Dienstag in der Justizanstalt Simmering: Kartoffelsuppe, Putengeschnetzeltes, gedünsteter Reis und Saisonsalat.

Foto: Robert Newald

Schlüssel ins Schloss, Drehung, Tür auf. Aus der Zelle dringen das blaue Licht des Fernsehers und Zigarettenrauch in den Flur. Der kleine Tisch am Fenster ist sorgfältig gedeckt, jeder Insasse bekommt einen Satz Geschirr, wenn er in die Justizanstalt (JA) Simmering einzieht. Es ist fast zwölf, Zeit fürs Mittagessen.

Schlüssel rein, Tür auf. Mindestens zwei Beamte begleiten die Hausarbeiter, wenn sie Essen austeilen.
Foto: Robert Newald

Was dieses Mittagessen ist und wie viel davon serviert wird, entscheidet der Gesetzgeber. Ausreichend muss es sein und wohlschmeckend. Außerdem muss Anstaltskost ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, auf das Glaubensbekenntnis des Häftlings ist Rücksicht zu nehmen. So sagt es die Strafvollzugsordnung. Manch ehemaliger Häftling sagt etwas anderes, so auch Interessenvertreter und die Volksanwaltschaft.

Aus der einen Zelle hallt ein erfreutes "Mahlzeit, Mahlzeit", wenn die Tür aufgeht, in der nächsten steht ein zwei Meter großer Mann mit verschränkten Armen und Blick zur Tür vor seinem Bett. Jeder kommt aus der Tür, Teller oder Schüsserl in der Hand. "Salat?", fragt einer der drei Häftlinge, die als Hausarbeiter das Mittagessen von Zelle zu Zelle tragen. Und kippt jenen, die nicken, einen Schöpfer voll Gurke, Tomate und Zwiebel aus der großen Aluwanne in sein Geschirr.

Saisonsalat in Simmering.
Foto: Robert Newald

"Willst a Supperl auch?", fragt der Hausarbeiter am Wagerl nebenan, vor ihm sind Wannen voller Kartoffelsuppe, Putengeschnetzeltem in Soße und Reis. Nicht gut und nicht schlecht sehen die Variationen von Grau aus, der Geruch erinnert an ein Landgasthaus.

Eckerlkäse und eine Tomate

Nachdem in Deutschland ein Häftling unerlaubterweise Fotos von seinen Mahlzeiten auf Twitter veröffentlicht hatte, entbrannten dort zwei Debatten: eine über Handys in Haft, eine über Essen in Haft. Im Falle von Letzterem unterscheidet sich Österreich vom Nachbarn Deutschland: Hierzulande kochen Häftlinge für die Anstalt. Das Essen im Gefängnis Heidering, jener Anstallt, aus der Fotos nach außen drangen, wurde von externen Lieferanten gestellt.

In Simmering überprüfe ein Arzt den Speiseplan, sagt Klaudia Osztovics, Sprecherin der JA Simmering. Sie selbst verkostet mehrmals im Monat das Essen, das von 22 Häftlingen unter der Aufsicht von zwei Beamten jeden Tag zubereitet wird. Beamte der JA Simmering können gegen Entgelt auch die Mahlzeiten der Insassen einnehmen. "Mir muss nicht alles schmecken, aber es muss geschmacklich in Ordnung sein", sagt Osztovics. Ihr Mittagessen holt sie sich in der Beamtenkantine.

Kartoffeln, Kartoffeln und Kartoffeln

M.* kann mittlerweile selbst entscheiden, was gegessen wird. M. ist in einem betreuten Wohnheim und muss nur noch einmal die Woche in einer Zelle übernachten. Im Gemeinschaftsraum des Wohnheims – ein kahler Raum, weiße Möbel, Brettspiele, Fernseher – erzählt M. über 18 Jahre in Haft. In der kleinen angeschlossenen Küche kochen Kollegen: Lachs mit nativem Olivenöl und Gemüsereis.

In den 18 Jahren hat M. diverse Gefängnisse gesehen. In Korneuburg habe es vier-, fünfmal die Woche Kartoffeln gegeben. "Entweder sie waren roh oder totgekocht", sagt M. In Mittersteig war M. selbst in der Küche, das Fleisch soll "dritte Wahl" gewesen sein. Und in Stein? "Da hätte man die Pute noch eine Dreiviertelstunde ins Rohr legen müssen, damit die gut ist." Aber immerhin hätte man mit dem Hausarbeiter "a G'schäftl" machen können, dann bekam man eine Kelle extra. Was man brauchte, denn drei-, viermal die Woche hätte es Eckerlkäse mit Paprika zum Abendessen gegeben, dazu ein bisschen Brot.

Scholle, gebratene Ente und Zimt

Andere Ex-Häftlinge, etwa F., der in Mittersteig von 2012 bis 2016 selbst in der Küche stand, erzählen von Luxus, von Speisen, die sie sich "draußen" nicht hätten leisten können. An Feiertagen gab es manchmal gebratene Ente, erzählt F., zu Weihnachten mal Scholle. F. hat mit Liebe gekocht, mit Gewürzen gespielt: "Sogar Zimt hatten wir da", sagt er.

"Wie man Essen in der eigenen Justizanstalt erlebt, ist immer subjektiv", sagt Markus Drechsler von der Selbst- und Interessenvertretung Maßnahmenvollzug (SIM). "Ein viel gröberes Problem ist da schon eher, dass in der JA Josefstadt permanent Kakerlaken ihr Unwesen treiben." Tatsächlich häuften sich letztes Jahr Berichte über Schädlinge in der Josefstadt, zwischenzeitlich musste das Militärkommando das Essen liefern.

