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Psychotherapeutische Berater und Sozialberater könnten ein Coaching gut gebrauchen.

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Es wäre nicht Österreich, würde nicht regelmäßig um Zulassung zur und Grenzen der Berufsausübung gestritten. Einmal sind es Rechtsanwälte und Steuerberater, die sich in die Haare kommen, dann Ernährungstrainer und -wissenschafter. Viele andere Beispiele gäbe es, bei denen die Stände um ihre Rechte kämpfen. Ein heftiges Tauziehen gibt es seit einiger Zeit im Bereich der Beratung. Konkret haben die in der Wirtschaftskammer angesiedelten Lebens- und Sozialberater der aufstrebenden Zunft der Supervision den Kampf angesagt.

Supervisoren helfen in angespannten Zeiten und Berufsfeldern, mit brenzligen Situationen umzugehen oder die Teamfähigkeit zu verbessern. Besonders gefragt ist Supervision in medizinischen, sozialen oder pädagogischen Bereichen, in denen es oft gesetzliche Verpflichtungen für diese Form der Beratung gibt. Dazu kommen zusehends Mandate in der Privatwirtschaft, in der etwa Führungskräfte Wert auf die Dienste der Supervisoren legen.

Freier Beruf oder nicht

So weit, so gut – oder auch nicht: Die Wirtschaftskammer hat ein massives Problem mit der Supervision, da sich der Stand als freier Beruf sah. Die logische Konsequenz aus Sicht der Supervisoren: Die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer kommt für sie nicht zu tragen. Man wurde eines Besseren belehrt.

Seit mehr als einem Jahr bläst die WKO zum Halali auf Mitbewerber. Bis auf Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen sollen alle Supervisoren – rund 1300 in Österreich – unter das Kammer-Kuratel. Der WKO-nahe Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb heftete sich an die Fersen der vermeintlichen Freiberufler und zeigte sie reihenweise an. Mit Erfolg – auch dank der Rolle des Wirtschaftsministeriums, das die Position der Kammer unterstützt.

Zahlreiche Supervisoren wurden zu Strafzahlungen verdonnert – und zum Lösen eines Gewerbescheins. Dort müssen oder dürfen sie sich nun unter die Lebens- und Sozialberater, manchmal auch unter die Unternehmensberater mischen. Selbst den Auftraggebern wurden Pfuscher-Anzeigen angedroht, sollten sie Nicht-Kammermitglieder beauftragen, berichtet Wolfgang Knopf von der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS).

Streit um Behindertenhilfe

Doch es kam noch mehr Unbill hinzu. Die Kammer hat auch ein Problem damit, dass öffentliche Einrichtungen oft exklusiv mit Supervisoren zusammenarbeiten. So beispielsweise in der Steiermark, wo in der Behindertenhilfe tätige Personen eine Supervision erhalten. Dabei greift man ausschließlich auf Leistungen von ÖVS-Mitgliedern oder von Psychologen und Psychotherapeuten zurück. Reine Sozialberater dürfen nicht engagiert werden.

"Aufgrund dieser Diskriminierung haben wir eine Klage eingereicht", teilte die Kammer im November mit. Der Antrag auf einstweilige Verfügung richtete sich gegen das Land Steiermark, die für die Organisation der Behindertenhilfe verantwortlich zeichnet. Das Verfahren wurde prompt zur Musterklage hochstilisiert, werden doch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ähnliche Missstände geortet. Man berief sich u. a. darauf, dass auch viele Sozialberater eine Kurzausbildung zum Supervisor gemacht haben.

Doch die Kammer blitzte ab. Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Kurzausbildung zum Supervisor der Sozialberater nicht gleichwertig mit der Ausbildung der in der ÖVS vertretenen Berufe sei. Für Knopf keine Überraschung: Immerhin betrage die Ausbildungsdauer inklusive Praxis 575 Stunden. (Andreas Schnauer, 20.9.2019)