Marko Feingold anlässlich der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gemeinderats der Stadt Salzburg im April 2019.

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Salzburg – Mit Marko Feingold verliert Salzburg nicht nur den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, sondern auch einen der letzten Zeugen des Nazi-Terrors und den Organisator des jüdischen Exodus von 1945 bis 1948. Nun ist Marko Feingold am Donnerstag 106-jährig gestorben, bestätigte die Israelitische Kultusgemeinde in Wien dem STANDARD am Freitag.

Der 1913 in der heutigen Slowakei geborene Feingold überlebte vier Konzentrationslager – darunter auch den Horror von Auschwitz – und wurde von den US-Truppen 1945 aus dem KZ Buchenwald befreit. Da die Rückkehr nach Wien, wo Feingold die Schulzeit verbracht hatte, 1945 nicht möglich war, blieb er eher zufällig in Salzburg.

Bald jedoch wurden die US-Behörden auf sein organisatorisches Geschick aufmerksam und übertrugen ihm die Verpflegung der in Salzburg gestrandeten jüdischen Flüchtlinge.

Weiterreise von "Displaced Persons" organisiert

Feingold – kurz auch Präsident der neu konstituierten Kultusgemeinde – organisierte im Rahmen der jüdischen Flüchtlingshilfsorganisation Bricha die Weiterreise tausender "Displaced Persons" in Richtung des britischen Protektorats Palästina. Ihm verdanken auch jene rund 5.000 Juden die Flucht, die 1947 über den Krimmler Tauern zu Fuß nach Italien gelangten. Feingold hatte dieses Schlupfloch entdeckt, nachdem auf Druck der britischen Behörden der Brenner für die jüdischen Flüchtlinge gesperrt worden war.

Nach der Gründung des Staates Israel wurde es politisch ruhiger um Feingold. Der gelernte Kaufmann machte gemeinsam mit Edi Goldmann, der ebenfalls aus dem KZ Buchenwald nach Salzburg gekommen war, ein Modegeschäft auf.

Während sich sein Kompagnon Goldmann bei den sozialdemokratischen Freiheitskämpfern politisch organisierte, hatte Feingold mit der SPÖ gebrochen. Als Jude sei er nach 1945 in der Partei nicht willkommen gewesen, meinte er einst im STANDARD-Gespräch.

Abgelehnte Versöhnungsversuche

Späte Versöhnungsversuche vonseiten der SPÖ in den 1990er-Jahren hatte Feingold mit Hinweis auf die Überparteilichkeit seines Amtes als Präsident der Kultusgemeinde wiederholt abgelehnt, bis er schließlich doch Ehrenmitglied der SPÖ wurde.

Als Zeitzeuge blieb Marko Feingold bis ins hohe Alter aktiv und engagiert. Zu seinem 105. Geburtstag suchte er sogar den Dialog mit der FPÖ und ihrem damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache. Ein Schritt, der nicht von allen Juden und Jüdinnen in Österreich positiv beurteilt wurde.

Zum Präsidenten der Salzburger Kultusgemeinde wurde Feingold 1979 – kurz nach seiner Pensionierung – gewählt. Dieses Amt hatte er mehr als drei Jahrzehnte inne. Marko Feingold ist am Donnerstag in Salzburg an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben.

"Nicht nur die jüdischen Gemeinden Österreichs, sondern ganz Österreich haben heute einen ganz besonderen Menschen verloren", sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. "Einen Lehrer, Aufklärer, Mahner und vor allem einen wunderbaren Menschen und einen Freund."

ORF ändert Programm

Der ORF ändert in Gedenken an den am Donnerstag verstorbenen Holocaust-Überlebenden Marko Feingold sein Programm. Am Samstag um 22.45 Uhr bringt ORF III ein aus dem Jahr 2015 stammendes 20-minütiges Interview, am Sonntag um 10.30 Uhr zeigt ORF 2 im Religionsmagazin "Orientierung" ein Porträt Feingolds und Ö1 widmet ihm am Montag um 18.25 Uhr ein "Journal Panorama". (Thomas Neuhold, 20.9.2019)