Foto: CCCA via ccca.ac.at/refnekp - Bewertung Parteipositionen, 2019

Inwieweit tragen die Wahlprogramme der einzelnen Parteien dazu bei, die Klimakrise einzudämmen? Mit wessen politischen Rezepten ist es möglich, die nationalen Klimaziele in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen? Das Pariser Abkommen sieht vor, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Levels zu begrenzen. Ein Konsortium führender österreichischer Wissenschafterinnen und Wissenschafter hat die Programme der Parteien unter diesen Gesichtspunkten bewertet und am Mittwoch das Ergebnis präsentiert. Man wolle damit den Wählerinnen und Wählern bei der Entscheidung helfen.

Aus Sicht der Wissenschaft haben die Parteiprogramme der Grünen und der Liste Jetzt das beste Potenzial, die Folgen der Klimakrise einzudämmen. Es folgen die Neos, die SPÖ, die ÖVP und mit Abstand die FPÖ. Beim Programm der Freiheitlichen sehen die Forscher in keinem einzigen Punkt das Potenzial, bei der Klimakrise gegenzusteuern.

Die Klimaexperten haben sich das Abschneiden der Parteien in unterschiedlichen Bereichen angesehen.
Quelle: CCCA via ccca.ac.at/refnekp - Bewertung Parteipositionen, 2019

Die Methode

Die Parteien wurden zunächst gebeten, ihre Vorschläge in einem einheitlichen Schema darzulegen. Anschließend haben die Wissenschafter die Antworten und Programme mit dem kürzlich von ihnen veröffentlichten Klimaplan ("Referenzplan als Grundlage für einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden Nationalen Energie- und Klimaplan für Österreich", kurz Ref-NEKP) verglichen. An diesem Referenzplan hatten mehr als siebzig Expertinnen und Experten österreichischer Universitäten und Forschungseinrichtungen aus dem Bereichen Klimaforschung, Ökonomie und Naturwissenschaften mitgearbeitet. Die Umsetzung dieses Plans würde es den Forschern zufolge möglich machen, dass Österreich auf den Pariser Klimazielweg einschwänkt.

In der aktuellen Bewertung der Parteiprogramme wurden sektorspezifische Maßnahmen und konkrete Rahmenbedingungen wie etwa Pläne zu einer klimagerechten ökosozialen Steuerreform oder ein Ausbau erneuerbarer Energien analysiert.

"Der Vergleich zeigt, dass es unter den österreichischen Parteien richtige Klimaschutzprofis gibt und einige ihre Programme zuletzt noch deutlich verbessert haben. Es liegen Vorschläge für ein ehrgeiziges und schlüssiges Konzept für zukunftsfähiges Wirtschaften ohne Fossilenergie am Tisch", sagt die am Projekt beteiligte Klimaökonomin Sigrid Stagl von der Wiener Wirtschaftsuniversität.

Die Visualisierung der Ergebnisse lässt wenig Zweifel aufkommen.
Quelle: CCCA via ccca.ac.at/refnekp - Bewertung Parteipositionen, 2019

Klimaforscher Gottfried Kirchengast, der das Projekt koordiniert hat, meint: "Wir wissen, dass es in allen Parteien Menschen gibt, denen das Klimathema und wirksame politische Maßnahmen ein großes Anliegen sind." Und die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb ergänzt: "Die Klimakrise erfordert politische Zusammenarbeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt – trotz der Unterschiede in den Wahlprogrammen. Es entspricht guter österreichischer Tradition, über politische Parteien hinweg zu kooperieren. Dies ist jetzt wieder besonders gefordert."

Österreichs Klimapläne bisher ungenügend

Die Mitgliedsstaaten der EU müssen bis Ende des Jahres einen finalen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) übermitteln, der Maßnahmen enthält, mit denen die jeweils nationalen Klima- und Energieziele für 2030 erreicht werden können. Ende 2018 hat Österreich den ersten Entwurf seines Plans übermittelt. Er wurde von der Europäischen Kommission im Sommer prompt als ungenügend beurteilt und zurückgewiesen – er entspricht schlicht nicht den Anforderungen der EU. Diese wiederum entsprechen nicht den Zielen von Paris, kritisieren Klimaschützer.

Der von den Wissenschaftern erstellte Referenzplan (Ref-NEKP), der auch bei der jetzigen Klimaprüfung die Basis bildete, sollte der Politik dabei helfen, ihren ungenügenden Klimaplan zu adaptieren.

An der Außenfront der Technischen Universität Wien prangt seit kurzem das Ergebnis der "Klimaprüfung".
Foto: Gärtner

"Taten, nicht Plakate"

Obwohl das Klima aktuell in aller Munde ist, geschehe auf nationaler wie internationaler Ebene immer noch viel zu wenig, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen, kommentieren Vertreter der Fridays for Future: "Klimaschutz aufs Wahlplakat zu schreiben reicht uns nicht. Wir messen die Politik an ihren Taten, nicht an ihren Wahlplakaten", sagt Adrian Hiss von FfF Wien. Alle Bürgerinnen und Bürger seien aufgerufen, sich das Wahlprogramm ihrer bevorzugten Partei besonders im Hinblick auf die enthaltenen Klimaschutzmaßnahmen anzuschauen.

Nachgebessert

Es ist nicht das erste Mal, dass die Parteiprogramme wissenschaftlich auf ihre Klimawirksamkeit hin überprüft werden: Bereits Mitte September wurden die Spitzenkandidaten der Parteien von FfF einer "Klimaprüfung" unterzogen. Damals hatte kein Programm ausreichend mit den Zielen von Paris übereingestimmt. Die Parteien hatten bis zum 20. September Zeit, nachzubessern und Änderungen vorzunehmen. "Es ist verrückt, dass wir vor einer nationalen Wahl stehen und keine der Parteien ein Programm hat, dessen Klimaschutzmaßnahmen ausreichen, um das Pariser Ziel einzuhalten", sagt Hiss. FfF-Vertreter fordern die Parteien auf, überparteilich und rasch zu handeln.

Schon Mitte September waren die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten zur "Klimaprüfung" angetreten. Nur die FPÖ "schwänzte" den Test.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Green Climate Fund: Österreich knausert

Klimaschützer kritisieren an der Klimapolitik der österreichischen Regierung aber nicht nur den unzureichenden Klimaplan: Auch Österreichs Beitrag zum Green Climate Fund sei viel zu niedrig. Dieser größte internationale Klimafonds ist das zentrale Finanzierungsinstrument des Pariser Abkommens. Seine Wiederauffüllung mit Geld durch die Mitgliedsstaaten war zentrales Thema beim UN-Klimagipfel in New York. "Die Erhöhung auf einen Betrag von nur 30 Millionen Euro ist in Anbetracht unserer historischen Emissionen verantwortungslos und zeugt von fehlender Solidarität mit der Weltgemeinschaft", kritisiert FfF. Es sei eine Absage an die Klimagerechtigkeit. Denn der Fonds unterstütze vor allem Länder des globalen Südens dabei, ihre Treibhausgase zu senken. "Treibhausgase kennen keine Grenzen. Es fällt letztlich auf Österreich zurück." Werden die Ziele nicht eingehalten, muss die Nation mit hohen wirtschaftlichen klimabedingten Folgeschäden rechnen. (Pia Gärnter, 25.9.2019)