Die nördliche Hemisphäre der Venus, wie wir sie heute kennen.
Foto: NASA/JPL

Heute gleicht die Venus eher einer Höllenwelt als einem wirtlichen Ort. Auf unserem Nachbarplaneten, der fast so groß wie die Erde ist, herrscht aufgrund seiner dichten Atmosphäre am mittleren Bodenniveau ein Druck von 92 Bar. Das entspricht dem Druck in 910 Meter Meerestiefe. Eine dichte Wolkendecke, die vor allem aus Schwefelsäuretröpfchen besteht, umhüllt die Venus dauerhaft, während ein extremer Treibhauseffekt für durchschnittliche Bodentemperaturen von 464 Grad Celsius sorgt. Nicht gerade angenehm also – doch das war vermutlich nicht immer so.

Flüssiges Wasser möglich

Die Venus könnte zwei bis drei Milliarden Jahre lang habitabel gewesen sein – mit flüssigem Wasser und Temperaturen zwischen 20 und 50 Grad Celsius. Das berichteten Forscher um Michael Way vom Goddard Institute for Space Studies in New York vergangene Woche beim European Planetary Science Congress in Genf. Wie Simulationsmodelle der Wissenschafter nahelegen, könnte die Venus noch heute lebensfreundlich sein – wäre es nicht vor rund 700 Millionen Jahren zu einer dramatischen CO2-Ausgasung gekommen.

Die Venus als bewohnbare Welt mit Ozeanen? Forschern zufolge ist das keineswegs undenkbar.
Illustration: Nasa

Nach Ansicht vieler Forscher ist die Venus zwar zu nah an der Sonne, um flüssiges Wasser beherbergen zu können. Way und Kollegen kommen aber zu einem anderen Schluss: "Die Venus erhält derzeit etwa doppelt so viel Sonnenstrahlung wie die Erde. All unsere Simulationen haben aber gezeigt, dass sie dennoch für flüssiges Wasser geeignete Temperaturen gehabt haben könnte."

Für ihre Studie schufen die Forscher fünf Venus-Modelle. Drei davon basierten auf der heutigen Topografie des Planeten, gingen aber von unterschiedlichen Wasservorkommen aus: von einem Ozean mit über 300 Meter Tiefe, einer nur zehn Meter tiefen Wasserschicht oder einer geringen, im Boden gespeicherten Wassermenge. Die übrigen beiden Szenarien umfassten eine unserer Erde ähnliche Topografie und einen komplett mit Wasser bedeckten Planeten.

Dramatische Wende

Für diese Modelle simulierten Way und Kollegen die Sonnenstrahlung, der die Venus vor 4,2 Milliarden Jahren und vor 715 Millionen Jahren ausgesetzt war beziehungsweise heute ausgesetzt ist. In allen Szenarien herrschten auf unserem Nachbarplaneten trotz der Sonnennähe Temperaturen zwischen 20 und 50 Grad Celsius. Vor 4,2 Milliarden Jahren wäre die Gashülle des sich schnell abkühlenden jungen Planeten demnach von CO2 dominiert worden. Wenn sich die Venus ähnlich wie die Erde entwickelte, müssten aber im Lauf der Zeit geochemische Reaktionen einen großen Teil des Kohlendioxids in Silikat- und Carbonatgestein gebunden haben. So könnte sich nach und nach eine erdähnliche, stickstoffreiche Gashülle gebildet haben, die theoretisch noch heute existieren würde – wäre da nicht noch eine andere Entwicklung gewesen.

Lavaströme auf unserem Nachbarplaneten.
Foto: NASA/JPL

Vor etwa 700 Millionen Jahren kam es zu einer dramatischen Ausgasung von CO2 und Wasserdampf, die einen massiven Treibhauseffekt in Gang setzte. Innerhalb kurzer Zeit heizte sich die Venus zu der Höllenwelt auf, die wir heute kennen. "Etwas passierte auf dem Planeten, wodurch gigantische Mengen an Gas in die Atmosphäre gelangten, die nicht wieder im Gestein gebunden werden konnten", sagte Way. Die Ursache sei unklar, einen starken Verdacht hat der Forscher aber, was dahinterstecken könnte: Vulkanismus.

Vulkanische Ausgasungen

Starke Ausgasungen sind auch von der Erde bekannt: So stehen etwa Gasausbrüche im Vulkangebiet des sogenannten Sibirischen Trapps im Verdacht, das beispiellose Massenaussterben vor 250 Millionen Jahren ausgelöst zu haben. Auf der Venus könnten planetenweite Eruptionen für das Entweichen des im Gestein gespeicherten Kohlendioxids und eine völlige Umgestaltung der Kruste verantwortlich gewesen sein. Gewaltige Magma-Massen, die unter der Venusoberfläche erstarrten, könnten die neuerliche Bindung von CO2 im Silikatgestein blockiert haben, vermuten die Wissenschafter.

Venustransit auf einer Aufnahme vom Juni 2012.
Foto: NASA/SDO, AIA

"Es braucht weitere Missionen, um die Klimageschichte und -evolution der Venus besser zu verstehen", sagte Way. "Unsere Simulationen zeigen aber jetzt schon, dass dieser Planet einst lebensfreundlich und damit völlig anders gewesen sein könnte, als wir ihn heute kennen." Nicht zuletzt könnte das auch Konsequenzen für die Exoplanetenforschung und die Suche nach habitablen Welten haben. (David Rennert, 24.9.2019)