"Der Staat in mir" – er muss offenbar raus: David Kopp am Landestheater Vorarlberg.

Foto: anja koehler | andereart.de

Das Timing ist Zufall, aber es passt: Eine Woche vor der Nationalratswahl startet das Vorarlberger Landestheater Bregenz mit einer Art Demokratiestudie in die neue Spielzeit. Cold Songs: Rom ist Bereicherung und Überforderung zugleich: zwischen zwei Shakespeare-Dramen noch eine Uraufführung.

Ein Ruf nach Revolte

Weil es um uns, das Wahlvolk, geht, startet die Vorstellung draußen auf dem Vorplatz. Ein Bürger/innenchor ruft nach Revolte. Doch es folgt kein Sturm aufs Kapitol, die Machthaber beschwichtigen raffiniert. Sie sind nur darauf aus, ihre Privilegien zu erhalten. Der Prolog zu Shakespeares Coriolanus steht exemplarisch für den Abend: Das Volk lässt sich von Stimmungsmachern beeinflussen. Coriolanus will Konsul werden, aber nicht für das Volk, "das Saupack", sondern nur für sich selbst. Ein Spiegel wird uns vorgehalten: Fallen auch wir heute auf dreiste Populisten herein?

Zustand der Welt: egal

Dieser Spiegel wird in Julius Caesar, der dritten Premiere des Abends, wahrhaftig auf die Bühne geschoben. Brutus setzt zu seiner Verteidigungsrede an, Cassius blendet mit einem Spiegel ins Publikum. Regisseur Johannes Lepper inszeniert eine böse Politfarce in irrem Tempo.

Zwischen Shakespeares Römerdramen hat Intendantin Stephanie Gräve die Uraufführung Der ideale Staat in mir von Bettina Erasmy platziert. Das Auftragswerk spielt in einer dystopischen Zukunft. Der Influencer (David Kopp) erzählt lächelnd in strahlend weißer Welt, wie er seine Follower mit netten Spielchen unterhält und den Spiegel verhüllt. Er will aber mehr, sieht sich als Führer, gar als Gott. Der Zustand der Welt ist ihm egal. Der Autorin Erasmy gelingt ein kluger, unaufgeregter Kommentar zu heutigen Machtstrukturen, die sich ins Private verlagern. (Julia Nehmiz, 25.9.2019)