Was das letzte Woche denn an dieser Stelle für ein Foto gewesen sei, wurde ich dann gefragt: Drei Autos mit offenen Mäulern am Ufer eines Badeteiches seien doch schon eher ein – sagen wir mal wertfrei – "interessantes" Bild. Stimmt. Aber ich kann nix dafür: Die Dinger standen genau so da – und "da" war der Teich, der von der steirischen Gemeinde Wildon ein bisserl euphemistisch Wildoner See genannt wird.

Foto: thomas rottenberg

Dort hatte es vergangene Woche eben nicht nur uns hinverschlagen, sondern auch etliche andere Leute, die die letzten Zucker des Sommers noch so erleben wollen, wo und wie er am schönsten ist: an der frischen Luft.

Autotuner sind da nicht anders als Läuferinnen und Läufer. Oder die Gruppe von Fixie- und Lastenradfahrern, die da am Grazer Umlandsee ebenfalls am Ufer chillte: Gibt es etwas Feineres, als Orte und Momente, an denen alle auf ihre Art nebeneinander Platz zum Glücklichsein finden? Eben.

Foto: thomas rottenberg

Freilich: Während die rollenden Kolleginnen und Kollegen da einfach entspannt abhingen, hatten wir vorher noch was vor. Die Damen tatsächlich, ich nur als Begleiter: 30 Kilometer standen auf dem Plan. Flach. Und wer Graz und sein Umland ein bisserl kennt, weiß, dass man da am allerbesten und einfachsten den Murradweg entlang rennt. An einem superschönen Wochenendtag vielleicht nicht unbedingt mitten in der Stadt, sondern ein bisserl außerhalb: Wer sich auf einen langen Straßenlauf vorbereitet, findet zwischen Wildon und Graz genau die richtigen Bedingungen – und alles, was der steirische Spätsommer zu bieten hat.

Foto: thomas rottenberg

Und nicht nur das: Wer glaubt, draußen auf dem Land in der – quasi – freien Natur und abseits der Blick-Sichtachsen der starkbefahrenen Straßen vom Wahlkampf verschont zu bleiben, hat sich gehörig getäuscht.

Aber, erklärte mir ein Bekannter später, in Wirklichkeit sei das hier eh keine Wahlwerbung, sondern nur ein gescheiterter Versuch, die Landschaft für Touristen zu beschriften: "Kukuruz ging sich wohl nicht aus. Sie hätten aber auch 'Mais' schreiben können. Obwohl ich das nicht ganz verstehe: Da hinten liegen ja eh noch genug Buchstaben herum …"

Foto: thomas rottenberg

Relevanter bei diesem Lauf war aber etwas anderes: Auch wenn die Sonne schon deutlich an Kraft eingebüßt hat, wird es auch im Spätsommer tagsüber noch richtig heiß.

Und wer da abseits von Schatten und Infrastruktur 30 Kilometer läuft, tut gut daran, ein bisserl zu planen: Brunnen sind da unterwegs nämlich rar – und auch wenn es an der Strecke gefühlt eine Million Gasthäuser und Buschenschanken gibt, sollte man sich über die Wasserversorgung vielleicht vorher Gedanken machen: Ab Kilometer 26 war das dann doch ein bisserl zach.

Foto: thomas rottenberg

Aber als Wiener bin ich eben verwöhnt: Dass man in einer Millionenstadt einfach losrennen kann und fast überall schon nach ein paar Hundert Metern nicht nur praktisch autofrei, sondern auch und dennoch von Trinkwasserbrunnen begleitet lange Läufe abspulen kann, ist ein echtes Privileg.

Wenn dann bei einem längeren Morgenlauf auch noch die Sonne fast noch sommerlich grüßt, ist das doppelt fein: Der Altweibersommer ist meine liebste Laufzeit. Es ist nimmer so brüllheiß, dass ein Tempolauf zum Nahtoderlebnis wird – aber eben doch noch Sommer.

