Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane sind Thema eines Berichts des Weltklimarates (IPCC), der am kommenden Mittwoch veröffentlicht wird. Im Gastkommentar plädiert Nicolas Entrup von der NGO Oceancare dafür, den Unterwasserlärm zu reduzieren.

Im marinen Bereich legen die Regierungen ihren Fokus sehr stark und durchaus nachvollziehbar auf die Erforschung und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen. Meeresschützer sehen jedoch noch eine weitere unabdingbare Maßnahme für den Klimaschutz: leisere Weltmeere. Das mag zunächst unverständlich klingen, ist aber naheliegend – und vor allem einfach zu erreichen. Der Beitrag zur Emissionssenkung wäre signifikant. Aber der Reihe nach.

Für Meerestiere ist die Wahrnehmung von Schall lebenswichtig. Sie dient der Orientierung, Kommunikation, Nahrungssuche, Feindvermeidung, Partnerwerbung und vielem mehr. Wenn Schall jedoch in hoher Intensität auftritt, wird daraus Lärm mit all seinen negativen Konsequenzen. Diese reichen von Stress und Vertreibung aus Lebensräumen über DNA-Schäden, körperliche Fehlentwicklungen und vielerlei physische Verletzungen bis zum Tod.

Permanenter Schallteppich

Eine Lärmquelle, die seit den 1950er-Jahren in einigen Meeresregionen in jedem Jahrzehnt für eine Verdoppelung des permanenten Schallteppichs sorgte, ist die internationale Frachtschifffahrt, die auch keine unerhebliche Rolle beim Ausstoß von Treibhausgasen spielt. Dass dieser Sektor von den Zielen des Pariser Klimaabkommens ausgenommen worden ist, sorgte für massive Kritik. Später verständigten sich die Staaten in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) aber darauf, bis zum Jahr 2050 die Treibhausgasemissionen aus der Frachtschifffahrt um 50 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2008 zu reduzieren. Wie kann eine solche Einsparung nun erfolgen? Zu den diskutierten Lösungsansätzen zählen der Umstieg auf anderen Treibstoff oder technische Lösungen, etwa beim Schiffsbau und der Energieeffizienz. Bedenkt man, dass Frachtschiffe eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren haben, relativiert sich der Ausblick auf rasche und kräftige Einsparungen mit solchen Maßnahmen aber sehr schnell.

Bild nicht mehr verfügbar.

Frachtschiffe könnten ihre Fahrtgeschwindigkeit reduzieren, und so Emissionen senken.
Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Weniger Beachtung findet hingegen eine Managementmaßnahme, die simpel ist, aber einen sofortigen und in zweifacher Hinsicht positiven Nutzen hätte: die Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit. In einer aktuellen Publikation von Russell Leaper wird errechnet, dass eine Reduktion der Geschwindigkeit der globalen Frachtschifffahrtsflotte um durchschnittlich zehn Prozent zu einem Emissionsrückgang von mindestens 13 Prozent führen würde. Einberechnet ist dabei bereits eine Zunahme der Anzahl an Schiffen zur Aufrechterhaltung des Gütertransportvolumens. Zusätzlich würde die Maßnahme jedoch auch den Lärmeintrag in die Meere um 40 Prozent verringern und dadurch marine Arten und Ökosysteme signifikant entlasten.

Laute Suche nach Erdöl

Eine andere Aktivität ist verantwortlich für die lautesten vom Menschen erzeugten Schallpulse überhaupt: Seismik. Bei der Suche nach Öl- und Gasvorkommen im Meeresboden werden von einem Explorationsschiff bis zu 48 Schallkanonen gezogen, die alle zehn bis 15 Sekunden Schallpulse mit bis zu 260 Dezibel ins Meer aussenden – und das über Wochen oder gar Monate hinweg. Lange wurden in der Öffentlichkeit höchstens die Auswirkungen solcher Lärmquellen auf akustisch sensible Wale diskutiert, doch 2017 versetzte eine Studie australischer Wissenschafter zumindest Personen, die im Meeresschutz arbeiten, in Schrecken. Eine einzige Schallkanone hatte im gesamten Untersuchungsgebiet in einer Distanz von 1,2 Kilometern sämtliche Krilllarven und auch einen großen Teil des adulten Zooplanktons getötet. Damit wird dem gesamten marinen Nahrungsnetz die Basis entzogen.

Negative Auswirkungen, darunter auch der dokumentierte Rückgang von Fischfangraten, durch seismische Aktivitäten lassen sich mit einem simplen Rezept vermeiden: Man führt sie nicht durch. Dieser Gedanke mag bei vielen die Reaktion auslösen: Na ja, so schnell wird es nicht gehen. Okay. Aber wie schnell soll und kann es gehen? Sieht denn nicht das Pariser Abkommen einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe vor? Eine Phase-out-Strategie dafür gibt es jedoch bis heute nicht, weder international noch regional.

Ein Blick ins Mittelmeer gibt vielmehr Anlass zur Sorge, denn in den vergangenen Jahren ist die Anzahl der seismischen Explorationen stark angestiegen. Waren im Jahr 2005 noch 3,8 Prozent der Meeresoberfläche betroffen, stieg der Anteil bis zum Jahr 2013 auf 27 Prozent. Aktuell haben Griechenland, Italien, Zypern, die Türkei, Montenegro und zahlreiche andere Mittelmeeranrainer Lizenzen für die Beschallung des Meeres zur Suche nach Erdölvorkommen vergeben. Ein klarer Widerspruch zum Pariser Abkommen. Während Regierungen in New York über Klimaschutz sprechen, werden gleichzeitig Schallkanonen abgefeuert, um nach dem schwarzen Gold zu suchen.

Der Zusammenhang ist also simpel. Reduzieren wir Unterwasserlärm bei zwei der Hauptverursacher, vermindern wir signifikant sowohl klimawirksame Emissionen als auch negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt der Meere. Eigentlich eine Win-win-Situation. Worauf warten wir noch? (Nicolas Entrup, 20.9.2019)