1. Es gibt derzeit mehr Wahlärzte als Kassenärzte. Wie soll eine niederschwellige Gesundheitsversorgung sichergestellt werden?

Sebastian Kurz, ÖVP: Der Ärztemangel ist schon jetzt zu spüren. Die Zahl der Absolventen sowie Berufsanfänger sinkt. Wir setzen uns für zusätzliche Ausbildungsplätze und Anreize ein, um den Arztberuf zu attraktivieren. Ziel ist, dass eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung künftig gesichert ist.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Es braucht wieder mehr ÄrztInnen im Kassensystem, deshalb wollen wir als Anreiz ein Stipendiensystem für Ärzte und Ärztinnen, das sie für fünf Jahre an Österreich bindet. Das bedeutet aber auch, dass sie Kassenvertragsstellen oder Dienstposten annehmen müssen.

Norbert Hofer, FPÖ: Durch neue Kassenverträge, die eine bessere Abgeltung der ärztlichen Leistungen bieten. Dies soll die neue Österreichische Gesundheitskasse umsetzen. Dazu kommen die ab Oktober geltende Regelung, dass Ärzte Ärzte anstellen können, sowie der Ausbau der Primärversorgungszentren.

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Jungärzte wollen in Teams arbeiten. Der Ausbau der Primärversorgungsnetzwerke eignet sich, um sie aus den Spitälern in den niedergelassenen Bereich zu locken. Gleichzeitig sollen Mittel aus dem starken stationären Bereich in den niedergelassenen Bereich umgeschichtet werden.

Peter Pilz, Liste Jetzt: Kassenstellen für Allgemeinärzte müssen attraktiver werden: bessere Honorierung durch die Kasse, Bürokratieabbau und flexiblere Arbeitsmöglichkeiten. Es braucht positive Anreize, damit Jungärzte in Österreich gehalten werden. Die Zahl der Studienplätze soll erhöht werden.

Werner Kogler, Grüne: Ausbau der Primärversorgung und des Angebots an niedergelassenen ÄrztInnen mit Kassenverträgen. Der Weg zu niedergelassenen ÄrztInnen kann über ein Einschreibesystem Vorteile bringen und so den Weg in Ambulanzen oder zu WahlärztInnen weniger attraktiv machen.

Befragt man die Parteien zur Zukunft des österreichischen Gesundheitssystems, zeigen sie unterschiedliche Wege auf.
Foto: imago/Panthermedia
2. Wie können mehr Medizinstudierende dazu bewegt werden, Allgemeinmediziner zu werden?

Sebastian Kurz, ÖVP: Der Beruf des praktischen Kassenarztes ist für viele Absolventen nicht mehr attraktiv. Wir wollen eine bessere Anerkennung der Leistungen von Hausärzten in den Kassenverträgen und die Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin prüfen. Auch geplant sind Landarztstipendien.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Allgemeinmedizin muss attraktiver werden. Mehr Praktika in der Ausbildung, Anreize für Studierende, auf dem Land zu bleiben, Lehrstühle für Allgemeinmedizin, Unterstützungen für Praxisgründungen und zeitgemäße Honorare, aber auch bessere Arbeitsbedingungen mit weniger Bürokratie.

Norbert Hofer, FPÖ: Durch Stipendien im Medizinstudium sowie eine Erleichterung und finanzielle Förderung der Übernahme von Arztpraxen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Wir sind davon überzeugt, dass Teamarbeit, Netzwerke und Anstellungsmöglichkeiten auch im niedergelassenen Bereich zu mehr Attraktivität führen. Auch eine längere Lehrpraxis im Turnus könnte helfen.

Peter Pilz, Liste Jetzt: Insbesondere auf dem Land ist der Hausärztemangel akut. Hier könnten nach deutschem Vorbild Landarztstipendien eingeführt werden. Wer ein solches Stipendium bezieht, verpflichtet sich, einige Jahre in der jeweiligen Region zu praktizieren, und wird dafür finanziell belohnt.

Werner Kogler, Grüne: AllgemeinmedizinerInnen sind derzeit von hohen Einstiegsinvestitionen betroffen, die Mobilität verhindern. Der Beruf wird an Attraktivität gewinnen, wenn wir Arbeitsbedingungen und ein Arbeitsumfeld schaffen, in denen Arbeitszeiten nach Lebensphasen angepasst werden können.

