New York – Im Grunde, sagte Greta Thunberg, sei es völlig falsch, was sie hier tue. Eigentlich müsste sie am anderen Ufer des Ozeans in der Schule sitzen, statt hier oben auf dieser Bühne. Nun aber kämen alle zu ihr, damit sie ihnen Hoffnung einflöße. "Wie könnt ihr es wagen! Mit euren leeren Worten habt ihr meine Träume und meine Kindheit gestohlen", beschwerte sie sich am Donnerstag über die Politiker dieser Welt.

"Wie könnt ihr es wagen?" Die Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht klare und emotionale Worte beim UN-Klimagipfel.
DER STANDARD

Und doch, sagte die 16-jährige Schülerin aus Schweden mit zittriger Stimme, wie man sie sonst von ihr nicht kennt, gehöre sie noch zu den Glücklichen. Anderswo brächen ganze Ökosysteme zusammen. "Wir stehen am Beginn einer massenhaften Auslöschung. Und alles, wovon ihr reden könnt, ist euer Geld, sind eure Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen!" Die Augen künftiger Generationen würden auf diese Leute mit ihrem "Business as usual" gerichtet sein, sagte Thunberg. "Wenn ihr uns im Stich lasst, werden wir euch nie verzeihen."

Guterres: "Wir stecken in einem Klimaloch"

António Guterres, der UN-Generalsekretär, hatte zum Auftakt des eintägigen Klimagipfels in New York einen "Jugenddialog" auf die Tagesordnung gesetzt. Seine Generation, räumt er ein, habe versagt. Sie sei ihrer Verantwortung, den Planeten zu schützen, nicht gerecht geworden. Und noch immer gebe es einige, die das Offensichtliche nicht wahrhaben wollten: "Wir stecken im Klimaloch, und um aus dem Loch herauszukommen, müssen wir aufhören zu graben." Doch wenn man jetzt die Laufschuhe anziehe, könne man das Rennen noch immer gewinnen, versucht es Guterres mit einer Metapher.

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen findet am Dienstag in New York statt. Hannelore Veit (ORF) spricht über zentrale Themen.
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Der UN-Chef zeigte sich am Ende zufrieden mit dem von ihm einberufenen Gipfel. "Heute in dieser Halle hat die Welt klare Handlungen und konkrete Initiativen gesehen", sagte er zum Abschluss am Montagabend. So hätten sich 77 Länder – viele davon Industriestaaten – zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 bekannt. Auch hätten 70 Länder angekündigt, ihren nationalen Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise ab 2020 zu erhöhen. Mehr als 100 Unternehmenschefs hätten sich zudem dazu verpflichtet, ihre Firmen ökologischer auszurichten. Anders sahen das Experten und NGOs. So sagte der Direktor der International Climate Initiative vom World Resources Institute, David Waskow, dass die größten CO2-Produzenten teilweise hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien.

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Bei der Eröffnung des Klimagipfels wurden Aufnahmen von Wäldern gezeigt.
Foto: AP/Jason DeCrow

Thunberg, der neben einer Aktivistin aus Brasilien und einem Jungunternehmer der Part der Jugend beim "Climate Action Summit" zugedacht war, wird es ähnlich sehen. Bei ihrer Rede hatte sie der Poesie des Portugiesen knallharte Prosa entgegengesetzt. Ihre Gesichtszüge verraten Empörung, ja, fast so etwas wie Wut, während sie spricht. Es sei ja nun populär, daran zu glauben, dass es reiche, den Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Das aber bedeute nur eine 50-prozentige Chance, die Erwärmung der Erde unter 1,5 Grad Celsius zu halten. "50 Prozent sind vielleicht für Sie akzeptabel. Aber 50 Prozent Risiko sind nicht akzeptabel für uns, die wir mit den Konsequenzen zu leben haben."

Kein Zweifel, es war der Gipfel der Greta Thunberg, die, ob sie es nun will oder nicht, wie ein Rockstar im Rampenlicht steht. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nutzte die Chance, sich mit ihr fotografieren zu lassen. Beide saßen, in der Lobby vorm Plenarsaal, in tiefen Sesseln. Von dem Ärger, dem die junge Schwedin auf der Bühne freien Lauf lässt, ist zumindest auf diesem Bild nichts zu spüren.

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Angela Merkel nutzte die Gelegenheit für Fotos mit Greta Thunberg.
Foto: Steffen Seibert/Bundesregierung via Reuters

Überraschungsgast Trump

Kurz darauf kreuzten sich Thunbergs Wege mit denen von Donald Trump – und die junge Klimaaktivistin war sichtlich unerfreut. Ein Video, das mehrere Medien am Montagabend veröffentlicht haben, zeigt Trump, wie er mit seiner Delegation durch das UN-Hauptquartier geht, Thunberg steht wenige Meter hinter ihm. Während Trump die Schwedin nicht wahrnimmt, schaut Thunberg den US-Präsidenten mit ernster Mine und verschränkten Armen an.

Der US-Präsident bemerkte die Schwedin und ihre Rede offenbar später – und reagierte auf Twitter mit höhnischem Lob. "Sie scheint ein sehr glückliches junges Mädchen zu sein, das einer hellen und wunderbaren Zukunft entgegensieht. So schön zu sehen!", schrieb er zu einem Retweet ihrer Rede, der das Zitat "Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme fallen in sich zusammen. Wir stehen am Beginn einer Massenvernichtung" aus Thunbergs Rede wiedergibt.

