Im Gastkommentar gibt sich Michael Löwy von der Industriellenvereinigung überzeugt: Fairer Freihandel trägt dazu bei, den Wohlstand gerechter zu verteilen.

Eine erstaunliche Allianz aus unterschiedlichen politischen Lagern und NGOs hat den internationalen Handel in die Rolle des Bösewichts gedrängt. Scheinbar ist er es, der die Verfehlungen dieser Welt verschuldet – von Armut bis Menschenrechtsverletzungen.

Tatsächlich sieht die Realität aber anders aus. Denn internationaler Handel wirkt gegen weltweite Armut. Laut Uno ist zwischen 1990 und 2015 der Anteil jener Menschen, die in extremer Armut leben, von 36 auf zwölf Prozent gefallen. Fairer Freihandel trägt entscheidend dazu bei, Wohlstand gerechter zu verteilen. Das ermöglicht gleichwertige Partnerschaften von etablierten Wirtschaftsregionen mit aufstrebenden Ländern. Ebenso profitieren die Menschen in Europa und Österreich: Welthandel senkt Konsumentenpreise, erhöht Produktvielfalt und hebt das Einkommensniveau. Diese Erfolgsgeschichten werden in der politischen Diskussion allzu gerne vergessen.

Mercosur erlaubt lediglich 99.000 Tonnen Rindfleischimporte aus Südamerika zu einem gesenkten Zolltarif. Bei einem derzeitigen EU-Gesamtkonsum von acht Millionen Tonnen entspricht das gerade 1,2 Prozent.
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Nörgler und Verhinderer

Auch dem Feindbild Mercosur werden fälschlicherweise alle Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte in Südamerika angelastet. Die grundsätzliche Ablehnung des Abkommens durch die Großparteien im EU-Unterausschuss – obwohl der Text noch nicht vollständig vorliegt – führt Österreich europapolitisch ins Abseits und in das Lager der Nörgler und Verhinderer.

Österreichs Unternehmen und ihre Beschäftigten zeigen hingegen jeden Tag, wie man sich internationalen Herausforderungen erfolgreich und konstruktiv stellt. Indem sie für 212 Milliarden Euro Waren sowie Dienstleistungen exportieren und eine erfolgreiche Zukunft für unser Land schaffen. Die Exportwirtschaft steht für 1,7 Millionen Arbeitsplätze. Gesichert werden soziale Errungenschaften wie Pensionen, Gesundheitsversorgung oder Schulen.

32.000 Arbeitsplätze

Damit Österreichs Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden kann, sind kluge Handelsverträge und faire Wettbewerbsbedingungen notwendig, die für unsere Exportwirtschaft neue Märkte öffnen. Statt Freihandelsabkommen zu verdammen, sollten wir die Chancen sehen: EU-Exporte in den Mercosur-Raum sichern in Österreich 32.000 Arbeitsplätze. Mehr als 1400 rot-weiß-rote Unternehmen sind mit über 260 Niederlassungen vor Ort tätig, schon jetzt ist unsere Handelsbilanz positiv. Ein faires Abkommen könnte zudem einen Beitrag leisten, die hohen europäischen Standards bei Lebensmitteln, Umweltschutz und auch bei Sozialem in andere Erdteile erfolgreich zu exportieren.

Selbstverständlich müssen die Sorgen der Menschen ernst genommen werden. Der Amazonas-Wald muss erhalten bleiben! Daher enthält das Mercosur-Abkommen eine klare Verpflichtung zum Pariser Klimaabkommen, zur Aufforstung des Regenwaldes und zum Vorgehen gegen illegale Brandrodungen. Nebenbei bemerkt: Brasiliens Strom kommt schon jetzt zu 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen, bei der gesamten Energie sind es 42 Prozent.

Europapolitische Sackgasse

Zudem erlaubt Mercosur lediglich 99.000 Tonnen Rindfleischimporte aus Südamerika zu einem gesenkten Zolltarif. Bei einem derzeitigen EU-Gesamtkonsum von acht Millionen Tonnen entspricht das gerade 1,2 Prozent. Auch in Relation zu den elf Millionen Tonnen brasilianischem Rindfleisch wäre das zollreduzierte Kontingent ein geringer Anteil.

Statt Freihandelsabkommen für alles verantwortlich zu machen, sollten wir auch andere Regionen der Welt dazu drängen, sich an ihre Verpflichtungen bei Menschenrechten sowie Klima- und Umweltschutz mit den dazugehörigen Vertragswerken zu halten.

Die Welt dreht sich weiter und wartet nicht auf die heimische Innenpolitik. Es ist daher zu hoffen, dass die neue Bundesregierung einen Weg aus der europapolitischen Sackgasse findet und verantwortungsvoll die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher vertritt sowie Europas Rolle in der Welt stärkt. (Michael Löwy, 19.9.2019)