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Das Weiße Haus hat ein Protokoll des Telefonats des amerikanischen Präsidenten mit dem ukrainischen Präsidenten veröffentlicht.

Foto: Reuters / JIM BOURG

Washington – US-Präsident Donald Trump hat in einem Telefongespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj Ermittlungen angeregt, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Das geht aus einer am Mittwoch vom Weißen Haus veröffentlichten Protokoll des Gesprächs vom 25. Juli hervor.

"Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten", sagte Trump, nachdem der Ukrainer die Frage amerikanischer Rüstungslieferungen angesprochen hatte. Selenskyj möge bitte mit William Barr, seinem Justizminister, und Rudy Giuliani, seinem persönlichen Anwalt, über Hunter Biden, den Sohn Joe Bidens, und dessen Vater sprechen. Es gebe viel Gerede über Bidens Sohn und darüber, dass Joe Biden die Strafverfolgung in der Ukraine gestoppt habe. Biden senior habe sich damit gebrüstet, dass er die Anklage gestoppt habe – "wenn Sie sich das mal ansehen könnten …".

Selenskyj sicherte Trump zu, dass der neue Staatsanwalt, der seine Arbeit im September aufnehmen werde, "zu 100 Prozent meine Person, mein Kandidat" sein werde, und "er oder sie wird sich die Situation ansehen". Dem veröffentlichten Protokoll zufolge erinnerte Trump Selenskyj mehrfach daran, was die USA nicht alles für die Ukraine getan hätten: "Wir haben viel Mühe und viel Zeit investiert", betonte der US-Präsident. "Viel mehr als die europäischen Staaten."

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Durch die Veröffentlichung des Protokolls bestätigen sich weitgehend jene Vorwürfe, die zuvor gegen Trump erhoben worden sind. Der US-Präsident steht im Verdacht, die Überweisung von US-Militärhilfe an die Ukraine mit dem Fall Biden verknüpft zu haben. Er soll also sein Amt und staatliche Gelder dafür genutzt haben, um seinem womöglich baldigen Gegner bei der Präsidentschaftswahl zu schaden. Der Demokrat Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, fühlte sich durch das veröffentlichte Protokoll an Mafiamethoden erinnert. Die Vorwürfe des Whistleblowers aus Geheimdienstkreisen seien "zutiefst beunruhigend" und "sehr glaubwürdig", sagte Schiff.

Mit den Vorwürfen des Whistleblowers befasste sich später der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Während Schiff von einem "schwerwiegenden Fehlverhalten" sprach, meinte das republikanische Ausschussmitglied Mike Conaway, er habe nichts erkennen können, was Trump belaste. "Ich habe nichts gesehen, was mich stört."

Untersuchungen für Impeachment

Bereits am Dienstagabend hatte Nancy Pelosi, die Nummer eins der Demokraten im Repräsentantenhaus, erste Schritte für eine Amtsenthebung des US-Präsidenten angekündigt. Die Abgeordnetenkammer wird demnach in sechs Ausschüssen offiziell mit Ermittlungen beginnen. Sie soll herausfinden, ob sich Trump der Hilfe einer fremden Macht bediente, um sich gegenüber einem potenziellen Kontrahenten im Wahlkampf des Jahres 2020 Vorteile zu verschaffen.

Als Pelosi ihren Entschluss in einer kurzen Fernsehansprache verkündete, war nichts mehr von früherer Skepsis zu spüren. Nichts mehr davon, dass gerade sie lange Zeit vor einem übereilten Impeachment-Anlauf gewarnt hatte – mit dem Argument, dass die Mehrheit der Wähler kein politisches Spektakel wolle, sondern von der Politik Beiträge zur Lösung ihrer Alltagsprobleme erwarte. In kompromisslosen Worten, vor der patriotischen Kulisse von sechs Sternenbannern, warf sie Trump nunmehr vor, seinen Amtseid, die nationale Sicherheit und die Integrität amerikanischer Wahlen verraten zu haben. "Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz." Es war die erste Attacke in einer Schlacht, die sich bis weit ins Wahljahr 2020 hinziehen könnte.

Nationale Sicherheit

Man müsse handeln, solange das Eisen noch heiß sei, habe die Grande Dame der Demokraten ihre Parteifreunde im Kongress zur Eile angehalten, berichten amerikanische Zeitungen. Man dürfe nicht zulassen, soll Pelosi gesagt haben, dass Trump das Ganze zu einer Petitesse herunterspiele, denn im Kern gehe es um die nationale Sicherheit der USA. Trump konterte, indem er ankündigte, die Abschrift des am 25. Juli geführten Telefonats mit Selenskyj freizugeben. "Sie werden sehen, dass es sich um ein sehr freundliches und absolut angemessenes Telefongespräch handelte", hatte er schon am Dienstag getwittert. Es habe weder Druck noch ein "Quid pro quo" gegeben.

