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Ein Kaiserschnitt begünstigt die Ansiedlung potenziell pathogener Bakterien im Darm der Neugeborenen.

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Der Darm von Säuglingen wird unmittelbar nach einer natürlichen Geburt rasch mit Mikroorganismen der Mütter, aber auch durch Mikroben aus der Umgebung besiedelt. Seit einigen Jahren hegen Forscher den Verdacht, dass Krankheiten im Kindesalter und im späteren Leben möglicherweise Folge einer gestörten Erstkolonisation des Darm-Mikrobioms von Neugeborenen sein könnten.

Umstritten ist bisher, wie sich der Erwerb und die Entwicklung des Darm-Mikrobioms zwischen natürlichen Geburten und Entbindungen durch Kaiserschnitt unterscheiden.

In einer aktuellen Publikation im Fachjournal "Nature" dokumentieren britische Forscher die Zusammensetzung der Darmflora in insgesamt 1.679 Stuhlproben von Neugeborenen. Die Forscher nahmen vier, sieben und 21 Tage nach der Geburt sowie im späteren Säuglingsalter Stuhlproben nach 282 Kaiserschnitt-Entbindungen. Diese verglichen sie mit Stuhlproben von 314 vaginal Geborenen aus britischen Krankenhäusern. Bei einer Teilmenge der Babys sammelten die Forscher zusätzlich Proben von insgesamt 175 Müttern, um die Herkunft der Darmbakterien zu ermitteln.

Weniger "gute" Stämme

Das zentrale Ergebnis der Längsschnittuntersuchung: Bei den per Kaiserschnitt Geborenen fand sich über die Zeit nicht nur eine verminderte Zahl von "guten" mütterlichen Bacteroides-Stämmen, sondern auch eine vermehrte Besiedlung mit opportunistischen Krankheitserregern – darunter Enterococcus-, Enterobacter- und Klebsiella-Arten. "Das heißt, es handelt sich um Erreger von Infektionen bei bereits kranken, meist hospitalisierten und wegen ihrer Grunderkrankung mit Antibiotika behandelten Patienten", erklärt Mathias W. Hornef, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Uni-Klinik RWTH Aachen.

Nach Angaben der Autoren stellt die Art der Geburt damit einen signifikanten Risikofaktor dar, wie sich das Darm-Mikrobiom von Neugeborenen bis hin ins Säuglingsalter zusammensetzen wird. Die Forscher kultivierten über 800 Bakterienstämme und analysierten anschließend ihr gesamtes Erbgut, führten also eine sogenannte Genomsequenzierung durch. Dadurch spürten sie bei den Kaiserschnitt-Kindern bakterielle Virulenzfaktoren und klinisch relevante antimikrobielle Resistenzen bei einigen opportunistischen Krankheitserregern auf, die die Kinder für Infektionen bei geschwächtem Immunsystem anfällig machen könnten.

Risiko vermeiden

Aus Tierversuchen und epidemiologischen Studien sei bisher bekannt, so Hornef, dass das Darm-Mikrobiom zur Reifung des mukosalen Immunsystems beim Neugeborenen beiträgt. "Unterschiede könnten deshalb eine Auswirkung auf die Häufigkeit und Schwere immunologischer beziehungsweise entzündlicher Erkrankungen im späteren Leben haben."

"Selbstverständlich zeigt diese Studie nicht, dass per Kaiserschnitt geborene Kinder definitiv an Infektionen mit solchen Erregern erkranken werden, dennoch legt sie ein kleines, zuvor unbekanntes Risiko dar, welches es – wenn möglich – zu vermeiden gilt", sagt Stephanie Ganal-Vonarburg von der Abteilung Gastroenterologie/Mukosale Immunologie am Universitätsspital Bern. Zudem seien alle nachgewiesenen Keime auch Teil des Mikrobioms gesunder Menschen, ergänzt Hornef.

Andere Spitalsumgebung

Unklar bleibt, wo und wie genau die Kolonisation mit antimikrobiell resistenten opportunistischen Krankheitserregern bei den per Kaiserschnitt Geborenen erfolgt und inwiefern sich die Krankenhausumgebung zwischen natürlichen und Kaiserschnittgeburten unterscheidet. Ein gestörtes Mikrobiom fand sich zumindest auch bei auf natürlichem Weg Geborenen, die mit Antibiotika behandelt werden mussten.

Die aktuelle Studie kann keine Aussagen über konkrete klinische Konsequenzen der veränderten Besiedelung treffen, die Autoren fordern aber prospektive und langfristige Kohorten-Studien, die auch Säuglinge von Hausgeburten einbeziehen sollten.

"Vaginal Seeding" nicht ratsam

Auch vorherige Studienergebnisse haben schon zu der Idee geführt, durch das Einreiben von per Kaiserschnitt geborenen Babys mit dem Vaginalsekret der Mutter das Mikrobiom "zu reparieren", berichtet Hortense Slevogt, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie am Universitätsklinikum Jena. Die dem zugrunde liegende Studie habe aber einen viel zu kurzen Beobachtungszeitraum umfasst. Dieses sogenannte "Vaginal Seeding" sei daher eine viel zu voreilige Reaktion und könne nicht empfohlen werden, so Slevogt weiter.

Die Studie bekräftige aber jedenfalls sie Sinnhaftigkeit, so Ganal-Vonarburg, der stetig wachsenden Kaiserschnittrate entgegenzuwirken: "Ein Kaiserschnitt sollte nur dann durchgeführt werden, wenn er medizinisch notwendig ist, um die Gesundheit der Mutter oder des Kindes zu schützen." (red, 23.9.2019)