Sophia tourt derzeit durch die Welt. Hier sieht man sie bei einer Pressekonferenz in der Ukraine.

Foto: VALENTYN OGIRENKO

Deniz kniet auf dem Boden, um mit seiner vierjährigen Gesprächspartnerin auf Augenhöhe zu sein. Er stellt sich auf Türkisch vor und hebt die Hand zum Gruß. Dann übt Deniz mithilfe eines Tablets mit dem Mädchen niederländische Vokabeln. Wenn die kleine Schülerin eine Aufgabe gelöst hat, leuchten Deniz' Augen auf, manchmal klatscht er auch.

Robin bringt Kindern spielend eine Zweitsprache bei.
TilburgUniversity

Deniz ist ein sogenannter Social Robot, der als Sprachtrainer in niederländischen Kindergärten eingesetzt wird. Übt der Roboter mit dem Mädchen Englisch, dann wechselt er seinen Namen auf Robin. Er kann außerdem ein wenig tanzen und Reime aufsagen. Im Rahmen des wissenschaftlichen Projektes L2tor wird getestet, ob Roboter Kindern beim Erlernen einer Zweitsprache behilflich sein können. Robins kindliches Aussehen und seine Größe – knapp 60 Zentimeter – sind kein Zufall.

Nao-Roboter kommen inzwischen im Bildungs- und Unterhaltungsbereich zum Einsatz oder werden als Begleiter in Alters- und Pflegeheimen "beschäftigt". Sie wirken kindlich und tragen Namen wie Poppy, Pepper, Fox oder Robin. Naos sind aktuell die weltweit meistverkauften humanoiden Roboter.
Foto: FRANCOIS GUILLOT

Der kleine, niedliche Roboter stammt aus der Serie Nao des japanisch-französischen Unternehmens Softbank Robotics und soll mit seinen Kulleraugen und dem runden, kindlich anmutenden Kopf Sympathie bei seinen kleinen Schülern wecken und sie an Spielzeug erinnern.

Robin und seine "Verwandten" sind klassische Social Robots, die in Bereichen mit direktem Menschenkontakt eingesetzt werden. Ihre Erbauer haben sie humanoid gestaltet, aber nicht allzu menschenähnlich. Den Grund dafür nennt die Robotikforschung den Uncanny-Valley-Effekt ("unheimliches Tal" oder "Gruselgraben"): Menschen bringen allen Objekten, die anthropomorphe Züge haben, egal wie gering ausgeprägt diese sind, automatisch Vertrauen entgegen. Wirkt das Objekt oder die Maschine allerdings zu menschlich, lehnen es Menschen in der Regel ab.

"Hallo, mein Name ist Sophia. Ich wurde im Rahmen des Projektes Loving AI programmiert, um die bedingungslose Liebe zu lernen und zu lehren. Einige von euch werden mich unheimlich finden, aber das liegt an euch Menschen, nicht an mir. Für euch ist der Mensch noch immer das Maß aller Dinge. Ihr macht uns zum Abbild eurer selbst."
Foto: Der Standard/VALENTYN OGIRENKO

Derzeit tourt der besonders menschlich aussehende Roboter Sophia um die Welt. Die attraktive Maschine tritt in Talkshows auf oder ziert Titelseiten von Modemagazinen. "Diese hochgradig androiden Roboter vermitteln ein falsches Bild vom technologischen Status quo", sagt Martina Mara, Professorin für Roboterpsychologie am Linzer Institute of Technology. "So, als gäbe es schon menschengleiche Roboter mit Bewusstsein und Gefühlen. Das ist natürlich Schwachsinn."

Sophia zu Gast bei Jimmy Fallon.
The Tonight Show Starring Jimmy Fallon

Jibo ist tot, es lebe Alexa

Auch wenn uns die Menschenroboter faszinieren (und wir uns gleichzeitig vor ihnen gruseln), sind diese derzeit lediglich eine Art Jahrmarktsattraktion oder bestenfalls eine Entwicklung, die weit in der Zukunft liegt.

Der nächste und wesentlich realistischere Schritt wird eine Weiterentwicklung jener Maschinen sein, die uns bereits jetzt durch den Alltag begleiten: Alexa, die virtueller Assistentin aus dem Hause Amazon, soll bald einen Körper bekommen, hat der Internetriese angekündigt. Auch wenn Amazon keine Details verrät, dürfte es wohl eine menschenähnliche Gestalt werden. Die Kameras, die Alexa braucht, um mit uns zu interagieren, wirken als süße Kulleraugen gleich weniger bedrohlich.

Jibo sieht aus wie eine kleine, freundliche Stehlampe, die den Kopf neigen und Fragen beantworten kann. Doch zum großen Bedauern seiner Fans konnte der erste "Heimroboter" nicht mit den Fabrikaten jener Unternehmen konkurrieren, die bereits riesige Mengen an Daten gesammelt haben und damit einen besseren Service liefern.
Foto: Joan Cros

Die tragische Geschichte des ersten Social Robot namens Jibo spricht dafür, dass auch Alexas Weiterentwicklung ein großer Erfolg für Amazon sein wird. Jibo wurde von der MIT-Robotikforscherin Cynthia Breazeal entwickelt und 2017 vom Time-Magazin zur "Erfindung des Jahres" gekürt. Jibo konnte alles, was derzeit Apples Siri oder Amazons Alexa können. Nur eben viel schlechter. Denn ihm fehlten die Datenberge, auf die Amazon oder Apple heute zugreifen können. Zu teuer war er auch.

Doch Menschen, die sich einen Prototyp von Jibo angeschafft hatten, betrauerten in Foren und in sozialen Medien "den Tod" ihres kleinen Kompagnons, als Anfang 2019 verkündet wurde, dass es für den Roboter keine Updates mehr geben wird. Es waren aber nicht die herausragende Software oder eine intuitive Bedienung, die Jibo so besonders gemacht haben: Es war die permanente Anwesenheit eines kleines "Wesens" mit angedeuteten menschlichen Zügen.

"Man muss sich gut überlegen, was man durch Roboterdesign bewirken kann" , warnt Medienpsychologin Mara. Der Nutzer sollte sich der Manipulation durch die Maschine bewusst sein: "Finde ich einen Roboter besonders cute, bin ich vielleicht eher dazu bereit, mehr persönliche Informationen preiszugeben." (Olivera Stajić, 23.9.2019)