Die Bemühungen, den in finanzielle Schieflage geratenen Konzern zu retten, sind gescheitert.

London – Der britische Reisekonzern Thomas Cook ist pleite. Man habe keine Alternative gehabt, als mit sofortiger Wirkung das Konkursverfahren einzuleiten, teilte der älteste Touristikkonzern der Welt in der Nacht auf Montag mit. Unmittelbar von dem Zusammenbruch betroffen sind etwa 600.000 Touristen, darunter vermutlich auch Österreicher.

In Österreich ist Thomas Cook der drittgrößte Anbieter von Pauschalreisen nach Tui und Rewe Austria Touristik, mit rund einer Viertelmillion Reisenden jährlich. Ende 2017 beteiligte sich der Konzern mit seiner deutschen Airline Condor auch am Verfahren um die insolvente Fluglinie Niki und kooperierte später mit dem erfolgreichen Bieter Laudamotion. Condor hält den Flugbetrieb aufrecht, darf aber aus rechtlichen Gründen Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Reiseziel bringen.

Lage von Österreichern unklar

Zu den Folgen der Insolvenz auf österreichische Reisende findet am Montagvormittag eine Sitzung von Außen- und Verkehrsministerium mit Reisebürounternehmen statt. Derzeit sei die Lage beziehungsweise die Zahl der österreichischen Betroffenen unklar. Normalerweise werde bei Pauschalreisen auch eine Reiseversicherung abgeschlossen, diese sollte dann im Insolvenzfall für eine Rückholung sorgen. Beim Bürgerservice gebe es bisher keine Anrufe von betroffenen Österreichern, trotzdem wurde das Personal verstärkt. Die Pressestellen des Unternehmens in Österreich und Deutschland reagierten auf Anfragen bisher nicht.

Die britische Flugbehörde CAA gab die Einstellung aller Thomas-Cook-Flüge bekannt und kündigte eine Rückholaktion für mehr als 150.000 Briten an, die größte derartige Aktion in der Geschichte des Landes. Die Rückholaktion trägt nach BBC-Angaben den Codenamen "Matterhorn". In der Nacht seien bereits die ersten Flugzeuge zu verschiedenen Zielen gestartet, um britische Urlauber nach Hause zu holen.

"Tiefes Bedauern"

Konzernchef Peter Fankhauser kommentierte die Insolvenz in einer kurzen Videobotschaft. "Trotz großer Anstrengungen" habe kein Deal erreicht werden können, um den Konzern zu retten. Fankhauser sei sich bewusst, dass dieses Verhandlungsergebnis für viele Menschen "vernichtend" sein und "viel Sorge, Stress und Störung" bereiten werde.

Der Konzernchef entschuldigte sich an anderer Stelle bei "unseren Millionen Kunden und tausenden Angestellten, Zulieferern und Partnern". Es sei ein "zutiefst trauriger Tag für das Unternehmen, das Pauschalreisen erfunden und Millionen Menschen weltweit das Reisen ermöglicht hat", so Frankhauser. Er sprach von einem "tiefen Bedauern", dass man keine Lösung für die Rettung des Konzerns gefunden habe.

Zwar sei eine Einigung bereits zu einem großen Teil ausgearbeitet worden. Zusätzliche Forderungen in den letzten Verhandlungstagen hätten sich am Ende jedoch als "unüberwindbare Herausforderung" erwiesen. Die Konzernspitze hatte für Sonntagabend Verhandlungen mit Banken, Gläubigern und der britischen Regierung angesetzt. Banken hatten zuletzt zu einem schon ausgehandelten, 900 Millionen Pfund schweren Rettungspaket weitere 200 Millionen Pfund gefordert.

Gewerkschaft macht Regierung verantwortlich

Die britische Regierung bestätigte, eine Finanzierungsbitte über 150 Millionen Pfund (170 Millionen Euro) abgelehnt zu haben. "Das ist natürlich eine Menge Steuergeld und stellt, wie die Menschen anerkennen werden, eine moralische Gefahr für den Fall dar, dass Unternehmen künftig mit solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden", sagt Premier Boris Johnson in der Nacht auf Montag.

Die britische Verkehrsgewerkschaft macht deswegen die Regierung für die Pleite verantwortlich. "Die Regierung hatte viele Möglichkeiten, Thomas Cook zu helfen, hat sich aber für das ideologische Dogma entschieden, anstatt tausende Jobs zu retten", sagte Gewerkschaftschef Manuel Cortes am Montag. Das sei "beschämend und falsch".

Früherer Weltmarktführer

Tatsächlich liest sich die Firmengeschichte wie eine Aneinanderreihung von Pioniertaten: Im Jahr 1855 organisierte Thomas Cook die erste Europa-Rundreise für britische Touristen, im Jahr 1869 folgte die erste Nilkreuzfahrt mit einem Dampfer. Im Jahr 1872 führte der Firmengründer persönlich die erste Weltreise über 40.000 Kilometer durch, die 222 Tage dauerte und 300 Pfund kostete (in heutigem Wert rund 35.000 Euro).

Thomas Cook erfand auch Hotelvoucher und Reisekreditschecks, die Reisen ohne mühsamen Währungsumtausch ermöglichen sollten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts Weltmarktführer, vertrieb das Unternehmen im Jahr 1919 auch die ersten Flugtickets. Zu den prominentesten Reisenden von Thomas Cook zählten die Literaten Mark Twain und Rudyard Kipling sowie der britische Premierminister Winston Churchill.

Chinesischer Einstieg konnte Konzern nicht retten

In den vergangenen Jahren geriet Thomas Cook immer wieder in Schieflage. Zuletzt war der Konzern durch eine milliardenschwere Abschreibung auf ein Tochterunternehmen und ein schwächeres Reisegeschäft ins Schleudern geraten. Zudem litt er mehr als Rivalen wie Tui unter der mit dem Brexit und einem schwächeren Pfund einhergehenden Reiseunlust der Briten. Größter Aktionär ist die chinesische Fosun-Gruppe, in deren mehrheitlichem Besitz sich auch der Vorarlberger Strumpf- und Wäschekonzern Wolford befindet.

Thomas Cook betreibt Hotels, Ferienresorts und Airlines und veranstaltet Kreuzfahrten. Von den 105 Flugzeugen im Konzern fliegen 58 für Condor. Weltweit hat Thomas Cook rund 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern.

Deutsche Töchter stellen Verkauf ein

Nach dem Insolvenzantrag haben nun auch die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt.

Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, teilte Thomas Cook in der Früh mit. "Das Unternehmen lotet derzeit letzte Optionen aus", hieß es. Sollten diese Optionen scheitern, sehe sich die Geschäftsführung gezwungen, auch für die Thomas Cook GmbH und weitere Gesellschaften Insolvenz zu beantragen. (red, APA, 23.9.2019)