Auf Instagram hat jede/r Politiker/in eine eigene "Handschrift": SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner postet immer wieder auch recht idyllische, "schöne" Sujets, die sich aber mit einem inhaltlichen Zusatz "politisch" macht. Hier nutzte sie einen Bauernhofbesuch, um das Thema Tiertransporte anzusprechen.

Foto: Instagram-Account Rendi-Wagner

Ein Foto aus dem Instagram-Feed von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, das die Visual Studies zum Bildtypus "Celebritys" rechnen – hier mit dem Skifahrer Marcel Hirscher. Er ist natürlich nicht der einzige, der sich mit Stars und Berühmtheiten aus anderen Bereichen fotografieren lässt und das dann auch zeigt.

Foto: Instagram-Account Sebastian Kurz

Politik produziert nicht nur massenhaft Papiere, Verträge, Dokumente und Gesetze. Politik ist auch eine riesige Bilderproduktionsmaschine, die permanent auf Hochtouren läuft und neue Fotos ausspuckt. Mehr denn je. Zumal durch die neuen sozialen Medien.

Ein Kanal ist dabei besonders wichtig und wächst rasant: Instagram, das Fotoalbum, in dem sich Politikerinnen und Politiker ihr virtuelles Ebenbild selbst schaffen können. Die Nutzerzahlen wachsen rapide: Im Februar 2016, vor der Bundespräsidentschaftswahl, nutzten erst rund 340.000 Österreicherinnen und Österreicher die zu Facebook gehörende Fotoplattform. Im September 2016 (vor der Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer) waren es bereits 860.000, Anfang 2017 war die Million erreicht, bis 2018 verdoppelt, und jetzt gibt es 2,3 Millionen österreichische "Igers" (Instagram-Users). Weltweit sind es über eine Milliarde aktiver Nutzerinnen und Nutzer.

Ein attraktives Spielfeld

Das ist nicht nur für Lifestyle-Influencer ein attraktives Spielfeld, sondern auch für Politikerinnen und Politiker. Instagram ist für sie vor allem dann "extrem wichtig, wenn sie junge Wählerinnen und Wähler sowie Frauen erreichen wollen", erklärt Digitalexpertin Ingrid Brodnig. So sind 30 Prozent der weiblichen und 25 Prozent der männlichen Internetuser auch auf Instagram, also prinzipiell dort auch ansprechbar.

DER STANDARD hat die Onlinebilderbücher von Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner, Norbert Hofer, Beate Meinl-Reisinger und Werner Kogler, die auf "Insta" am aktivsten sind, mit Digitalexpertin Brodnig und der auf Visual Studies spezialisierten Politikwissenschafterin Karin Liebhart von der Universität Wien durchgeblättert und analysiert, in welcher Form sie diese Dimension der "Sprache des Wahlkampfs" jeweils nutzen.

Grundsätzlich ist zu sagen: Neu ist Politik durch Bilder nicht. Schon im antiken Rom wurde mit der Macht der Bilder, der Inszenierung von Macht, regiert. Ludwig XIV. stellte seine Herrscherrolle auch im Prunk von Schloss Versailles zur Schau. Seht her, alles meins, das bin ich! Demokratische wie antidemokratische Politiker brauchten oder missbrauchten die Bildermacht. In Österreich waren etwa Bruno Kreisky (SPÖ) und Jörg Haider (FPÖ) Beispiele für Politiker, die versiert Bildsprache einsetzten, erklärt Politologin Liebhart: "Politik kommt nicht ohne visuelle Dimension aus, sie hat immer zwei Komponenten: die inhaltliche Ebene und die Ebene der Darstellung."

Politik braucht Bilder

Politik braucht Bilder nämlich auch, um sichtbar zu machen, was für Wählerinnen und Wähler im Regelfall großteils unsichtbar ist, weil es auf der politischen Hinterbühne passiert. Der Vorteil von Instagram, Facebook und Co für Politiker liege nun darin, erklärt Liebhart, "dass sie direkten Zugang zu den Wählerinnen und Wählern versprechen und die Gatekeeperfunktion der klassischen Medien umschifft werden kann". Und das alles mit relativ wenig Aufwand für viel Aufmerksamkeit – bei noch vergleichsweise günstigeren Werbepreisen, ergänzt Brodnig.

