Die Beatles haben mit dem Albumcover von "Abbey Road" den Zebrastreifen gewissermaßen zum Weltkulturerbe gemacht.

Foto: EMI

Es sollte das letzte Mal sein, dass sie gemeinsam in eine Richtung marschierten. Nachdem die Beatles über den Zebrastreifen der Abbey Road gegangen waren, trennten sich gewissermaßen ihre Wege. Das vor 50 Jahren erschienene Album der berühmten vier aus dem englischen Liverpool war ihr letztes. Das elfte in der offiziellen britischen Rechnung. Zwar erschien im Jahr darauf Let It Be als quasi Abgesang, doch das war zu dem Zeitpunkt, als John, Ringo, Paul und George im Gänsemarsch über den Zebrastreifen schritten, schon weitgehend fertiggestellt gewesen.

Das Cover von Abbey Road ist eines der berühmtesten der Popgeschichte. McCartney wollte das Album ursprünglich Everest nennen und für das Cover in den Himalaya fliegen. Doch das erschien allen zu mühsam, stattdessen ging man vor die Tür des in der Londoner Abbey Road befindlichen EMI-Studios, rief einen Fotografen an und erledigte den Job in zehn Minuten. Der Schotte Ian MacMillan schoss nur sechs Bilder – und schrieb Geschichte.

Socken am Schniedel

Der Zebrastreifen zählt heute gewissermaßen zum Weltkulturerbe. Täglich marschieren dort Fans über die Straße und stellen das Cover für sich nach. Die Red Hot Chili Peppers taten das nur mit Socken am Schniedel, Booker T. und seine M.G.'s zeigten mehr Würde und Respekt. Die von den Beatles verehrte Soul-Band coverte 1970 das gesamte Album und nannte es McLemore Avenue, nach der Adresse des Stax-Studios in Memphis. Auf dem Cover schlendern die vier M.G.'s gemütlich über die Straße. Im selben Jahr zitierte George Benson auf seinem Album The Other Side of Abbey Road das Artwork.

Abbey Road war ein letzter Versuch der Beatles, noch einmal die Beatles zu sein. Die Aufnahmen zu dem, was 1970 als Let It Be erscheinen sollte, waren ein Albtraum gewesen, das wollte keiner noch einmal erleben. Also machten alle freundliche Nasenlöcher, wiewohl die Scheidungspapiere schon aufgesetzt waren. Zumindest von Lennon. Der gab eine Woche vor Erscheinen der Platte seinen Ausstieg bandintern bekannt, zum endgültigen Aus sollte es im Jahr darauf kommen.

Verhaltene Kritik

Nachdem Werke aus dem Katalog der Beatles in den letzten Jahren zu jedem sich bietenden Jubiläum neu aufgelegt wurden, erfährt nun Abbey Road diese Gnade. Als LP, als Picture-Disc, als CD, als Doppel- und Dreifach-CD oder als Dreifach-LP wird es neu aufgelegt, erhältlich sind die von den Original-8-Spur-Bändern erstellten Aufnahmen ab Freitag – je nach Produkt erweitert um Demo- und Sessionsaufnahmen samt Blue-Ray-Audio. Was Beatles-Gläubige für ihr Seelenheil halt so brauchen. Die Sinnfrage stellt sich dabei nicht. Die Datenbank Discogs listet aktuell 620 bereits existierende Versionen des Albums. Selbst wenn man davon ein paar Dutzend inoffizielle Editionen abzieht, ist das mehr als genug. Andererseits – es sind die Beatles.

Die waren 1969 so berühmt, dass sie gleich darauf verzichteten, den Bandnamen oder den Albumtitel aufs Cover zu drucken. Es hätte dem Bild MacMillans auch nicht gutgetan, das ist in seiner Komposition perfekt. Das lässt sich von der Musik nicht zu hundert Prozent sagen. Zwar besitzt es mit dem Opener Come Together, den von Harrison gesungenen Something und Here Comes The Sun sowie Ringos Octopus's Garden zumindest vier Titel, die zum Kanon der berühmtesten Beatles-Lieder gehören. Der Rest sorgte damals wie heute für Diskussionen. Bei seinem Erscheinen schoss Abbey Road zwar weltweit an die Spitze diverser Charts, doch die Kritik reagierte verhalten. Das lag am sich veränderten Zeitgeist, das lag am weißen Album und an Sgt.Pepper's Lonely Hearts Club Band, mit denen sich die Beatles die Latte selbst hochgelegt hatten.

Verwöhntes Publikum

Als gefühlskalt, wenig authentisch, gar als seicht wurde es von der Kritik eingestuft. Dabei ist zu sagen, dass den Beatles selbst mit halbherzigem Einsatz noch Songs gelungen sind, die den Test der Zeit mühelos bestehen. Und über die Jahre änderte sich der Blick gerade auf die in Richtung Progressive Rock gehenden Songs, die Ende der 60er von einem verwöhnten Poppublikum als zu sperrig empfunden wurden.

Auch den Einsatz des Moog-Synthesizers hießen nicht alle gut, das gut 16-minütige und acht Songs umfassende Medley auf der B-Seite war vielen zu launisch. Zumal es aus Liedern bestand, die wie Skizzen wirkten und oft kaum länger als eine Minute dauerten. Andererseits besitzen selbst Miniaturen wie Mean Mr. Mustard einen Popappeal, den andere Gruppen auf ganzen Alben nicht verbreiten. Bevor der Schnipsel Her Majesty das Album beendet, kommt der prophetisch benannte Song The End. Im Blick zurück ist wahrscheinlich eines der schwächsten Lieder der Beatles überhaupt. Zumindest wenn man bedenkt, dass es das letzte war, das die größte Popband der Geschichte zusammen aufgenommen hat. (Karl Fluch, 23. 9. 2019)