Jeffrey Hartmann in der Titelrolle "Le Prophète" im Linzer Landestheater: ein stimmlich mehr sanftes als stählernes Wiedertäufer-Monster namens Jan van Leiden.

Reinhard Winkler

Am Landestheater Linz dreht sich in dieser Spielzeit alles um "Bekenntnisse". Von der Spaßbremse Augustinus als Stichwortgeber ausgehend wölbt sich ein dramaturgischer Bogen über eineinhalb Jahrtausende und zahllose Charakterschwächen hin zum Showgirl Deloris Van Cartier, der Fake-Nonne von Sister Act. Unter diesem Bogen lässt Jan van Leiden in Gottes Namen morden.

Im 16. Jahrhundert rief dieser Protagonist der Täuferbewegung in Münster das Königreich Zion aus. Seine blutige Herrschaft währte Gott sei Dank eher kurz (etwa ein Jahr), aber Giacomo Meyerbeer verhalf der ambivalenten Figur post mortem zu einem Weiterleben auf der Opernbühne, das nun schon 170 Jahre andauert.

Am Landestheater Linz ist der Saisonstart ja immer der Zeitpunkt für die ambitionierten Großprojekte: Tristan und Isolde, Die Frau ohne Schatten usw. Nun stemmt man Meyerbeers Grand opéra Le Prophète, an die sich selbst die Wiener Staatsoper schon zwei Jahrzehnte nicht mehr rangetraut hat. Den Propheten singt hier Jeffrey Hartman. Der Amerikaner, stimmlich mehr Samt als Stahl und mit einer gewinnenden "voix mixte", singt den Jean speziell rhythmisch in einer etwas irrlichternden Weise, schafft es aber mit gewinnenden Momenten durch die Partie.

Eigentlich sollte die Oper ja La mère du prophète heißen, sind doch der vierte und fünfte Akt des Werks ein fast durchgehender Arienabend für die Figur der Fidès. Katherine Lerner bewältigt die Partie souverän. Stimmschlank und agil Brigitte Gellers Berthe, die vom Schicksal gebeutelte Verlobte des Propheten.

Im Humana-Style

Dominik Nekel (Zacharie), Adam Kim (Mathisen) und Matthäus Schmidlechner (Jonas) agieren als Wiedertäufer stimmstark, wobei der Letztere mit seinem hellen, sicher geführten Tenor am meisten Eindruck macht. Solide Martin Achrainers Graf von Oberthal, von kraftvoller Prägnanz der Chor des Landestheaters Linz.

Die Regie (Alexander von Pfeil) inszeniert den Titelhelden als schüchternen Ödipus-Komplexler mit abrupten Auszuckern – zumindest die überenge Mutterbindung gibt das Libretto her. Die Radikalisierung einer Gruppe, die Pervertierung einer ursprünglich sozialrevolutionären Idee (wie es die Wiedertäufer zu Beginn waren) ereignet sich nicht im Münster des 16. Jahrhunderts, sondern in einem halbrunden alten Industriebau (Bühne: Piero Vinciguerra).

Darin findet sich das in Humana gekleidete Volk zu Beginn zusammengepfercht wieder, drangsaliert von Oberthals Leuten. Das Geschehen entpuppt sich, von Jeans Krönungsmantel im Stil des späten Rudolph Mooshammer abgesehen, als eine durchgehend unansehnliche Angelegenheit.

Das Bruckner-Orchester Linz präsentiert das kunstvoll geschnitzte Tonwerk Meyerbeers unter der Leitung von Markus Poschner etwas hölzern, der geniale Solopauker Vladimir Petrov vitalisiert das Geschehen aber ab und zu exzellent. Müder Premierenapplaus.

(Stefan Ender, 24.9.2019)