Schönheit ist keine abstrakte Sache. Da können die Inhaltsstoffe noch so wertvoll klingen, profunde Experten erklären, wie verträglich das Produkt doch ist, und die Verpackungen noch so hübsch aussehen: Wir wollen ein Gesicht zum Make-up.

Wir möchten, dass uns jemand vorlebt, wie man perfekt aussieht. Glaubwürdigkeit ist im Beauty-Geschäft eine harte Währung. Dabei ist der Markt längst übersättigt, jede Woche erscheint ein neuer Nagellack, ein neuer Lippenstift, eine neue Foundation. Wie soll man da den Überblick bewahren?

Das Gesicht von Popstar Rihanna kennt jeder. Die Sängerin aus Barbados ist im Modebusiness omnipräsent: Sie sitzt in der Front Row von Fashion-Shows, ist Markenbotschafterin und mittlerweile selbst Designerin. Popstars verdienen heutzutage mit der Musik ihr Grundeinkommen, ihr wahrer Reichtum aber kommt von Werbedeals.

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Rihanna vermarktet sich und ihre Produkte auf Instagram.
Foto: Getty Images for Fenty Beauty / Mark Ganzon

Parfums von Britney Spears oder Christina Aguilera gibt es schon lange, aber das waren meist völlig belanglose, austauschbare Produkte, die im Grunde wenig mit dem jeweiligen Star zu tun hatten. Dass Promis ihre eigenen Beauty-Linien auf den Markt bringen und damit Milliarden verdienen, ist jedoch ohne Instagram schwer vorstellbar.

Die Online-Plattform ist ein direkter Draht zu den meist sehr jungen Kundinnen. Die Stars geben sich hautnah und persönlich, sie erklären, wie sie ihre eigenen Produkte verwenden. Sie kommen über den Bildschirm direkt zu den Kundinnen nach Hause. Sie verkörpern, was sie verkaufen.

Diversity wird gerade hochgehalten. Erstaunlich, wie lange es gedauert hat, dass nicht nur helle Make-up-Schattierung angeboten werden. Rihanna füllte mit ihrer Fenty-Beauty-Linie, die 2017 weltweit auf den Markt kam und über Sephora vertrieben wird, eine Marktlücke: 40 Farbnuancen wurden angeboten.

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Rihanna beim Event anlässlich der Vorstellung ihrer Beauty-Linie.
Foto: Vianney Le Caer/Invision/AP

Sie wolle Make-up für alle liefern, nicht nur wie sonst üblich für die weiße Oberschicht, meinte die Geschäftsfrau, die selbst für erfolgreiche Diversity steht. So funktioniert ein glaubwürdiges Konzept.

Fenty Beauty war Gesprächsthema auf allen sozialen Plattformen. Endlich gab es auch Make-up für dunkelhäutige Frauen, was sich auch in den Kampagnen zeigte, in denen höchst unterschiedliche Frauentypen zu sehen waren.

Rihanna brach alle Rekorde. In nur 40 Tagen, nachdem Rihannas Produkte exklusiv in das Sortiment des Kosmetikhändlers Sephora aufgenommen wurden, sorgten sie für einen Umsatz von 100 Millionen US-Dollar. Im Vorjahr hat Fenty Beauty 570 Millionen US-Dollar Gewinn gemacht. Das ist unglaublich viel, andere Kosmetiklinien brauchen Jahre, um ein solches Business aufzubauen.

Bei Rihanna reicht der bekannte Name. Gleichzeitig hat man trotzdem das Gefühl, es sei mehr als bloß ein Marketingschachzug. Rihanna kennt das Problem persönlich, das sie mit ihrem Label gelöst hat. Viele andere Marken wie Chanel oder L'Oréal zogen nach, stockten ihre Farbtöne auf. Inklusivität ist gefragt, keine Marke kann sich dem verschließen. Rihanna hat diesbezüglich Türen geöffnet.

Kardashian-Strategie

Bevor Rihanna kam, sah und siegte, dominierte Kylie Jenner den Markt. Sie hatte sich ein Online-Kosmetikimperium aufgebaut. Die "Kylie Lip Kits" waren 2015 innerhalb einer Minute ausverkauft. In den ersten 18 Monaten erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 420 Millionen US-Dollar.