Bilder haben eine zentrale strategische Funktion im Aufbau von Images, sagt Liebhart. Politiker und Politikerinnen sollten daher eine recht konkrete Idee davon haben, wie sie erscheinen und was sie von sich erzählen möchten – und ihre Social-Media-Teams sollten den Account dann mit konsistenten Fotos "füttern", die zur Story passen. Dann stehen die Chancen gut, dass die Follower die Botschaften als "authentisch" empfinden, obwohl natürlich, so Liebhart, "nahezu alles, was auf Instagram gezeigt wird, inszeniert ist. Es ist immer nur ein Ausschnitt der Realität, aus einer bestimmten Perspektive, die auch durch Textelemente mit bestimmt wird."

Die "Illustrierte unter den sozialen Medien"

Instagram bietet dabei vielfältige Möglichkeiten, Fotos, Videos, Memes, "Stories", die sich nach 24 Stunden in Luft auflösen. Brodnig nennt die Foto- und Video-Sharing-App die "Illustrierte unter den sozialen Medien", die vor allem "Politiker als Menschen" zeigen will. "Tweeting the mind and instagramming the heart", zitiert Liebhart die Informatikerinnen und Social-Media-Forscherinnen Lydia Manikonda, Venkata Vamsikrishna Meduri und Subbarao Kambhampati. Instagram hat einen Fokus auf Persönliches und (Semi-)Privates und eine starke Lifestylekomponente.

Was also sagen die Expertinnen zu den politischen Fotoalben?

Die fünf analysierten Spitzenkandidaten nutzen Instagram recht unterschiedlich, was sich unter anderem an den verschiedenen Bildtypen, die sich auf Politikeraccounts in aller Welt so finden lassen, ablesen lässt. Liebhart nennt als exemplarische Kategorien: Campaigning, Kontakt mit Unterstützern (Menschen von jung bis alt), bei der Arbeit, Celebritys, die politische Rede oder das Bad in der Menge und natürlich Freizeit.

·@sebastiankurz 115.000 Abonnenten, erstes Foto: 21. 11. 2013.

Kurz hat "extrem gute Zahlen" und seit dem Wahlkampf 2017 "eine starke Bildsprache aufgebaut", sagt Brodnig. Sein Fotofeed kommt auf "sehr viele Interaktionen", also Likes und Kommentare – sie sind die harte Währung auf Instagram, bloßes Anschauen ist zu wenig, wenn man damit "arbeiten" will. Wenn ein Post viele Likes bekommt, wird er mehr anderen Leuten in ihrem Insta-Feed eingeblendet. Der Exkanzler nutzt Instagram laut Brodnig "ein bisschen anders als die anderen: Er ist im Zentrum. Immer." Auch dann, wenn er "Stars" neben sich hat, ob Arnold Schwarzenegger oder Marcel Hirscher – jenes Foto, das laut Brodnig im vergangenen Monat auf Kurz' Account "am besten gegangen ist".

Und Kurz wird als Kanzler inszeniert. Noch immer. Das gibt dann Fotos, wo er im Kanzleranzug im Wald Borkenkäferschäden begutachtet.

Andere bauen sehr viel Privates ein oder Humor. Nicht so Kurz: "Er ist immer bierernst und wird ausschließlich als Kanzler, als politische Hoffnung inszeniert."

·@rendi_wagner 23.700 Abonnenten, erstes Foto: 28. 9. 2018.

Die SPÖ-Chefin macht es aus Sicht der Digitalexpertin "auch sehr clever". Pamela Rendi-Wagner zeigt mehr Szenen aus dem Privatbereich, und das funktioniert: "Privates von Politikern geht in sozialen Medien wirklich gut." Die SPÖ-Chefin postet "ihre Ehe, Kinder, Tiere, ordnet sie aber inhaltlich etwas Politischem zu". Wenn Rendi-Wagner sich mit einem Kälbchen fotografieren lässt, dann verweist der Text zum Foto auf einen Besuch auf einem Bergbauernhof, aber auch das Problem der Tiertransporte.