Foto: thomas rottenberg

Dass nicht nur ich diese Bedingungen ausnutze, ist klar: Um halb acht in der Früh ist auf dem "Strip", der Prater-Hauptallee, die erste Lauf-Rushhour schon beinahe vorbei. Bekannte trifft man am Wiener Laufdorfplatz aber so gut wie sicher. Etwa Philipp Jelinek.

Der ORF-Morgenfernsehen-Fitnessexperte will TV-Österreich bis zum Vienna City Marathon (im April) marathonfit machen. Gemeinsam mit den Trainern Willi Lilge und Mario Mostböck. Und weil man mit dem Training für eine Langdistanz nicht erst eine Woche vor dem Event beginnt, dreht das dynamische Trio schon jetzt Clips und Beiträge übers richtige Laufen. Natürlich auf der PHA – auch weil man dort nie allein ist.

Foto: thomas rottenberg

Manchmal ist mir aber dann genau dieses Alleinsein wichtig. Insbesondere wenn ich nach ein paar nicht gerade tempofokussierten Wochen und Monaten ausprobieren will, was derzeit in meinem Universum "halbwegs schnell" ist: 18 Kilometer standen an diesem Morgen auf dem Plan.

Zwei zum Ein- und zwei zum Auslaufen – dazwischen 14 Kilometer zügig. So, wie ich derzeit beinand bin, will und brauche ich da niemanden in Ruf- oder Blickweite, der schon auf den ersten Blick sieht, wo meine technischen und sonstigen Fehler zu Hause sind.

Foto: thomas rottenberg

Ganz abgesehen davon können Ruhe und Stille hier viel. Dass die Friedenspagode am Donauufer einer meiner liebsten Orte in der Stadt ist, habe ich an dieser Stelle schon verraten. Auch dass die Morgenstunden hier einen ganz besonderen Zauber haben.

Der Moment, wenn die Sonne noch ganz flach über der Donau steht und den Buddha und den Stuppa zum ersten Mal an diesem Tag strahlend glänzen lässt, ist auch für wenig oder kaum spirituelle Menschen ein ziemlicher Hammer. Aber: Um halb acht Uhr morgens ist man dafür schon ein bisserl zu spät dran. Macht nix. Am Morgen hier vorbeizukommen ist ein gutes Omen dafür, dass der Tag gut weitergehen wird.

Foto: thomas rottenberg

Auch und gerade weil einen dann, wenn es frühmorgens durch den grünen Prater (Rehe! Reiher! Biber!) und über das Lusthaus zurück in die belebte Zivilisation der PHA geht, die Wirklichkeit zum Thema "schnell" recht rasch wieder einholt: Am 12. Oktober (oder im Laufe der Woche danach) wird Eliud Kipchoge hier versuchen, die Zwei-Stunden-Mauer über die Marathondistanz zu durchbrechen.

Die Vorbereitungen laufen seit Wochen auf Hochtouren und sind – etwa mit den Witzeleien zur in der Mitte markierten "Rettungsgasse" – "Talk of the (Lauf-)Town". Dass da in den kommenden Tagen noch einiges an PR-Druck nachkommen wird, ist klar. Nicht nur, weil da fast jeden Tag Video- und TV-Drehs unmittelbar mit Blick auf den Kipchoge-Zielbogen stattfinden. Morgensonne und Spätsommerflair liefern dafür natürlich das ideale Setting.

Foto: thomas rottenberg

An diesem Morgen "am Set": Eliteläufer Andreas Vojta und Vienna-City-Marathon-Organisationschef Gerhard Wehr werden von VCM-Pressesprecher Andreas Maier interviewt. (Der VCM ist der lokale Ausrichter des Kipchoge-Stunts.)

Foto: thomas rottenberg

Das Feine am Spätsommer ist, dass er meist länger hält, als Pessimisten wie ich stets befürchten. (Das war schon so, bevor der Klimawandel die Warmphasen verlängert hat.)

