Künstlerische Darstellung der im Experiment verwendeten Moleküle.

Illustration: Yaakov Fein/Universität Wien

In der Quantenwelt verhält sich Materie sowohl als Teilchen als auch als Welle. Wiener Physiker versuchen seit Jahren, diese Welle-Teilchen-Dualität in immer größeren Systemen nachzuweisen. Nun berichten sie im Fachjournal "Nature Physics" von einem neuen Rekord: Sie brachten ein aus 2.000 Atomen bestehendes riesiges Molekül in einen Überlagerungszustand – und damit an mehreren Orten gleichzeitig.

Das quantenphysikalische Phänomen der Welle-Teilchen-Dualität kann man an Lichtteilchen (Photonen) gut beobachten. Diese offenbaren ihre Welleneigenschaft im Doppelspaltexperiment: Schickt man Licht durch zwei schmale, parallele Spalten, so entstehen auf einem Schirm dahinter helle und dunkle Bereiche. Das Muster entsteht durch Beugung der Lichtwelle am Doppelspalt. In den hellen Arealen verstärken die Lichtwellen einander, in den dunklen löschen sie sich aus. Die Forscher sprechen dabei auch von Interferenz.

Bisheriger Rekord bei 800 Atomen

Solche Interferenzmuster erzeugten Markus Arndt und sein Team von der Universität Wien in den vergangenen Jahren mit immer größeren Objekten, die sie durch eine dem Doppelspalt ähnliche Vorrichtung schickten. Seit einigen Jahren hielten sie bereits den Rekord mit Molekülen, die aus rund 800 Atomen bestanden. Die Frage, die sie dabei antreibt, ist, ab welcher Größe dieser merkwürdige Quanteneffekt verschwindet und sich die Teilchen der klassischen Physik entsprechend verhalten. Die neuen Experimente testen insbesondere auch physikalische Modelle, welche die Grundgleichung der Quantenphysik – die Schrödingergleichung – durch kleine Zusatzterme ergänzen würden.

In ihrem neuen Experiment haben Yaakov Fein von der Fakultät für Physik der Uni Wien und seine Kollegen Moleküle mit rund 2.000 Atomen und einer Masse von mehr als 25.000 atomaren Masseneinheiten auf ein neues Materiewellen-Interferometer geschossen. Die von Forschern der Universität Basel hergestellten Teilchen zeichnen sich nicht nur durch hohe Masse, sondern auch durch thermische Stabilität aus. Sie werden auf eine Glasplatte aufgebracht und mittels Laserblitzen mit rund 200 Metern pro Sekunde zum Interferometer geschossen, wo sie an einer stehenden Lichtwelle gebeugt werden – so wie Lichtteilchen am Doppelspalt.

Jagd nach dem Limit

"Interferenzen gibt es nur, wenn ein Teilchen zwei oder mehr Möglichkeiten hat, zum Ziel zu kommen, die prinzipiell nicht voneinander unterscheidbar sind", sagte Arndt. In dem von den Wiener Physikern gebauten Interferometer stehen jedem Molekül aus dem Materiestrahl mindestens zwei mögliche Wege offen – sie befinden sich daher in einem Überlagerungszustand ("Superposition") und damit an mehreren Orten gleichzeitig. Die neue Maschine ist nach Angaben der Forscher zehnmal länger als alle bisherige Molekülinterferometer und erlaubt erstmals den Nachweis von Materiewellen bis zu Wellenlängen von 50 Femtometern.

Bleibt die Frage, wo das Limit ist – bis zu welcher Größe bzw. Masse von Teilchen lassen sich Quanteneffekte wie die Überlagerung beobachten? Arndt verweist hier einerseits auf experimentelle Limits, wenn etwa die Schwerkraft beginnt einen Rolle zu spielen und die Apparate zu teuer werden. Von theoretischer Seite sieht er noch keine verlässliche Antwort auf diese Frage: "Wir können derzeit nur in Experimenten das Limit Stück für Stück nach oben schieben und sehen was passiert".

Auch für Studienerstautor Yaakov Fein ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende: "Unsere Experimente zeigen, dass die Quantenmechanik, bei all ihrer Verrücktheit, auch erstaunlich robust ist und ich bin optimistisch, dass zukünftige Experimente sie in noch größerem Maßstab testen werden." Die Grenzen zwischen der klassischer Physik und Quantenwelt werden immer unschärfer. (red, APA, 23.9.2019)