Muss Lewis Hamilton (li.) wegen Ferraris Dominanz nach der Sommerpause doch noch um seinen WM-Titel fürchten?

Foto: APA/AFP/MIGUEL MEDINA

Sotschi – Auf dem Weg zu seinem sechsten Formel-1-Titel wird für Lewis Hamilton zwar kaum noch etwas schiefgehen, doch die Zeit der spielerischen Siege ist vorbei. Spätestens mit dem Triumph in Singapur durch Sebastian Vettel hat Ferrari die lange Zeit so heile Mercedes-Welt gehörig erschüttert und beim Branchenprimus für viel Kopfzerbrechen gesorgt.

"Sie sind wahnsinnig hungrig und geben absolut alles", sagte Hamilton vor dem nächsten Showdown am Sonntag (13.10 Uhr MESZ, live ORF 1, RTL und Sky) in Sotschi, wo auf dem 5,848 Kilometer langen Kurs mit 18 Kurven und 61 Prozent Vollgasanteil der 16. Saisonlauf gefahren wird. "Ihr Auto funktioniert jetzt sehr gut, und es wird in den nächsten Rennen sehr schwer, sie zu schlagen."

Der Grand Prix von Russland war aber bisher fest in Mercedes-Hand. Seit der Premiere in der Olympiastadt vor fünf Jahren gab es am Schwarzen Meer ausschließlich Erfolge der Silberpfeile. Dreimal der Brite Hamilton, einmal Valtteri Bottas, einmal Nico Rosberg – für Ferrari war bisher Platz zwei das Maximum in Sotschi. Den erkämpfte sich Vettel 2015 und 2017. Nun wollen der Deutsche und sein monegassischer Teamkollege Charles Leclerc der Scuderia den ersten Sieg im größten Land der Welt bescheren.

Ferraris Stärke auf Vollgasstrecken

"Sie liefern gerade sehr gut ab", meinte Hamilton, ergänzte aber: "Wir haben mit unserem Auto auch schon gewonnen." Nach der Sommerpause jedoch nicht mehr. Nun ist Ferrari die Nummer eins. Waren die Siege von Youngster Leclerc auf den Vollgasstrecken in Spa und Monza aufgrund des starken Motors erwartet worden, schockte Vettels erster Triumph seit über einem Jahr am Sonntag die Seriensieger. "Wir haben zu viele Fehler gemacht. Wir haben viele Möglichkeiten nicht genutzt, das ist uns bewusst", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach dem Singapur-Grand-Prix und sprach von einer "g'sunden Watschn" als Weckruf.

Schlaflose Nächte hatte der 47-jährige Wiener aber trotzdem nicht. "Wir haben es sehr falsch gemacht", betonte Wolff. Aber: "Schwierige Tage wie diese machen uns noch stärker." Ein schwaches Qualifying gepaart mit der falschen Strategie im Rennen sorgten dafür, dass Hamilton und Bottas chancenlos waren.

Hamiltons Polster

Trotzdem: Selbst wenn Hamilton in den verbleibenden sechs Rennen jeweils nur Dritter wird, kann er nicht mehr von der Spitze verdrängt werden. Im Optimalfall könnte er sogar schon im übernächsten Rennen in Japan als Weltmeister feststehen. Hamilton (296 Punkte) muss von Bottas (231) keine Gegenwehr fürchten, der erste Rivale Leclerc hat genau wie Max Verstappen im Red Bull (beide 200) einen enormen Rückstand. Und Vettel (194) liegt als Fünfter sogar schon mehr als 100 Punkte zurück.

Während bei Mercedes die Rollen der Nummer eins und zwei klar verteilt sind, ist bei Ferrari der Kampf in vollem Gang. "Sie nehmen sich gegenseitig Punkte weg, das ist gut für uns", bekräftigte Wolff. Das teaminterne Duell beim Dauerrivalen beobachte er mit großem Interesse. "Wenn zwei Alphatiere um die Positionen kämpfen, hat das immer das Potenzial für eine Rivalität – und eine Eskalation im Team", weiß Wolff nur zu gut aus der Zeit, als Hamilton noch Rosberg als Teamkollegen hatte. (APA, 25.9.2019)