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Joe Biden wirft Donald Trump Machtmissbrauch vor.

Foto: AP Photo/Nati Harnik

Washington – Ist es ein handfester Skandal? Oder, wie Donald Trump behauptet, viel Lärm um nichts? Im Raum steht der Verdacht, dass der amerikanische Präsident die Regierung der Ukraine zu Ermittlungen drängte, um Joe Biden, womöglich im nächsten Jahr sein Kontrahent bei der Präsidentenwahl, in die Bredouille zu bringen. Zudem geht es um die Frage, ob Trump zugesagte Militärhilfe für die Ukraine blockierte, bis er dort seinen Willen durchsetzen konnte.

Der US-Präsident bestätigte mittlerweile, dass Biden und dessen Sohn Thema des umstrittenen Telefonats mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj waren. Auch sei es um eine mögliche Verwicklung der beiden in Korruption in der Ukraine gegangen. Er sprach sich für eine Veröffentlichung des Telefonats aus, er habe schließlich nichts Falsches getan, erklärte Trump am Sonntag. Joe Biden hatte zuvor darauf bestanden, den Wortlaut des Telefonats öffentlich zu machen. Er forderte außerdem eine parlamentarische Untersuchung.

Whistleblower wandte sich ans Parlament

Begonnen hat es im August, als der Mitarbeiter eines US-Geheimdiensts Alarm schlug. Der Beamte, unbestätigten Berichten zufolge bei der NSA beschäftigt, wandte sich an den Generalinspekteur der Geheimdienste. Der wiederum stufte den Fall als so dringlich ein, dass er den "Director of National Intelligence" verständigte, den für die Schlapphüte zuständigen Koordinator. Der wiederum hätte eigentlich das Parlament unterrichten müssen, was er freilich unterließ, womit er den Verdacht der Vertuschung nährte. Am 25. Juli also sprach Trump am Telefon mit Wolodymyr Selenskyj, dem Präsidenten der Ukraine, und was beide beredeten, soll den Whistleblower derart irritiert haben, dass er sich an die interne Kontrollinstanz wandte. Wie das "Wall Street Journal" inzwischen berichtete, soll Trump im Laufe der Unterredung nicht weniger als acht Mal darauf gedrängt haben, die Geschäfte von Bidens jüngstem Sohn noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Der Hintergrund: Hunter Biden saß fünf Jahre lang im Aufsichtsrat von Burisma, eines Konzerns, der ukrainische Erdgasvorkommen erschließt. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, räumte er seinen Posten, als sein Vater im April seine Kandidatur fürs Weiße Haus bekanntgab. Trumps Anwalt Rudy Giuliani drängte seinerseits bereits seit längerem in Kiew darauf, wegen Korruptionsverdachts gegen den Biden-Spross zu ermitteln. Der US-Präsident, vermuten zumindest dessen Widersacher, wollte der Sache an jenem Julitag Nachdruck verleihen.

Umstrittener Generalstaatsanwalt

Tags zuvor war Robert Mueller, der Sonderermittler, der eventuellen Geheimabsprachen des Trump'schen Wahlkampfteams mit Russland auf den Grund gehen sollte, im Kongress aufgetreten. Mit der Anhörung, die nichts Neues zutage förderte, zumal Mueller ausgesprochen einsilbig Auskunft gab, war das leidige Russland-Kapitel in Trumps Augen endgültig abgehakt. Er suchte die Offensive, nun offenbar fest entschlossen, Belastendes für die zu erwartende Schlammschlacht mit Biden zu finden. In der Ukraine sah er Angriffspunkte. Dort war im Frühjahr 2016 der damalige Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin gefeuert worden.

Während Giuliani behauptet, der Mann habe sein Amt verloren, weil er sich weigerte, sich dem damaligen Vizepräsidenten Biden zu fügen und Nachforschungen gegen das Gasunternehmen Burisma einzustellen, nannte die Zeitschrift "New Yorker" in einem gründlich recherchierten Dossier, veröffentlicht im Juli, andere Gründe. Demnach drängten der Internationale Währungsfonds, die EU und die US-Regierung in konzertierter Aktion auf Schokins Entlassung, weil er nicht energisch genug gegen die Korruption ankämpfte. Es ist eine Darstellung, die Trump nicht gelten lassen will. Das wahre Problem, twitterte er am Wochenende, sei die Forderung Bidens, den ukrainischen Chefankläger zu feuern, um seinen Sohn Hunter zu schützen.

Für die Opposition ist es ein Manöver, mit dem Trump nur von sich selber abzulenken versucht. Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, sieht unter Umständen sogar die Voraussetzungen für ein Amtsenthebungsverfahren erfüllt. Mit dem Telefonat mit Selenskyj könnte Trump "den Rubikon überschritten" haben, sagte er am Sonntag in einem CNN-Interview.

Was die Demokraten vor allem verlangen, sind Antworten auf die Frage, ob Trump ein Paket über 250 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückhielt, bis Selenskyj ihm versprach, seinen Wunsch zu erfüllen. Belege dafür gibt es einstweilen nicht. Unklar ist vorläufig auch, ob Trump das Thema Militärhilfe damals überhaupt angeschnitten hat. (Frank Herrmann aus Washington, 23.9.2019)