Warum braucht das Bundesheer 16,2 Milliarden Euro? Im Gastkommentar erläutert Generalleutnant Johann Luif, dass damit keineswegs neue Forderungen aufgestellt werden, sondern lediglich nachgeholt wird, was in den letzten Jahren verabsäumt wurde.

Für den "Panzerkampf im Weinviertel" ist das Bundesheer schon lange nicht mehr gerüstet. Man will sich auf neue Bedrohungen einstellen. Auch das kostet Geld.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Das Staunen war groß, als der Minister an die Öffentlichkeit ging: Das Bundesheer ist in manchen Bereichen bereits jetzt, aber spätestens 2030 nicht mehr einsatzbereit. Die Menschen in Österreich können sich nur dann weiterhin sicher fühlen, wenn das Heer bekommt, was es benötigt. Und das sind in den kommenden zehn Jahren 16 Milliarden Euro für seine Ausrüstung. Das haben die Experten seines Ministeriums berechnet. Ich bin einer dieser Experten, und die Summe scheint mir angemessen. Denn wer genau hinsieht, erkennt: Es handelt sich um keine zusätzlichen Forderungen, wir wollen lediglich nachholen, was in den letzten 15 Jahren verabsäumt wurde. Nicht für das Bundesheer, sondern für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Dazu müssen wir erhalten, was wir weiterhin brauchen, uns auf neue Gefahren vorbereiten, und wir brauchen Equipment für 55.000 Soldaten.

Tatsächlich hat Thomas Starlinger nichts anderes als unsere Bevölkerung vor Augen, wenn er fordert, jenen Anteil des Budgets, den wir für Verteidigung ausgeben, auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Die EU-Staaten geben im Schnitt 1,4 Prozent aus, die Nato empfiehlt ihren Mitgliedern eine Erhöhung auf zwei Prozent; wir fordern die Hälfte. Diese aber mit gutem Grund: Unsere Fahrzeuge sind alt, unsere Waffen sind alt, ein Teil unserer Flugzeuge muss bald außer Dienst gestellt werden. Neue Anschaffungen – egal ob an Land, in der Luft oder für den Cyberraum – kosten viel Geld, weil sie nur funktionieren, wenn ihre Technik und Computer auf aktuellem Stand sind. Wer kennt das nicht vom eigenen Auto? Wer schreibt auf einem Notebook, das älter als zehn Jahre ist? Wer sieht die Polizei mit einem 20 Jahre alten Streifenwagen fahren?

Cyberangriffe und Blackouts

Unsere Pinzgauer-Geländefahrzeuge sind 35 Jahre alt, bei unseren Düsentrainerflugzeugen, bei einem Teil der Hubschrauber und in vielen anderen Bereichen sieht es nicht besser aus. Die Panzerschlacht im Weinviertel gewinnen wir damit nicht. Das wollten wir aber auch nie, dafür haben wir nie trainiert, diese Schlacht kam in unseren Planungen zu keinem Zeitpunkt vor. Unsere Panzer haben wir in den vergangenen 20 Jahren von 500 auf 55 reduziert; Bunker und die festen Anlagen mit ihren Panzerabwehrkanonen haben wir aufgelassen. Warum? Weil das Bundesheer dort gespart hat, wo es sinnvoll war, und weil wir uns auf neue Bedrohungen einstellen. Oder uns einstellen wollten, aber aus Mangel an Ressourcen nicht weit kamen. Wir müssen keine Panzerschlacht erfinden, wir sehen andere Gefahren: Cyberangriffe, systemischen Terrorismus, Klimawandel, scheiternde Staaten – Entwicklungen, die mitunter ohne Vorwarnung eintreten, aber dramatische Folgen für unser Land haben.

Cyberangriffe können zu einem Blackout führen. Cyberexperten des Heeres müssen das verhindern. Diese Experten sind teuer. Gut ausgerüstete und vielleicht militärisch trainierte Terroristen können es nötig machen, dass das Bundesheer der Polizei zur Seite stehen muss. Das Polizeiauto wäre dann machtlos gegenüber einer Panzerfaust oder einem Maschinengewehr. Unsere Kampfpanzer sind es nicht, deswegen haben sie weiterhin ihren Zweck. Vielleicht rettet ihre Panzerung einmal Leben von Soldaten, Polizisten oder Bürgern. Aber sie kosten Geld.

Abseits dieser extremen Annahmen haben sich die Menschen in unserem Land an eines gewöhnt: Das Bundesheer ist da, wenn sie es brauchen. Egal ob Flüsse über die Ufer treten, ob Lawinen ganze Orte von der Außenwelt abschneiden oder Waldbrände toben – wenn Hilfe nötig ist, kommen unsere Soldaten. Und auch im Ausland ist das Bundesheer ein verlässlicher Partner. Wir halten unsere Versprechen und leisten bei internationalen Operationen unseren Beitrag. Noch stehen wir dafür hoch im Kurs, nicht zufällig werden zwei der insgesamt sechs EU-Missionen von österreichischen Generälen geführt. Hoffen wir, dass dies so bleibt.

Das alles kostet Geld

Aber zurück nach Österreich mit einem letzten Blick auf die Kollegen der Polizei: Öffnet ein Polizist den Kofferraum seines Wagens, findet er dort eine Schutzweste, einen Helm und ein nagelneues Sturmgewehr. Braucht er diese Ausrüstung oft? Die meisten Exekutivbeamten werden sie nie benötigen. Das wünsche ich ihnen. Aber sie führen diese Dinge mit, weil es gut ist, sie im Fall der Fälle zu haben. Genau so sollte unsere Regierung ihre Soldaten betrachten, denn im Notfall, wenn alles andere versagt, kann sie immer noch auf das Bundesheer zurückgreifen – und dann ist es gut, wenn unsere Ausrüstung funktioniert, wenn genügend Soldaten da sind, wenn sie ausreichend trainieren konnten und wenn sie über Fahrzeuge und Hubschrauber verfügen, mit denen sie schnell an den Ort des Geschehens kommen.

Aber noch einmal: Das alles kostet Geld. Die Digitalisierung des Heeres schreitet voran. Cyberexperten sind keine billigen Arbeitskräfte, wert sind sie ihr Geld allemal. Fahrzeuge und Panzer kosten Geld, Hubschrauber und Flugzeuge noch viel mehr. Selbst was den einzelnen Soldaten betrifft, haben sich die Zeiten geändert: Ein Infanteriesoldat mit zeitgemäßem Equipment kostet uns 27.000 Euro. Dafür hat er dann einen Kevlarhelm, eine Schutzweste, ein Nachtsichtgerät, und er kann mit den anderen Soldaten seiner Einheit digital kommunizieren. Kurz gesagt: Nur so kann er einen Einsatz im In- oder Ausland bewältigen. So kann er einem Gegner gegenübertreten. Alles andere wäre verantwortungslos – von seinen Vorgesetzten, von seiner Regierung und von seinem Land, das dies von ihm verlangt. Diese Soldatinnen und Soldaten sind unsere Töchter und unsere Söhne. Und sie haben es verdient, dass wir in ihre Sicherheit und in die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher investieren. Ich halte das für angemessen. (Johann Luif, 23.9.2019)