Alles geht einmal zu Ende, selbst oder gerade wenn der Ausgangspunkt weit in der Vergangenheit liegt wie bei Thomas Cook. Der Namensgeber des nach der deutschen Tui zwischenzeitlich zum zweitgrößten Reiseveranstalter der Welt aufgestiegenen Tourismuskonzerns gilt als Erfinder der Pauschalreise, bei der klassischerweise Anreise und Aufenthalt in einem organisiert werden.

Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Baptistenprediger und Alkoholgegner Cook erstmals eine Zugfahrt zusammenstellte, um Anhänger der Abstinenzbewegung an einem Ort zu versammeln, war dies noch eine Sensation. Heute reagieren viele bestenfalls mit einem Schulterzucken. "Pauschalreise, wozu? Ich stell mir meinen Urlaub selbst zusammen," heißt es immer öfter.

Der britische Reisekonzern Thomas Cook ist insolvent.
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In der Tat sind es gar nicht so sehr die Urlaubsgewohnheiten, die sich derart dramatisch geändert und zum Sturz des britisch-deutschen Reisegiganten zumindest mit beigetragen haben. Es ist die Digitalisierung, die Thomas Cook letztlich zum Verhängnis geworden ist. Die Popularität von Onlineplattformen, die den Urlaub ums Eck zum Sensationspreis mittels weniger Mausklicks vom Wohnzimmersofa weg versprechen, setzt allen Veranstaltern zu. Der Preisdruck ist enorm. Und Thomas Cook war deutlich verwundbarer als andere.

Verfehlte Expansionspolitik

Das hängt mit den Milliarden an Schulden zusammen, die das Unternehmen, zu dem Marken wie Neckermann oder Öger Tours gehören, in den vergangenen Jahren aufgetürmt hat. Dies war nicht zuletzt Folge einer verfehlten Expansionspolitik, bei der Masse statt Klasse im Vordergrund stand. Auch das Führungspersonal des Konzerns schien zumindest nach der Fusion mit My Travel, die den Reiseveranstalter in eine ganz neue Größenordnung katapultiert hat, die meiste Zeit überfordert. Selbst dem vor drei Jahren angeheuerten Manager Peter Fankhauser, einem gebürtigen Schweizer, schien der Durchblick versagt zu bleiben – bei der Vielzahl an Beteiligungen und Verästelungen im Konzern kein Wunder.

Dass die im Vorjahr erstmals stärker gespürte Unlust der Briten, in den Urlaub zu fahren, und der ebenfalls durch Unsicherheiten rund um den Brexit ausgelöste Kursverlust des britischen Pfunds die dünne Finanzdecke des Unternehmens weiter strapaziert haben – geschenkt. Wem aber nützt beziehungsweise schadet das Aus von Thomas Cook? Es schadet vordergründig den knapp 22.000 Mitarbeitern des Konzerns sowie den rund 600.000 Urlaubern, die bei Thomas Cook zuletzt gebucht haben und deren Nerven nun etwas angespannt sein dürften, auch wenn in den allermeisten Fällen wohl die Versicherung einspringen wird.

Wem die Insolvenz nützt, ist auch rasch aufgezählt: pauschal allen verbleibenden Reiseveranstaltern. Sie werden lautstark und mit Freude die Lücke auffüllen. Thomas Cook war zwar besonders stark in Spanien und Griechenland im Geschäft und hat mit der Marke Neckermann auch seinen Teil dazu beigetragen, dass der Ballermann auf Mallorca zu jener Popularität gefunden hat, die mittlerweile viele Gäste auch wieder abschreckt. So wirklich abgehen wird der britische Konzern aber niemandem.

Und, Ironie der Geschichte: Selbst die lange totgesagte Pauschalreise könnte eine unerhoffte Renaissance erfahren. Dann nämlich, wenn sich herumspricht, dass im Insolvenzfall nur versichert ist, wer eine Pauschalreise gebucht hat. (Günther Strobl, 23.9.2019)