3. Der Großteil der Menschen will zu Hause gepflegt werden. Wie kann Pflege nachhaltig und sozial gerecht organisiert werden?

Sebastian Kurz, ÖVP: Wir wollen eine "Pflege daheim"-Garantie. Dazu gehört die Erhöhung des Pflegegeldes mit stärkeren Anreizen für die Pflege daheim. Teile des Pflegegeldes soll von pflegenden Angehörigen bezogen werden können. Zudem wollen wir Kurzzeitpflege ausbauen und Pflegekarenz sicherstellen.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Wir wollen eine öffentliche Pflegegarantie mit einem steuerfinanzierten Pflegegarantiefonds. Es braucht regionale Pflegeservicestellen, die Betroffenen zur Seite stehen. Wir wollen Pflege- und Betreuungsangebote ausbauen und fordern einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz.

Norbert Hofer, FPÖ: Ausbau aller bedarfsgerechten Formen für Pflegebedürftige, auch Tagesbetreuung. Ausbau integrierter Versorgung unter Berücksichtigung der Verschränkung von Medizin und Pflege. Umsetzung der österreichischen Demenzstrategie. Bundesweite Harmonisierung bei mobilen Diensten.

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Grundsätzlich müssen endlich bundesweit einheitliche Standards geschaffen werden, um Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Zudem soll künftig stärker auf Prävention gesetzt werden, um Pflegebedürftigkeit im besten Fall zu verhindern und das Pflegesystem zu entlasten.

Peter Pilz, Liste Jetzt: Die 24-Stunden-Pflege wird derzeit von dubiosen Vereinen, die schlecht qualifizierte osteuropäische Pflegerinnen ausbeuten, kontrolliert. Unsere Alternative ist eine staatlich finanzierte 24-Stunden-Pflege.

Werner Kogler, Grüne: Die Grünen treten für Planungssicherheit in der Pflege über einen garantierten Pflegefonds ein. Die Attraktivität der Pflege zu Hause ergibt sich auch aus fehlenden anderen Angeboten wie etwa betreuten Wohngemeinschaften im bisherigen Wohnumfeld, die es in anderen Ländern gibt.

Auch beim Thema Pflege fundamental unterschiedliche Ansätze.
Foto: www.corn.at , Heribert CORN
4. Braucht es im Gesundheitswesen sowie im Pflegebereich eine Finanzierung aus einer Hand?

Sebastian Kurz, ÖVP: Die Fusion der Sozialversicherungsträger war ein Schritt in Richtung Leistungsharmonisierung. Wir wollen die Finanzierungsströme bündeln und weiter in Absprache mit den Ländern handeln. Pflege soll als fünfte Säule von der Sozialversicherung abgedeckt werden.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Im Gesundheitswesen ist die Finanzierung aus einer Hand schwieriger zu erreichen als im Pflegebereich. Wir wollen eine staatliche Pflegegarantie. Der Staat soll aus einem neu zu schaffenden steuerfinanzierten Pflegegarantiefonds alle Kosten für Pflege und Betreuung übernehmen.

Norbert Hofer, FPÖ: Dies soll durch einen Abbau der Akutbetten und eine Bündelung der Kompetenzen und Finanzströme im Gesundheitswesen erreicht werden. Dadurch würden wir jährlich bis zu 4,75 Milliarden Euro einsparen und damit Mittel für die Pflege freiwerden.

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Ja, wir treten für eine bundesweite Vereinheitlichung der derzeit sehr komplexen Pflegefinanzierung ein, die im Idealfall mit der Gesundheitsfinanzierung abgestimmt ist.

Peter Pilz, Liste Jetzt: Ja. Gesundheitswesen und Pflege sind bereits jetzt eng verzahnt. Sie funktionieren als gemeinsames System.

Werner Kogler, Grüne: Eine Finanzierung aus einem Topf erleichtert die Planung und erhöht die Flexibilität. Wir wollen keine Zentralisierung, sondern die Schaffung von Qualitätsstandards und die Bereitstellung von Mitteln für Verbesserungen, die regional umgesetzt werden können.

(Marie-Theres Egyed, 26.09.2019)