"Die Flüsse wieder sauber zu bekommen war eine Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte. Im Prinzip sind viele Flüsse heute zwar sauber, aber ökologisch tot."

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Flüsse sollen Hochwasser aufnehmen und bei Dürre Wasser führen. Sie sollen grünen Strom produzieren und unsere Sehnsucht nach unberührter Natur stillen. Wie soll sich das in Klimawandelzeiten alles ausgehen? WWF-Experte Gerhard Egger fordert eine konsequente Ökologisierung.

Gerhard Egger (45) ist Leiter der Gewässerschutzabteilung der Naturschutzorganisation WWF in Wien.
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STANDARD: Wo sehen Sie die größten Klimagefahren für Flüsse?

Egger: Der Mensch hat mit dem Klimawandel Veränderungen der Temperatur und der Abflüsse ausgelöst. Durch die starke Verbauung nimmt man den Flüssen aber vielerorts die Fähigkeit, sich an diese Veränderungen anzupassen. Fische könnten etwa bei Bedarf in einen kühleren Gewässerabschnitt wechseln. Wenn aber durchschnittlich alle 900 Meter ein Querbauwerk das Wandern der Fische unterbindet, kommen sie in eine Zwickmühle.

STANDARD: In Österreich wurde viel reguliert. Man hat sich aber auch um gute Wasserqualität bemüht. Ist das kein Pluspunkt?

Egger: Die Flüsse wieder sauber zu bekommen war eine Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte. Im Prinzip sind viele Flüsse heute zwar sauber, aber ökologisch tot. 30.000 Kilometer wurden hart reguliert. Man hat sie begradigt und Auen und Feuchtgebiete entwässert. Das rächt sich heute bei Dürren und Trockenphasen.

STANDARD: Es wird heute mehr erneuerbare Energie benötigt. Ist es nicht verständlich, noch mehr auf Wasserkraft setzen zu wollen?

Egger: Der Ausbaugrad der Wasserkraft in Österreich ist schon sehr hoch. In der Photovoltaik nutzt man dagegen erst zwei Prozent des Potenzials. Viele Wasserkraftwerke entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik und sind ineffizient. Insofern sollten die alten Anlagen zuerst modernisiert und ökologisiert werden. Neubauten auf sensiblen und unberührten Strecken wären angesichts der Klimakrise kontraproduktiv.

STANDARD: Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie sollen Flüsse bis 2027 in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. Sind Sie mit dem Prozess zufrieden?

Egger: Die Wasserrahmenrichtlinie ist ein sehr gutes Instrument, um die Wassernutzung nachhaltig zu gestalten. Das trägt dazu bei, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Bei der Umsetzung gibt es aber enorme Defizite. 60 Prozent der Gewässer entsprechen noch nicht dem geforderten guten Zustand. Die veranschlagten Mittel für die Sanierungsprogramme wurden 2015 praktisch auf null gesetzt. Hier braucht es die entsprechenden Mittel.

STANDARD: Was halten Sie von den großen Renaturierungsprojekten der letzten Jahrzehnte?

Egger: Lech, Inn, March, Donau – das sind alles Leuchttürme der Renaturierung. Sie sind aber bei weitem nicht genug. Wir müssen raus aus diesem Pilotcharakter hin zu einer grundlegenden Verbesserung des Gewässermanagements. Eine Studie hat gezeigt, dass wir pro Jahr 40 Kilometer Flüsse wiederherstellen müssten, um am Ende des Jahrhunderts intakte Fließgewässer und Auen als Lebensraum und Wasserspeicher zu haben. Davon sind wir noch weit entfernt. (Alois Pumhösel, 25.9.2019)