Streiken ohne Schwänzen? Im Rahmen von Schulveranstaltungen ist das für Bildungsministerin Iris Rauskala unter Einhaltung der Aufsichtspflicht möglich.

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Die Week for Future bringt weltweit zahlreiche Aktionen zum Klimaschutz. Am kommenden Freitag findet in Wien der von Fridays for Future organisierte Earth Strike statt. Diesen hat das Bildungsministerium zum Anlass genommen, um in einem Erlass die Teilnahme an der nächstwöchigen sowie an folgenden Demos unter bestimmten Bedingungen zu erlauben. Zur Erinnerung: Erst im März hat der damalige Bildungsminister Heinz Faßmann in einem Erlass darauf hingewiesen, dass es sich beim Fernbleiben vom Unterricht zwecks Demo-Teilnahme um keine gerechtfertigte Verhinderung des Schulbesuchs handelt.

Streiken ohne Schwänzen ist aber nach der nunmehrigen Bildungsministerin Iris Rauskala unter Einhaltung der schulgesetzlichen Bestimmungen dennoch möglich: Schüler können im Rahmen einer Schulveranstaltung oder einer schulbezogenen Veranstaltung für den Klimaschutz streiken. Handelt es sich um eine allgemeine Schulveranstaltung, ist die Teilnahme verpflichtend für alle, bei einer schulbezogenen Veranstaltung kann man freiwillig mitmachen. Die Entscheidung, ob es eine solche Veranstaltung gibt, obliegt den Schulstandorten.

"Ich bin oft gefragt worden, warum ich nicht einfach freigebe", meinte Rauskala im Rahmen einer Pressekonferenz am Freitag. Die Schulgesetze lassen das jedoch nicht zu. Rauskala betonte aber: "Ich darf aber sehr wohl darüber nachdenken, wie ich eine entsprechende Lösung schaffen kann." Die Möglichkeit zur Teilnahme an den Klimademos sei ein Anliegen, das in den vergangenen Monaten am häufigsten an sie herangetragen wurde.

Im Mai demonstrierte Umweltaktivistin Greta Thunberg in Wien für den Klimaschutz, am Wochenende ist sie beim UN-Klimagipfel in New York.
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Alles unter Aufsicht!

Wesentlich ist die Einhaltung der Aufsichtspflicht: Die jungen Aktivisten dürfen also nicht allein und selbstständig zum Klimaprotest ausrücken, sondern nur gemeinsam mit ihren Lehrkräften. Letztere werden im Erlass auch darauf hingewiesen, die Schulveranstaltungen pädagogisch vor- und nachzubereiten. All das gilt nicht nur für Klimastreiks, auch Menschenrechtsdemos können im Rahmen von Schulveranstaltungen besucht werden. "Diese Möglichkeit hat immer schon bestanden", erklärte Rauskala.

Wird keine Veranstaltung durch die Schule organisiert, ist die Demoteilnahme während der Unterrichtszeit aber weiter unzulässig. Bei wiederholtem Fernbleiben drohen auch künftig Sanktionen.

Die Bundesschülervertretung begrüßt den Erlass des Bildungsministeriums. Die frischgebackene Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike, Mitglied der ÖVP-nahen Schülerunion, meint aber auch: "Demonstrationen allein schützen die Umwelt nicht." Für ein generelles Freigeben anlässlich der Klimademonstrationen spricht sie sich nicht aus. Auch sie wolle zwar am kommenden Freitag am Earth Strike teilnehmen, alles in allem solle man jedoch vor seiner eigenen Tür kehren. Die Bundesschülervertretung fordert mehr Fokus auf Mülltrennung und die plastikfreie Schule.

Neue Lehrpläne

Das "einzigartige Bewusstsein der Schüler" möchte Bildungsministerin Rauskala auch durch Änderungen der Lehrpläne würdigen. Neue Lehrpläne für Volksschulen, Neue Mittelschulen und AHS-Unterstufen werden mit dem Schuljahr 2022/2023 kommen. Im allgemeinen Teil soll verstärkt auf Umweltbildung eingegangen werden – im Unterschied zu heute bereits in der Volksschule. Eine Konkretisierung gibt es auch bei den fächerspezifischen Lehrplänen. Der Klimaschutz soll nicht nur "in klassischen Umweltfächern" an Stellenwert gewinnen, sondern auch in Gegenständen wie Mathematik oder Deutsch – etwa durch Arbeit mit Klimastatistiken: Diese können im Mathematikunterricht erstellt und im Deutschunterricht argumentativ beschrieben werden.

Das bestehende Unterrichtsprinzip zu Umweltbildung soll außerdem spezifiziert werden. Unterrichtsprinzipien sind fächerübergreifend zu berücksichtigen. Ob es tatsächlich zur Umsetzung kommt, wird jedoch nicht kontrolliert. Mithilfe von genauen Kompetenzbeschreibungen und konkreten Umsetzungsbeispielen soll die Anwendung im Unterricht verstärkt werden, heißt es dazu vom zuständigen Sektionschef Klemens Riegler-Picker.

Mit dem Schuljahr 2022/2023 kommen neue Lehrpläne. Ein besonderer Fokus soll dabei auf Umweltbildung gelegt werden.
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Wissenschaftliche Basis

Darüber hinaus investiert das Ministerium 750.000 Euro in eine gemeinsame Initiative mit dem Climate Change Center Austria (CCCA). Dafür konnte man die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb gewinnen. Ziel ist, Projektunterricht mit wissenschaftlichen Infos anzureichern und das Umweltprofil von Schulen zu verbessern – etwa in Mobilitätsfragen oder bei der Biodiversität am Schulgelände. Außerdem sollen Lehrkräfte regelmäßig mit den neuesten Erkenntnissen in Klimafragen versorgt werden. Darüber hinaus will man "Peer to Peer"-Projekte organisieren, bei denen Studierende und Schüler in die Wissensvermittlung in Sachen Klimaschutz miteinbezogen werden.

"Wichtig ist jedenfalls eine Öffnung der Universitäten", heißt es dazu von Kromp-Kolb. Die Universität für angewandte Kunst möchte diesem Prinzip folgen und veranstaltet im kommenden Semester eigene Fridays-for-Future-Vorlesungen, die für die Schüler- und Lehrerschaft offen stehen. Gerade in der Klimafrage sei ein interdisziplinärer Zugang notwendig, heißt es dazu von Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst. (Franziska Windisch, 20.9.2019)