Heinz-Christian Strache war erbost: "In der Vergangenheit sind viele arme Männer in eine reiche Partei gekommen und haben als reiche Männer eine arme Partei zurückgelassen", sagte er 2005 nach seiner Übernahme der FPÖ mit Blick auf seine Vorgänger und deren Spesenabrechnungen. Die Ausgaben von Susanne Riess-Passer ließ er prüfen, weil sie auch Belege für Kleidung und Handtaschen eingereicht hatte – das Verfahren gegen die frühere FPÖ-Chefin und Vizekanzlerin wurde schlussendlich jedoch eingestellt.

Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache weht sich gegen die Vorwürfe, er habe als Chef der Wiener FPÖ Parteigelder unzweckmäßig verwendet. Laut Medienberichten soll Strache auch seine private Lebensführung über die Parteikassa finanziert haben.
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Nun wiederholt sich diese Geschichte – mit Strache als Verdächtigem: Ihm wird eine systematische Veruntreuung von Parteigeldern vorgeworfen. Strache, seine Ehefrau Philippa und anderer FPÖ-Politiker sollen über die Partei auch ihre private Lebensführung finanziert haben.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Davon berichtet eine anonyme Anzeige, die an die Staatsanwaltschaft geschickt wurde. Diese bestätigt Ermittlungen. Die Anzeige steht in engem Zusammenhang mit dem Ibiza-Video, dessen Ersteller offenbar schon Jahre zuvor im Umfeld von Strache Nachforschungen angestellt hatten, wie Recherchen von STANDARD und "Presse" zeigen. Die FPÖ Wien wie auch die Bundespartei haben aufgrund der Vorwürfe eine "Sonderprüfung" ihrer Buchhaltung eingeleitet, wie auf Anfrage bestätigt wurde.

Der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seine Ehefrau Philippa geraten wegen angeblich falscher Spesenabrechnungen in die Kritik.
Foto: APA/HANS PUNZ

Die Sammlung von "belastenden Materialien" gegen Strache soll schon im Jahr 2013 begonnen haben, und zwar durch einen engen Mitarbeiter des einstigen FPÖ-Chefs, der aus persönlichen Gründen gehandelt haben will. Dieser soll SMS, kompromittierende Situationen und Rechnungen abfotografiert haben. Diese "Belege" werden in der anonymen Anzeige angeführt, wurden ihr jedoch nicht beigelegt.

Behörden bereits 2015 informiert

Über die Zuständigkeit für die politisch brisante Sachverhaltsdarstellung herrschte am Montag Verwirrung: Zuerst schoben die Staatsanwaltschaft Wien und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einander die Verantwortung für die Bearbeitung zu; schlussendlich bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien dann Ermittlungen.

Die vor eineinhalb Wochen über das elektronische Hinweisgebersystem und per Fax eingereichte Anzeige ist aber nicht der erste Versuch, die Behörden zu informieren. Offenbar wurden schon im Frühjahr 2015 Teile der Sammlung an die Staatsanwaltschaft übergeben. Auch der Leiter der jetzigen Soko Ibiza, Andreas Holzer, soll Teile des Materials bereits kennen. Allerdings kam es zu keinen tiefergehenden Ermittlungen – angeblich, weil die Hinweisgeber Geld für weiteres Material verlangten, wie es hinter den Kulissen heißt.

Miete, Fahrer, Security-Mann

Der langjährige FPÖ-Chef, für den die Unschuldsvermutung gilt, soll diverse private Kosten über die Partei abgerechnet haben, obwohl ihm darüber hinaus ein fixes Spesenkonto zur Verfügung gestanden habe, über das er 10.000 Euro monatlich abrechnen konnte. Die FPÖ übernahm beispielsweise zumindest Teile seiner Wohnkosten. Auf Nachfrage bei der FPÖ heißt es, Strache sei in seinem Anwesen "Repräsentationsverpflichtungen nachgegangen", weshalb er während seiner Obmannschaft die Mietkosten in Rechnung stellen durfte. Die Kostenübernahme für "Sicherheit und Mobilität" – also seinen Security-Mann und Fahrer – laufe derzeit aus.

Auch Straches Ehefrau Philippa, die nun für den Nationalrat kandidiert, soll bedacht worden sein: Sie bekam offenbar Geldsummen ausgezahlt, die das Gehalt eines Abgeordneten übersteigen. Philippa Strache fungierte als "ehrenamtliche" Tierschutzbeauftragte und betreute darüber hinaus Social-Media-Agenden ihres Mannes.

Strache: "Ordnungsgemäß abgerechnet"

Straches Anwalt lässt im Namen seines Mandanten ausrichten: "Es startet offensichtlich eine weitere gezielte Schmutzkübelkampagne gegen mich, wobei jetzt sogar meine Familie hineingezogen wird. Alle Spesen und Sachleistungen wurden stets ordnungsgemäß abgerechnet."

Der Mann aus dem Umfeld Straches, der die angeblichen Buchhaltungstricks sowie andere kompromittierende Aktionen des FPÖ-Chefs festgehalten haben soll, kennt jene Personen, die nun als Hintermänner des Ibiza-Videos gelten, seit vielen Jahren. Auf Basis seiner Informationen soll der Plan entwickelt worden sein, Strache und seinen Vize Johann Gudenus in eine Falle zu locken, was im Juli 2017 in Ibiza auch geschah. Das Video davon gelangte erst fast zwei Jahre später an die Öffentlichkeit.

Im Jahr 2017 prahlt Strache auf Ibiza vor einer vermeintlichen Oligarchennichte – die Hintermänner sollen schon zuvor belastendes Material gegen ihn gesammelt haben.
Screenshot: Spiegel/SZ

Warum eigentlich? Der Anzeige ist zu entnehmen, dass sich der "FPÖ-Insider" weigerte, vor den Behörden auszupacken. Die Ibiza-Hintermänner wollten aber seine Aussage mit der Videopublikation kombinieren. Der Darstellung eines "investigativ-journalistischen" Projekts – wie es der involvierte Anwalt M. genannt hatte – widerspricht aber, dass der Clip mehreren Personen zum Kauf angeboten wurde, ebenso wie Teile des belastenden Materials aus dem Jahr 2014. Das sah auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien so, das auf Antrag von Gudenus eine einstweilige Verfügung gegen M. verhängte. Die Anwälte M.s gehen derzeit dagegen vor.

Straches Spesen in FPÖ "bekannt"

Innerhalb der freiheitlichen Partei soll es relativ breit bekannt gewesen sein, dass Strache mit Parteigeldern auch seinen privaten Lebenswandel finanziert. "Das war Common Sense und hat nie jemanden gestört", erzählt ein Freiheitlicher. "Die Dimension war aber niemandem klar."

Innerparteilich stellen sich nun mehrere Fragen: Wer hat die Spesenabrechnungen abgesegnet? Und gab es entsprechende Beschlüsse der Bundespartei oder der FPÖ Wien? Denn damit wird einhergehen, ob Strache rechtlich abgesichert ist oder ihm – wie einst Riess-Passer – eine Klage droht. (Fabian Schmid, Katharina Mittelstaedt, 23.9.2019)