Ein Foto vom 20. Hochzeitstag mit ihrem Mann und das erste gemeinsame Foto werden zum persönlichen Symbol für den sozialdemokratischen Hashtag #gemeinsam. Throwback-Fotos, also der Blick in die Vergangenheit, haben aber auch die Funktion, "so etwas wie Authentizität oder Kontinuität herzustellen", sagt Liebhart.

In Rendi-Wagners Insta-Account fließt im Moment übrigens im Vergleich zur Konkurrenz das meiste Werbegeld, was die Sichtbarkeit der Beiträge und die Chance auf Likes erhöht.

·@norbert_hofer 49.900 Abonnenten, erstes Foto: 8. 4. 2015.

Norbert Hofers Insta-Politik sei "interessant", sagt Brodnig, weil die FPÖ einiges anders, zum Teil auch (noch) nicht so professionell wie die anderen macht, mit Blick auf ihr Zielpublikum dennoch recht gelungen. Aufholbedarf gibt es etwa bei der Bildqualität: "Da ist optisch manches nicht so beeindruckend." Sinn und Zweck von Instagram ist aber: schauen, interagieren, wieder schauen, weitertragen. Laut Brodnig setzt die FPÖ nicht nur auf dem Bilderkanal, sondern generell in den sozialen Medien "vor allem auf Inhalte. In Posts, die wirklich gut gehen, geht es um Themen wie Islam oder Migration. Es gibt eine Community, die auch auf Instagram Inhalte annimmt."

Die Visual Studies verorten diese wichtige Bildkategorie unter "Positioning", erklärt Liebhart: "Bild plus Text. Ich sage meinen politischen Standpunkt." Hofer sagt auf einem etwa, der Islam könne nicht Teil unserer Geschichte werden. Dafür gab es viele Likes. Mindestens so viele wie bei privaten Sujets, die der FPÖ-Chef, anders als Kurz oder auch Werner Kogler, nicht scheut.

Sei es ein "Schnappschuss" (der natürlich keiner ist) mit seiner Frau oder ein Foto, er sonnengebräunt am Steuer eines Segelboots in Kroatien. Von Putin kennt man das, Salvini hat im Sommer stark aufgeholt, auch Haider war einmal oben ohne. Hofers Segelfoto bekam fast so viele Likes wie der Islampost.

·@beate_meinl_reisinger 14.700 Abonnenten seit 31. 10. 2012.

Neos und Beate Meinl-Reisinger nutzen aus Expertinnensicht Instagram "exzellent". Deren "freche, bunte Art, Wahlkampf zu führen, passt gut zu Instagram", sagt Brodnig. Meinl-Reisinger ist – neben Kogler – eine, die auch mit Ironie und Humor arbeitet. "Ein nicht so einfaches Instrument, das auch zur Person passen muss", meint Liebhart.

Ihr fällt an Meinl-Reisingers Fotostrecke auf, "dass sie den Trend aufgenommen hat, nicht perfekte Sachen zu zeigen". Man sieht die Neos-Chefin beim Haarefärben oder auf einem Stockerl beim Fotografiertwerden. Familie gibt sie nur als Hinterkopfansicht preis, auch ihre sechs Monate alte Tochter – das Foto kam natürlich extrem gut an.

·@werner_kogler 8100 Abonnenten, erstes Foto: 14. 6. 2019.

Grünen-Chef Werner Kogler, der "Jüngste" auf Instagram, nämlich erst seit dreieinhalb Monaten, hat sich "in kurzer Zeit Sichtbarkeit in der grünen Nische aufgebaut" und agiert auf dem Fotomedium auch "sehr inhaltsbezogen", was aber zu den Erwartungen der grünen Community passe, sagt Brodnig, denn "Umweltschutz geht als Thema bei ihm am besten", wird also "belohnt" mit Likes und Comments.

Etwas erratische #-Beschlagwortungen à la #Steine sind allerdings noch nicht ganz State of the Insta-Art. Dafür klappt's mit Ironie auf Koglers Account schon recht gut.

Und die Moral von der Bilderbuchgeschicht? Bilder mögen zwar unterhaltsam sein, nur echte Politik ersetzen sie nicht. (Lisa Nimmervoll, 21.9.2019)