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Wer einen Kredit vorzeitig tilgen kann, dessen Finanzen dürften sich besser als erwartet entwickelt haben. Zudem bekommen Kunden laut einem EuGH-Urteil nun auch mehr Kosten rückerstattet.

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Gute Nachricht für Verbraucher aus Luxemburg: Der dort ansässige Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung hinsichtlich der vorzeitigen Kreditrückzahlung auf ihre Seite geschlagen. Entgegen der österreichischen Praxis müssen dem EuGH zufolge Banken dem Kreditnehmer alle anfallenden Kosten und Gebühren anteilig rückerstatten und nicht nur laufzeitabhängige Kosten wie etwa die monatliche Kontoführungsgebühr.

"Der Hauptposten bei nicht laufzeitabhängigen Kosten ist die Kreditbearbeitungsgebühr", sagt Beate Gelbmann, Leiterin der Abteilung Klagen im Verein für Konsumenteninformation (VKI). Diese würden sich Erhebungen ihres Hauses zufolge zwischen ein und drei Prozent des Kreditrahmens bewegen, dazu könnten auch weitere Kosten wie eine Vermittlungsprovision anfallen. "Das kann schon ins Geld gehen", sagt Gelbmann über die laut dem EuGH-Urteil nun zurückzuerstattenden Spesen.

Auf heimisches Recht berufen

Die Krux an der Sache: Heimische Banken können sich Gelbmann zufolge weiterhin auf österreichisches Recht berufen, dem zufolge nur die laufzeitabhängigen Kosten rückzuerstatten sind – anders als in der der EuGH-Entscheidung zugrundeliegenden EU-Verbraucherkreditrichtlinie.

Wie werden es große heimische Banken mit der Kostenrefundierung künftig halten? Man prüfe derzeit das Urteil, erklärten Bank Austria, Bawag und die RLB Niederösterreich-Wien auf Anfrage. Die Erste Bank beruft sich hingegen auf die österreichische Rechtslage – die eben noch keine Rückzahlung sämtlicher Kreditkosten vorsieht.

Bank auf EuGH hinweisen

Die VKI-Expertin empfiehlt daher allen Kunden, die einen Kredit vorzeitig zurückzahlen wollen, die Bank auf die EuGH-Entscheidung hinzuweisen, um im besten Fall sämtliche Kreditkosten anteilig rückerstattet zu bekommen. Voraussetzung für den Anspruch darauf ist dies allerdings nicht: "Man verwirkt das Recht nicht, wenn man es nicht gleich fordert", betont Gelbmann.

Wichtig ist ihr zufolge, sämtliche Unterlagen, allen voran den ursprünglichen Kreditvertrag, aufzuheben, um die Ansprüche auch noch später geltend machen zu können. Denn der VKI strebe für diesen Fall einen Musterprozess zur Klärung an, solange der Gesetzgeber die Rechtslage nicht an die EuGH-Entscheidung anpasst.

Rasche Reparatur

Das Gesetz sollte zur Klarstellung rasch repariert werden, fordert Gelbmann. Seit dem Urteil handle es sich um eine Falschumsetzung. "Das könnte sogar eine Staatshaftung nach sich ziehen", ergänzt sie. Sprich, ab jetzt könnte unter Umständen der Staat für den Schaden, der Bankkunden dadurch entstanden ist, geradestehen müssen.

"Dass sich daraus für die Vergangenheit Ansprüche der Kreditnehmer gegenüber ihrer Bank ableiten lassen, ist denkbar, das muss aber noch näher geprüft werden", erklärt die VKI-Expertin weiter. Obwohl die Ansprüche der 2010 umgesetzten EU-Richtlinie nicht verjährt seien, müsse die Frage wohl ausjudiziert werden. "Das kann in beide Richtungen ausgehen", sagt Gelbmann.

Anlassfall aus Polen

Anlass für die EuGH-Entscheidung war ein Streitfall um die Kostenrückerstattung bei vorzeitiger Rückzahlung an einen Kreditnehmer aus Polen, wo die Richtlinie ähnlich wie in Österreich umgesetzt worden ist. Dazu hat der Gerichtshof eindeutig Stellung bezogen: Es sind alle Kosten anteilig rückzuerstatten. Die Begründung: Wenn man die Rückerstattung auf laufzeitabhängige Kosten beschränkte, könnten Kreditgeber diese auf ein Minimum reduzieren und laufzeitunabhängige erhöhen.

Dass der Kreditgeber durch die anteilige Erstattung sämtlicher Kreditkosten benachteiligt werde, sieht der EuGH nicht so: Banken hätten bei vorzeitiger Rückzahlung ohnedies meist ein Recht auf finanzielle Entschädigung. (Alexander Hahn, 22.9.2019)