Die Schwimmblase des Totoaba ist heißbegehrt: Aktivisten aus der Dokumentation "Sea of Shadows" kämpfen gegen die Wilderer.

Foto: Terra Mater Factual Studios

Manche Aufnahmen in Sea of Shadows wirken wie aus einem Reisekatalog. Als gelte es, eine unberührte Natur, das paradiesische Meer im Golf von Kalifornien anzupreisen, welches Jacques Cousteau einmal als das "Aquarium der Welt" bezeichnet hat. Da sieht man dann beispielsweise Delfinen zu, die im Rudel glücklich wie Flipper über den azurblauen Ozean jagen.

Doch die Realität straft solche Bilder Lügen. Unter Wasser lauern die Fangnetze illegaler Fischer, die für viele Meereskreaturen den Tod bedeuten. Als die Besatzung der Sea Shepherd – eines Schiffs von Umweltschützern, die sich der Rettung des Vaquita-Wals verpflichtet haben – eines davon herauszieht, sieht das ungefähr so aus, als würde man den Dreck aus einem verstopften Abflussrohr ziehen. Mit dem Unterschied, dass man darin eine verendete Wasserschildkröte findet – oder einen Totoaba.

Dogwoof

Um die Jagd nach dem Fisch Totoaba geht es bei der Schattenökonomie, die der Österreicher Richard Ladkani in seinem beim Sundance-Festival mit dem Publikumspreis prämierten Dokumentarfilm nachgeht. In China gilt die Schwimmblase des Fisches nicht nur als Delikatesse, man spricht ihr auch besondere Heilkräfte zu, etwa Hilfe bei Schwangerschaftsproblemen. Schwarzhändler zahlen für die raren Teile bis zu sechsstellige Summen: Die Nachfrage hat zu einer von außen vollkommen unregulierten Ersatzökonomie geführt, die ähnlich wie der Drogenhandel funktioniert. Kein Wunder, dass die Profiteure auch in diesem Fall mexikanische Kartelle sind.

In Sea of Shadows sind die Fronten schnell etabliert. Ladkani geht es anders als Hubert Saupers verwandtem Erfolgsfilm Darwin’s Nightmare nicht so sehr darum, mit strukturellen Hintergründen Suspense zu erzeugen. Der mafiöse Drahtzieher in San Felipe wird früh benannt. Die Sache geht dennoch nur stockend voran. Der Grund: Selbst staatliche Stellen sind in den Handel involviert oder halten zumindest ihre schützende Hand darüber. Da hilft auch die mediale Verstärkung durch den Star-TV-Moderator Carlos Loret de Mola – einen der Protagonisten des Films – nur wenig.

Bewusstsein schaffen

Sea of Shadows ist als Dokumentarfilm vor allem um breite Bewusstseinspolitik bemüht. Produziert von der österreichischen Terra Mater, prominent mitgefördert durch Leonardo DiCaprio, führt die Produktion mehrere Strategien zusammen, die der Rettung der vom Aussterben bedrohten Vaquitas (und der gesamten Biodiversität der Region) gelten. Neben den couragierten Umweltaktivisten der Sea Shepherd widmet sich der Film dabei auch dem Versuch, den kleinsten (und wohl auch scheuesten) Wal der Erde in einem Gehege zu isolieren.

Das Projekt zeigt emblematisch die Grenzen menschlicher Interventionsmöglichkeiten in die Natur auf und liefert damit zugleich eine der emotionalsten Szenen des Films. Zahlreiche andere führen zum Teil mit geblurrten Gesichtern im Krimi-Reportage-Stil mitten in die Ermittlungen hinein. Dabei setzt Ladkani Bildern wie jenen von protestierenden Fischern bisweilen allzu erbittert mit musikalischer Untermalung zu. Botschaft zählt in diesen Fällen mehr als Beobachtung. (Dominik Kamalzadeh, 21. 9. 2019)