Das Leben kleiner Babyboomer verlief auch am Wochenende äußerst arbeitsintensiv: hier ein geschundener Dreikäsehoch bei der mühsamen Marillenernte.

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Ob Sebastian Kurz als mediterraner Meidlinger zu gelten hat, oder doch als genuiner Spross des näher an der Polargrenze gelegenen Waldviertels: Unser rühriger Ex-Bundeskanzler lässt sich das Wunder seiner doppelten geographischen Herkunft von niemandem madig machen, schon gar nicht von politischen Mitbewerbern. Sein Fall gleicht einem anderen, der nur geringfügig unbedeutender ist. Seit bald über zwei Jahrtausenden streiten die Gemeinden von Nazareth und Betlehem um das Privileg, Jesus Christus als ihre Hervorbringung auszusehen.

Mir als Wiener Babyboomer mit einstigem Zweitwohnsitz im Weinviertel ist Kurz‘ Dilemma nur zu gut begreiflich. Die Schulpausenglocke war freitags zum letzten Mal verklungen, als mich die Eltern bereits übellaunig in ihr signalrotes Wirtschaftswunderauto stießen. Der Bungalow vor den Lößterrassen des Kreuttals wollte bewirtschaftet sein, ganz zu schweigen vom hektargroßen Garten.

Durch dicke Benzinschwaden

Ich erfuhr die Entwicklung der Lohnarbeit am eigenen Leibe, und zwar im Schnelldurchlauf. Von einfachen Verrichtungen, dem Zusammenrechen des Grasschnitts, arbeitete ich mich entschlossen hoch zum Aufklauben tennisballgroßer Marillen.

Ich lief unsicheren Schrittes durch die Schwaden stotternder Benzinmotoren. Ich zerstörte und dislozierte die Arbeit ungezählter Maulwurfsnächte. Schließlich verschränkte ich die Arme immer öfter vor der Brust. Keine Gartenarbeit ohne Entgelt! An mir, dem genuinen Spross der Kreisky-Ära, war ein besonders rühriger Vertreter der Gewerkschaftsbewegung verlorengegangen, Sektion "Fruchtfäule und Heckenschnitt".

Einmal per anno setzte es, wie im Leben aller Proletarier, eine wohlverdiente Belustigung. Jedes Frühjahr rückte die örtliche Freiwillige Feuerwehr an: Sie füllte unseren sachgemäß entleerten Swimmingpool mit frischem Nass. Die Florianijünger entrollten zu diesem Behuf einen ehrfurchtgebietend langen Schlauch. War das Wasser am Laufen, schlugen einige ihrer Übermütigsten auf dem Rasen in voller Behelmung Purzelbäume. Ihr Hauptmann trank tiefe Schlucke aus der Dopplerflasche. Es war Zeit für eine Rückkehr in die Stadt. (Ronald Pohl, 25.9.2015)