittel der Antibiotika in 50 Prozent der Fälle in Hühnern und ein Viertel der Mittel in 50 Prozent der Fälle in Schweinen.

"Dieser beunruhigende Trend zeigt, dass in der Tierzucht eingesetzte Medikamente ihre Wirksamkeit rasch einbüßen", sagte Van Boeckel. Dies werde sich auf die Nachhaltigkeit der Fleischindustrie und möglicherweise auch auf die Gesundheit von Konsumenten auswirken. Besorgniserregend sei dies deshalb, weil die Resistenzen besonders in jenen Ländern zunehmen würden, in denen auch der Fleischkonsum stark wachse und der Zugang zu tiermedizinisch verwendeten Antibiotika nur ungenügend reglementiert werde. (red, APA, 20.9.2019)