Nach Veröffentlichung der Abschrift trat Trump vor die Presse, um seine Unschuld zu bekunden. "Sie werden sehen, dass es sich um einen 'nothing call' handelt, außer dass einige Leute sagen werden, 'Ich wusste nicht, dass Sie so freundlich sein können'", sagte er begleitet von Schelte für die Fake-News-Presse und Lob für die amerikanische Wirtschaft. Dass es sich bei dem nun veröffentlichen "Memorandum" nach Bekunden des Weißen Hauses nicht um ein Transkript, sondern um ein Erinnerungsprotokoll handelt, das nicht das gesamte 30-minütige Gespräch abbildet, ließ der US-Präsident bei seinen Anmerkungen unter den Tisch fallen.

Am Rande der Uno-Generalversammlung kam es am Mittwoch zu einem Treffen zwischen Trump und Selenskyj. Dabei stärkte der ukrainische Staatschef dem US-Präsident in der Debatte um das Telefonat den Rücken: "Das war ein gutes Telefonat, es war normal. Niemand hat Druck auf mich ausgeübt."

Am Rande der Uno-Generalversammlung kam es am Mittwoch zu einem Treffen zwischen Trump und Selenskyj

Kiew war gegen Veröffentlichung

Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen gegen eine Veröffentlichung des Protokolls argumentiert. Warum, wird schnell klar: Selenskyj, der mit dem Versprechen angetreten war, als wahrhaftige Stimme des Volkes zu regieren, kommt darin nicht sehr gut weg. Er scheint vielmehr das zu sagen, wovon er glaubt, Trump würde es gerne hören. Das könnte für sein Land auch unangenehme Folgen haben, was das Verhältnis zur EU betrifft. In einer Passage des Gespräches, in der Trump sagt, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron würden "nichts für die Ukraine tun", bestätigt Selenskyj Trump in seiner Meinung: "Sie haben nicht nur zu hundert, sondern zu tausend Prozent recht ... nach logischen Kriterien sollte die EU unser größter Partner sein, aber in der Realität sind es die USA."

Den Demokraten wiederum genügt nicht, dass man im Wortlaut nachlesen kann, was Trump und Selenskyj an jenem Julitag besprachen. Nach ihrem Willen soll das Weiße Haus auch die interne Beschwerde eines Whistleblowers veröffentlichen, eine Beschwerde, die die Lawine ins Rollen gebracht hat. Über den Anonymus wissen Außenstehende bisher nur, dass es sich um einen Mitarbeiter der Regierung handelt. Im August wandte er sich an den Generalinspekteur der Geheimdienste, um ein Fehlverhalten an der Staatsspitze zu melden. Ob es nur ein Telefonat war, das ihn Alarm schlagen ließ, oder ob er sich auf eine Serie von Gesprächen bezog, wo und warum er zum Ohrenzeugen wurde – das alles ist noch unklar. Wie Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, mitteilte, soll der Whistleblower nächste Woche vor dem Kongress aussagen.

Der Forderung der Demokraten soll das Weiße Haus inzwischen nachgekommen sein: Die amtliche Geheimhaltung des Dokuments sei am späten Mittwochabend (Ortszeit) aufgehoben worden, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen. Gleiches hatte zuvor auch der republikanische Abgeordnete Chris Stewart, der im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses sitzt, über Twitter kundgetan. "Ich ermuntere euch alle, das zu lesen", schrieb er dort. Dem CNN-Bericht zufolge könnte das Dokument bereits am Donnerstag veröffentlicht werden. Trump selbst hatte die Veröffentlichung am Mittwochabend angekündigt.

Politische Frage

Irgendwann hat das Justizkomitee des Hauses zu entscheiden, ob die Vorwürfe schwer genug wiegen, um die gesamte Parlamentskammer über ein Impeachment abstimmen zu lassen. Vieles spricht dafür, dass es so kommt. Seit der Kongresswahl im vergangenen November stellen die Demokraten die Mehrheit. Und dass es letztlich eine rein politische Frage ist, ob der Prozess hin zur Amtsenthebung in Gang gesetzt wird, hat der Ex-Präsident Gerald Ford einmal kurz und prägnant in Worte gefasst: Amtsenthebungswürdig sei, was immer eine Mehrheit des Repräsentantenhauses dafür halte.

Dann aber warten im Senat hohe Hürden, an denen bislang noch jedes Impeachment-Verfahren gescheitert ist, sowohl kurz nach dem Bürgerkrieg das gegen den damaligen Präsidenten Andrew Johnson als auch Ende der Neunziger das gegen Bill Clinton. Nur wenn sich eine Zweidrittelmehrheit der kleineren Kongresskammer gegen den Staatschef stellt, kann der tatsächlich seines Amtes enthoben werden. Es bedeutet, dass mindestens 20 republikanische Senatoren auf Distanz zum De-facto-Anführer ihrer Partei gehen müssten, was aus heutiger Sicht illusorisch erscheint. Zu eindeutig hält die Basis zu dem Trump, als dass es konservative Senatoren wagen würden, sich mit ihr anzulegen. Nur ist das eben, darauf gründen die Demokraten ihre Hoffnung, nicht viel mehr als eine Momentaufnahme. (Frank Herrmann aus New York, Noura Maan, red, APA, 25.9.2019)