Zwischen 1994 und 2004 gab es unter Serienschauerinnen und -schauern nur zwei Kategorien: solche, die Friends verehrten. Und solche, die es verabscheuten.

Ich gehörte zur zweiten Sorte.

Sechs Mittzwanziger, die sich aufführten wie 16-Jährige? Das passte nicht. Das war langweilig. Ich mochte andere lieber, Golden Girls zum Beispiel. Es gab Folgen, die sah ich bestimmt fünfmal. Der ORF wiederholte sie gern und oft. Zum Beispiel jene, als ein berühmter Schauspieler die Laientheatergruppe der Stadt besuchte und Dorothy, Rose und Blanche der Reihe nach um den Finger wickelte. Bis die Girls ihm auf die Schliche kamen, und dann konnte er etwas erleben, der Herr Kleinstadt-Casanova. Lustig! Thank You For Being a Friend war mir näher als I'll Be There For You.

Nicht putzig genug

Ich mochte sie nicht. Sie waren alle nicht genug, Ross nicht putzig genug, Chandler nicht schnöselig genug, Monica nicht ausreichend zickig, Joey zu wenig spitzbübisch, Rachel war mir egal. Am ehesten fand ich Phoebe komisch, weil sie schusselig war und ich schon damals ein Faible für komische Frauen in Serien hatte. Im Fernsehen durften Frauen viel länger nicht allzu witzig sein. Sowohl Helden als auch Clowns waren vor allem in Sitcoms mehrheitlich männlich besetzt. Roseanne brach diese Schleuse und legte die Rutsche für Golden Girls, Die Nanny, Cybill oder Ellen. Alle waren mir in der x-ten Wiederholung lieber als jede neue Folge von Friends.

Matthew Perry (li.), Jennifer Aniston, David Schwimmer, Courteney Cox, Matt Le Blanc und Lisa Kudrow waren ab 1994 die New Yorker "Friends" und wurden von Millionen Zuschauern als echte Serienhelden verehrt. Damals wie heute.

Unter meinen Freunden war ich damit in der Minderheit. Vor 25 Jahren ging die erste von 240 Folgen auf Sendung, und es wa Pflichtprogramm – zumindest in meiner Wahrnehmung. Tatsächlich war Friends im ORF ursprünglich kein großer Hit. Der ORF strahlte die Serie zwischen 1996 und 2005 aus, mit Wiederholungen bis 2011. Eine echte Fangemeinde bildete sich nie, anders als in den USA, wo einzelne Folgen von bis zu 30 Millionen sehen wurden. Die erste Staffel kam werktags durchschnittlich auf 153.000 Zuschauer, zehn Jahre später hielt man – inzwischen auf den schlechteren Samstagnachmittagsendeplatz gerückt – bei 115.000 Zuschauern. Eine Wiederholung von How I Met Your Mother kommt heute auf knapp 100.000.

Neuer Hype um Rachel und Co

Für meine störrische Verweigerung werde ich inzwischen wieder verachtet. Es ist gerade sehr cool, Friends zu schauen. Netflix hat alle zehn Staffeln. Nach The Office ist die Serie nach eigenen Angaben die am zweithäufigsten abgerufene im Angebot des Streaming-Giganten. Für vier Jahre Friends im Angebot zahlte Netflix 425 Millionen Dollar – bis 2019. 2020 geht die Serie zurück zu Warner/HBO. Eine Mehrheit der Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 16 in Großbritannien nennt laut Umfrage Friends als ihr Lieblingsprogramm. Private Umfragen in dieser Zielgruppe bestätigen das. Neben Grey's Anatomy gehört Friends zum Fixprogramm von Menschen, die weitaus jünger sind als die Serien selbst.

Retroschick, aber nicht nur

Woran liegt das? Retroschick, aber nicht nur. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Fernsehen in seiner ursprünglichen Form rar geworden sind. Serien kommen daher wie Spielfilme – mehr noch: Sie wollen besser sein. Mehr Folgen, mehr Darsteller, mehr Handlungsstränge. Da kommt Sehnsucht auf Fernsehen auf, nach der Sitcom, in der knapp 25 Minuten, eine Couch, sechs Freunde und Lachen aus der Konserve als Familie genügen.

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Damals band man sich länger an seine Seriengöttinnen und -götter. Weil sie nicht jederzeit verfügbar waren. Weil man bis zum nächsten Tag oder gar bis zur nächsten Woche warten und dann genau um eine bestimmte Uhrzeit zu Hause sein musste, um sie zu treffen. Das waren Freunde, in die man sich hineindenken konnte, die Identitätsräume schafften und nicht nur Likes generierten. Man verabredete sich mit ihnen auf der Couch – oder programmierte den Videorekorder.

Dann kam Trump

Obwohl ich die Serie nicht mochte, war ich traurig, als es 2004 aus war. Mit Friends starb die Sitcom, und es wehte ein neuer Wind. Den Sendeplatz bei NBC übernahm The Apprentice, Donald Trumps neoliberales Berufscasting. Im Mainstream-Fernsehen fand ein übler Paradigmenwechsel statt. ABC feierte Erfolge mit The Swan, wo sich ausgesucht hässliche Menschen vor der Kamera umfangreichen Schönheitsoperationen unterzogen. Der US-Sender Fox schickte in The Simple Life die verwöhnten Promigören Paris Hilton und Nicole Richie aufs Land. Es war billige Unterhaltung, in jedem Wortsinn. Denn Rachel, Ross und Co cashten zum Schluss pro Folge je eine Million Dollar Gage ab. Langfristig wollte sich das kein Sender leisten. Warum einem professionellen Ensemble pro Woche sechs Millionen Dollar zahlen, wenn man sich willige Laiendarsteller wie Viehherden halten kann, die in bloßer Hoffnung auf ein sattes Preisgeld jede Schamgrenze bereitwillig aufgeben?

Lustigste Folge: Staffel drei, Folge zwei

Also ja, es ist gut, dass es sie gab und wieder gibt. Und man kann sich irren, also hab ich es noch einmal versucht, "Friends", "lustigste Folge" gegoogelt. Google sagt: Staffel drei, Folge zwei, The One Where No One's Ready, zu Deutsch: Eile mit Weile. Ross muss zu einer Einladung, bei der er eine Rede hält, aber man lässt ihn nicht. Joey trinkt Fett und nimmt Chandler den Platz auf der Couch weg. Monica beleidigt Ross, Joey patzt Hummus auf Phoebes Kleid, Rachel braucht sowieso immer ewig, Lacher aus der Konserve. Ja, das ist schon witzig. Aber eben auch harmlos und letztlich nervtötend langweilig. Sorry, Friends, es wird nichts mehr mit uns. Trotzdem danke, dass ihr da wart. (Doris Priesching, 22.9.2019)