Karl Dürtscher (GPA-djp), Gewerkschafter Rainer Wimmer (Pro-GE) übergeben die Forderungen der Gewerkschaften an die Industrie.

Foto: APA/Hans Punz

Johannes Collini, Chefverhandler der Arbeitgeber hat andere Argumente als die Arbeitnehmer.

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Es herbstelt. Das erkennt man nicht nur an sinkenden Temperaturen, der Färbung der Blätter und am Kalender, sondern auch an der Stimmung in der Industrie. Genauer gesagt jener der Metallbranche. Dort verdunkelt sich der Himmel regelmäßig gegen Ende September, wenn die Lohnverhandlungen beginnen. Ein Paket mit der Kernforderung von einer Anpassung der Kollektivverträge um fünf Prozent sorgte 2018 für eine scharfe Brise, die vom Streit um den Zwölfstundentag angefacht wurde.

Heuer ist es zwar recht ruhig um das Aufregerthema des Vorjahres geworden, dafür sorgt ein anderer Faktor für ziemliche Dynamik: Wahlkampf ist. Unausgesprochen schwebt er gleichsam über der Lohnrunde für 130.000 Metallarbeiter, die gerne als richtungsweisend für die Abschlüsse anderer Branchen bezeichnet wird. Mit 4,5 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung liegt die Forderung der Gewerkschaft nur geringfügig unter dem Anspruch des Vorjahres. Wenn man bedenkt, dass die Konjunktur merklich abkühlt, sich mancherorts gar Rezessionsängste ausbreiten, ist die Ansage der Metaller aber doch recht mutig. Oder "realitätsfremd", wie die Arbeitgeber meinen.

Gewichtige Argumente

Wahlkampf hin oder her: Der ist in einer Woche ohnehin vorüber. Ob dann die Gewerkschaft leiser treten wird? Man wird sehen. Ihr Chefverhandler Rainer Wimmer hat jedenfalls zwei gewichtige Argumente, mit denen er die Forderung untermauert: Die Kaufkraft soll gerade in Zeiten einer schwächelnden Konjunktur gestützt werden und damit den Konsum ankurbeln. Und zweitens wollen die Metaller ein kleines Stück vom respektablen Kuchen. Zwei Milliarden Euro oder 90 Prozent des Jahresüberschusses der Branche wurden 2018 an die Eigentümer ausgeschüttet. Es gibt also, so die Sichtweise der der Gewerkschaft, einiges zu verteilen.

Wenn da nicht die völlig konträren Argumente der Arbeitgeber wären. Für ihren Verhandler Christian Knill ist die Forderung der Gewerkschaft viel zu hoch. Er begründet das mit dem stark rückläufigen Wachstum, das im Vorjahr noch 2,7 Prozent ausmachte und heuer in der Gegend von 1,5 Prozent zu liegen kommen wird. Die Metallindustrie bekommt dabei jetzt schon den Abschwung voll zu spüren, weil 80 Prozent der Umsätze im Export erwirtschaftet werden. Die Ausfuhren waren zuletzt schon deutlich rückläufig, was u. a. mit der vom Handelsstreit zwischen den USA und China ausgehenden Verunsicherung zusammenhängt. Zudem haben sich die Arbeitgeber mit Zahlen gerüstet, wonach Gewinne und Eigenkapitalquote bereits 2018 geringfügig rückläufig waren.

Kaufkraft versus Wettbewerbsfähigkeit

Dass der Standort den Standpunkt bestimmt, ist freilich weder besonders noch neu. Seit jeher bewegen sich die Lohnverhandlungen in einem Spannungsfeld: Es verläuft zwischen der Stärkung der Kaufkraft und der Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Letztere beeinträchtigt wird und Jobs gestrichen werden, dann kommt auch die angepeilte Steigerung der Nachfrage nicht zustande. Das wissen freilich beide Seiten. Dementsprechend gilt die Metallerlohnrunde über die Jahre betrachtet als eine lösungsorientierte Veranstaltung.

Das heißt freilich nicht, dass man einander mit Samthandschuhen anfasst. Im Vorjahr wurde nach der Fixierung des Zwölfstundentags der Umweg über wuchtige Warnstreiks genommen, um zum Ergebnis einer Lohnerhöhung von knapp 3,5 Prozent zu kommen.

Inflation belastet

Vor zwei Jahren vergiftete die Gewerkschaft das Klima, als die ihr nahestehende SPÖ gemeinsam mit der FPÖ vor der Nationalratswahl die Angleichung von Arbeitern an Angestellte gesetzlich durchdrückte. Aus Arbeitgebersicht ein schweres Foul. Auch damals wehte eine steife Herbstbrise durch die Verhandlungsräume. Apropos Brise: Letztlich kämpfen die beiden Sozialpartner gegen Windmühlen. Denn selbst in Jahren guter Abschlüsse bleibt für die Beschäftigten regelmäßig kaum etwas in der Geldbörse. Das liegt an der Inflation, die hierzulande regelmäßig über jener der Eurozone liegt. Und das liegt auch an der kalten Progression, die das verbliebene Plus beim Bruttoeinkommen anknabbert. (Andreas Schnauder, 24.9.2019)