Die Kardashians sind ein hermetisches System, allein ihre Instagram-Reichweite garantiert ihnen eine Werbewirkung, von der viele große Konzerne nur träumen können.

Kylie liebte matte Lippen. Aber sie fand keine passenden Produkte, also musste sie diese selbst entwerfen, so lautet der Gründungsmythos ihres Beauty-Imperiums. Kylie löste damit jedenfalls einen regelrechten Hype aus – und wurde zur Milliardärin. In der Liste der reichsten "Self-Made Women" sind zehn aus der Beauty-Branche.

Ein Marketing-Gen scheint der Kardashian-Jenner-Familie ohnehin angeboren zu sein. Die Kardashians sind ein hermetisches System, allein ihre Instagram-Reichweite garantiert ihnen eine Werbewirkung, von der viele große Konzerne nur träumen können. Die Kontakte zu Influencern und anderen Stars, an die Produkte gratis verschickt werden, erledigen den Rest.

Auch Kim ist eine Könnerin darin, ihre Parfums an Freundinnen und Freunde zu verschicken, die dann die Werbetrommel rühren. Die Kimoji-Heart-Parfums etwa waren in großen Schokoladeherzen versteckt, die am Valentine's Day an Influencer und Stars gingen. Noch theatralischer geht es kaum.

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Um ihre Düfte zu bewerben, beweist Kim Kardashian vollen Körpereinsatz.
Foto: Getty Images for ABA / Presley Ann

Für den Flakon eines anderen, limitierten Parfums stand der nackte Körper von Kim Pate. Natürlich wurde der Entstehungsprozess auch anschaulich dokumentiert und über soziale Medien verbreitet.

Hinzu kommt: die Kraft des Geständnisses. Ich bin eine von euch. Auch darin ist niemand geschickter als Kim Kardashian, die sich zwar öffentlich perfekt inszeniert, aber gern zugibt, auch Schwachstellen zu haben. Um ihr Body-Make-up zu vermarkten, gestand sie freizügig, damit ihre Schuppenflechte zu überdecken.

Auch Schminkgurus wie Jeffree Star und James Charles finden auf Instagram viele Fans – und Kunden.

Es sei jahrelang ihr Geheimnis gewesen, leicht Verletzungen und Adern zu bekommen, ihr Body-Make-up helfe ihr, deshalb nicht unsicher zu sein. Die neuen Beauty-Stars kommunizieren direkt von Frau zu Frau: Seht her, auch ich habe nachgeholfen. Und ich teile mein kleines Geheimnis mit euch. Die Beauty-Beichte steht hoch im Kurs. Und der neoliberale Auftrag, sich einfach mehr anzustrengen.

Goldgrube Make-up

Natürlich ziehen jetzt alle Stars in Sachen Beauty-Linie nach: Lady Gaga vertreibt Haus Laboratories exklusiv über Amazon. Es gehe um den Ausdruck von Kreativität, Selbstliebe und Individualität, meinte Gaga nicht sonderlich originell.

Natürlich muss Gaga ihre Produkte in ihrer Biografie verankern. Auf ihrem Instagram-Kanal betont sie, Make-up habe in ihrer Kindheit einen Mut in ihr geweckt, von dem sie nicht wusste, dass sie ihn besitzen würde. Ihre Schönheit habe sie erst dadurch entdeckt, sich stets neu zu erfinden.

Spannend ist, wie es mit den Herren weitergehen wird. In der Mode sind Männer schon mutiger geworden. Sie tragen gewagtere Entwürfe. Es wird also höchste Zeit, dass ein Popstar eine Make-up-Linie für Männer auf den Markt bringt.

James Charles hat fast 16 Millionen Follower auf Instagram.

Influencer gibt es bereits genug, die Werbung dafür machen würden. Jemand wie James Charles etwa hat fast 16 Millionen Follower auf Instagram, Jeffree Star 13,7 Millionen – und eine eigene Kosmetiklinie. Fans lieben deren aufwendige Schmink-Tutorials. Es bräuchte also nur mehr eine männliche Rihanna, um diesen lukrativen Markt abzuschöpfen – und den Trend massentauglicher zu machen. (Karin Cerny, RONDO exklusiv, 19.10.2019)