Dass dieses Wochenende dann noch einmal perfektes Spätsommer-Sportwetter bieten würde, hätte ich jedenfalls nicht zu hoffen gewagt. Sicher, der Wind war ein bissi heftig: Am Samstag hatten wir auf einer Radrunde die Donau hinauf beim Kraftwerk Greifenstein in eine Richtung mühelos und dauerhaft 45km/h geschafft – auf der Rückfahrt gegen den Wind mussten wir dann aber natürlich dafür bezahlen.

Foto: thomas rottenberg

Nur ist das, was man für die Mehrarbeit im Wind dann bekommt, auch ein Mehrwert, der beim Laufen das bisserl mehr an Mühe allemal wert ist: die Farben. Das Glitzern des Wassers. Die Luft.

Den Sonntags-Longjog legten wir deshalb als Sommerabschiedsrunde vom WLV-Platz beim Stadion aus (dort einen Spind nutzen zu können ist Gold wert) über die Tangentenbrücke und dann rund um die Alte Donau an.

Geplant wären zwei Stunden und ein bisserl was superlocker gewesen – aber es kam anders.

Foto: thomas rottenberg

Ich bin derzeit ja nur der Begleitläufer und habe heuer auch nix mehr auf dem Plan. Trotzdem so zu trainieren, als ginge es um etwas, macht mir aber Spaß. Das nicht allein zu tun, ist motivierend und doppelt fein. Erst recht, wenn man sportlich in etwa auf Augenhöhe unterwegs ist.

Was für mich dazukommt: Schönes wird schöner, wenn man es teilt – Laufrouten, die ich seit Jahren auswendig kenne, sehe ich in Begleitung dann plötzlich mit anderen, offeneren Augen.

Foto: thomas rottenberg

Die große Alte-Donau-Runde wurde es dann aber doch nicht. Das ist gut und richtig und vernünftig so: Niemand, der halbwegs bei Trost ist und bei dem oder der sich zwei Wochen vor dem wichtigsten Wettkampf der Saison eine kleine Verletzung plötzlich und leicht zurückmeldet, würde in Schmerz rein- oder gar drüberrennen: In der Tapering-Phase geht es nicht darum, mehr Kraft, Power und Energie aufzubauen (wenn das bis jetzt nicht passiert ist, hat man alles falsch gemacht), sondern zu verfestigen und zu konsolidieren.

Foto: thomas rottenberg

Wenn da plötzlich was zwickt, gilt also: Tempo und Intensität rausnehmen – und den geplanten Longjog (maximal) noch als mittellangen Genusslauf zu Ende führen. Also nicht ganz um die Alte Donau und durch den Wasserpark und dann noch über die Insel zurück, sondern die Abkürzung über den Birnersteg nehmen – und via Angelibad, Donaupark und Kaiserwasser zurück zur Tangentenbrücke. Auch wunderschön. Und wenn Wetter, Panorama und Details auf dem Weg vom Problem ablenken, ist das auch kein Schaden.

Foto: thomas rottenberg

Trotzdem wurden so aus geplanten 25 oder 27 Kilometern eben nur 16. Die dafür umso schöner – und mit genügend Zeit danach, um am WLV-PLatz ("auf Cricket", wie man früher sagte) dann noch in der Sonne zu sitzen und anderen – an diesem Tag den Fußballerinnen und Fußballern eines Bewerbes, bei dem ausschließlich Teams von Integrations-, Obdachlosen- und anderen Empowermentinitiativen spielten – beim Sportmachen zuzusehen.

Aber Fußball ist eine andere Geschichte.

Foto: thomas rottenberg

Epilog.

Die drei Läufe sind alles andere als Geheimrouten.

Dennoch: Falls sie jemand noch nicht kennt und Lust auf sie bekommen hat, gibt es hier die drei Tracks auf Garmin-Connect: (Thomas Rottenberg, 25.9.2019)

Wildon, 30k

Tempolauf zur Pagode, 18

Alte Donau, 16k

Weiterlesen:
Warum die Prater Hauptallee nur für einen Läufer renoviert wird

Foto: thomas rottenberg