Greta is not amused: Die Klimaaktivistin straft Trumps Umweltpolitik mit bösen Blicken.
Guardian News

Eigentlich wollte Trump der Klimakonferenz fernbleiben und mit einer Veranstaltung über religiöse Freiheit dagegenhalten. Doch kurz bevor der indische Premierminister Narendra Modi ans Pult tritt, setzt sich auch Trump in den Saal der Generalversammlung, um zuzuhören. Wenn auch nur kurz. Gemeinsam mit dem Besucher aus Delhi hat er sich tags zuvor auf einer Kundgebung in Houston von zehntausenden Menschen feiern lassen, die meisten Amerikaner indischer Herkunft. Dass er sich nun doch auf dem Klimakongress sehen lässt, ist wohl als Geste gegenüber Modi zu verstehen. Nach dem Inder spricht Merkel, und als sie fertig ist, ist auch Trumps Stippvisite vorbei.

Irgendwann darf Michael Bloomberg ein paar Worte sagen, der Milliardär, der einmal Bürgermeister New Yorks war und sich heute als UN-Sondergesandter für dem Klimaschutz engagiert. Bloomberg gilt als Symbol dafür, dass es in den USA nicht an Städten und Staaten mangelt, die Trumps Vorliebe für die Kohle ignorieren und, ihrer eigenen Agenda folgend, eher auf erneuerbare Energien bauen. Er danke Präsident Trump dafür, dass er gekommen sei, sagt Bloomberg mit ausgesuchter Höflichkeit. Und dann: "Hoffentlich sind unsere Diskussionen hier nützlich für Sie, wenn Sie Ihre Klimapolitik formulieren."

Auf drei Minuten, hatte Guterres als Regel ausgegeben, sollten Staats- und Regierungschefs ihre Reden beschränken. Und reden dürfe nur, wer konkrete Klimapläne vorzustellen habe. Zum Auftakt ist es ein Quartett, dem die Ehre zuteil wird: die Neuseeländerin Jacinda Ardern, nach ihr Hilda Heine, die Präsidentin der Marshall-Inseln, einer durch den Anstieg des Meeresspiegels bedrohten Inselgruppe im Pazifik, schließlich Modi und Merkel.

Trump nahm überraschend doch am Klimagipfel teil.
Foto: APA/AFP/JOHANNES EISELE

66 Länder wollen bis 2050 klimaneutral werden

Die deutsche Kanzlerin spricht von dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, bis 2022 aus der Kernenergie auszusteigen und spätestens bis 2038 aus der "Kohlekraftwerkswirtschaft". Deutschland, sagt sie, stelle ein Prozent der Weltbevölkerung, verursache aber zwei Prozent der weltweiten Emissionen. "Wenn alle so handeln würden wie Deutschland, würden sich die Emissionen weltweit verdoppeln. Jeder weiß, was das bedeutet." Deshalb habe man sich vorgenommen, bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 55 Prozent der nationalen Kohlendioxidemissionen einzusparen. Es sind ungefähr die Relationen, die Greta Thunberg so in Rage gebracht haben.

Nicht nur Deutschland, sondern 66 Länder haben sich im Vorfeld des Klimagipfels zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet, auch 102 Städte und 93 Unternehmen schlossen sich der Selbstverpflichtung an. Österreich gehöre laut Bundespräsident Alexander Van der Bellen "im Moment noch nicht zu den 'prime leaders'" in Sachen Klimaschutz, sagte er im "ZiB 2"-Interview, aber: "Wir sind uns bewusst, dass es so nicht weitergehen kann." Er sei optimistisch, denn Österreich habe gute Voraussetzungen und viele innovative Firmen.

"Wir haben alles zu verlieren"

Die Zugeständnisse wurden auch in Wien verfolgt. "Fridays For Future" (FFF) Wien übt scharfe Kritik an der Perfomance Österreichs beim Klimagipfel, an dem Umweltministerin Maria Patek und Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilnahmen.

Es ergebe "keinen Sinn hochkarätig besetzt hinzufahren, ohne konkrete Maßnahmen zu präsentieren", sagt Adrian Hiss von Fridays for Future Wien zum STANDARD und verweist auf den bisherigen Entwurf des nationalen Energie- und Klimaplans, der noch nicht mit den Pariser Klimazielen konform sei.

Hier können Sie den UN-Klimagipfel live mitverfolgen.
United Nations

Einen kleinen Zwischenerfolg wird die Bewegung aber wohl am Mittwoch feiern, wenn im Parlament der Klimanotstand ausgerufen werden könnte. Über einen entsprechenden Entschließungsantrag, eingebracht von ÖVP, SPÖ, Neos und Jetzt, wird abgestimmt – ein politisches Signal, keine juristische Maßnahme. Damit soll die Eindämmung der Klimakrise als "Aufgabe höchster Priorität" anerkannt werden.

Am Freitag will die Bewegung dann die bisher größte Klimademo Österreichs organisieren. Kurz vor der Wahl will man noch einmal darauf aufmerksam machen, dass "keine Partei ein Paris-konformes Programm vorzuweisen hat", sagt Hiss. Nicht nur Schüler und Studenten, auch Berufstätige und Pensionisten seien aufgerufen teilzunehmen. "Legt eure Schulbücher und eure Arbeit nieder. Wir haben alles zu verlieren", sagt Aktivistin Emilia Wess. Schulen ist es diesmal erlaubt, mit Schülern "im Rahmen des Unterrichts" an der Demo teilzunehmen. Um 15:30 Uhr ist eine Abschlusskundgebung am Heldenplatz geplant. (Frank Herrmann, van, red, 24.9.2019)