Fertigsuppe und Reisfleisch

Der Speiseplan in der JA Simmering könnte genauso gut in einem Krankenhaus am Brett angeschlagen sein. Zum Frühstück gibt es Tee, Brot – mal schwarz, mal weiß – und Margarine. Donnerstags Marmelade dazu, samstags Milch statt Tee und sonntags Kakao. Das Mittagessen fällt mit Bohnensuppe, Fischstäbchen, Mayonnaisesalat und Schokolade am Freitag recht üppig aus, Fertigsuppe, Reisfleisch und Salat am Samstag klingen da weitaus bodenständiger. Das Abendessen ist meist kalt, mal gibt es Wurstgröstl, mal Gemüsesalat, mal Heringsfilet.

Wem das Essen nicht ausreicht, der kann beim hauseigenen Greißler einkaufen. Zweimal die Woche können sich die Simmeringer Insassen dorthin vorführen lassen, wo sich Ketchup und Schokoriegel neben Duschgels und Zahnbürsten stapeln und hinter dicken Glasscheiben Mitarbeiter einer privaten Firma stehen. In den Regalen liegen Eigenmarken genauso wie Herstellermarken, die Preise schwanken dementsprechend. Eine Zahnbürste kostet 2,50 Euro, Zahnstocher auch.

Kein Schweinefleisch

Wer Halal-Essen will, muss sich das hier kaufen. In Simmering gibt es keinen eigenen Halal-Speiseplan, auch wenn man, wie Osztovics betont, immer eine schweinefleischfreie Variante parat habe. Extrageld gebe es nicht für jene, die beim Greißler einkaufen müssen, weil der Speiseplan nicht zum Glauben passt – obwohl es im Strafvollzuggesetz heißt, es sei "auf die dem Glaubensbekenntnis der Strafgefangenen entsprechenden Speisegebote Rücksicht zu nehmen" und gegebenenfalls Kost von Dritten zur Verfügung gestellt werden muss.

Wer mit dem Speisenangebot nicht zufrieden ist, kann im hauseigenen Kiosk einkaufen.
Foto: Robert Newald

"Kein Schwein heißt nicht, dass Essen halal-zertifiziert ist", sagt Džemal Šibljaković, er ist Imam und Seelsorger in Wiener Gefängnissen. In der Realität seien die etwa 2.000 muslimischen Gefängnisinsassen oft gezwungen, vegetarisch zu essen. T., der in Mittersteig kochte, formuliert das so: "Wenn wir gewusst haben, ein Moslem darf nichts von dem essen, was wir heute machen, dann ist ein Fertigprodukt in die Fritteuse geworfen worden."

Koscher und aufgewärmt

In einem Umfeld, in dem man sich von Mahlzeit zu Mahlzeit hantelt, scheint es umso wichtiger zu sein, dass diese erstens schmecken, zweitens zur eigenen Einstellung und zum Glauben passen – und drittens genug sind.

Vom Justizministerium heißt es dazu, man decke Bedürfnisse der Häftlinge umfassend ab, beziehe Ernährungswissenschafter und ausgebildetes Personal mit ein. Außerdem verweist man auf das Recht, sich Kost von dritter Seite zur Verfügung stellen zu lassen, wenn rituelle Verköstigung mit den Mitteln, die der JA zur Verfügung stehen, nicht möglich ist. Koscheres Essen werde etwa durch einen zertifizierten Caterer geliefert und in den JA aufgewärmt, "die Kosten für die Speisen und den Transport trägt der Strafvollzug", schreibt eine Sprecherin.

Vitaminreiches Obst

Dass es in Österreichs Gefängnissen dennoch manchmal zu Mängeln kommt, stellte die Volksanwaltschaft etwa 2013 fest, als sie empfahl, auf das Glaubensbekenntnis der Inhaftierten Rücksicht zu nehmen. Oder 2018, als sie in einer Empfehlung schrieb, Häftlinge müssten regelmäßig und ausreichend vitaminreiche Kost, etwa frisches Obst, erhalten.

"Für all diese Empfehlungen gab es Anlässe", sagt Peter Kastner von der Volksanwaltschaft. So sei "Moslemkost" keine adäquate Bezeichnung, "rituelle Kost" sei etwas anderes als schweinefleischfrei. Mehrere Mahlzeiten sollen nicht auf einmal ausgegeben werden, um dann am Fensterbrett gelagert zu werden. "Wenn Sie in eine JA gehen und das Essen ist gut, dann schlägt sich das auf die Zufriedenheit der Insassen nieder", sagt Kastner.

Bei Kontrollen stieß die Volksanwaltschaft zuletzt im April 2018 auf Mängel. Da kritisierte sie bei einem Folgebesuch im Anhaltezentrum Vordernberg "Qualität und Quantität der Verpflegung".

Hinter jeder Tür warten Insassen auf ihr Essen. Von manchen kommen freundliche Grüße, von anderen grimmige Blicke.
Foto: Robert Newald

An der Menge soll es in Simmering nicht scheitern: Man koche stets zu viel und schmeiße lieber Essen weg, bevor man zu wenig hat, erklärt die Sprecherin. Die großen Aluwagerln sind mittlerweile mit Sauce und Essig besprenkelt, fast alle Zellentüren wurden einmal auf und wieder zugesperrt. Will jemand einen Schöpfer extra oben drauf, sagt der Hausarbeiter: "Wir kommen noch mal, wenn am Ende was übrig ist." (Gabriele Scherndl, 15.10.2019)