Die beiden Experten der Boku, Sarah Louise Nash und Reinhard Steurer, erwarten sich in ihrem Gastkommentar wenig vom Klimanotstandsbeschluss im Nationalrat.

Der Nationalrat ist also noch rechtzeitig vor der Wahl dem Aufruf von Fridays for Future sowie dem Beispiel anderer gefolgt und hat in einem Vier-Parteien-Beschluss die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Klimanotstand ausgerufen. Das ist ein passender Wahlkampfabschluss, denn alle Parteien waren über Monate mehr oder weniger bemüht, Klimaschutz als ernsthaftes Anliegen zu kommunizieren. 2008 war das übrigens schon einmal so, dann aber ereigneten sich zunächst die Finanz- und dann die "Flüchtlingskrise", die in Kombination eine verlorene Dekade der Klimapolitik mit sich brachten.

Interessant ist, dass die FPÖ als einzige Fraktion nicht mitgestimmt hat, obwohl Norbert Hofer eine Kehrtwende in der Klimapolitik angekündigt hat. Zur Erinnerung: Die FPÖ war unter Strache die einzige Partei in Österreich, die den von Menschen verursachten Klimawandel wiederholt bezweifelt hat. Sich auch von dieser unrühmlichen Vergangenheit klar zu distanzieren wurde hiermit verabsäumt.

Der Beschluss zum Klimanotstand ist zunächst aus mehreren Gründen zu begrüßen. Erstens schafft das Ausrufen des Klimanotstands Bewusstsein dafür, dass die menschliche Zivilisation auf eine noch zu verhindernde Katastrophe von globalem Ausmaß zusteuert. Das bestätigen übrigens nicht nur die üblichen Verdächtigen. Sogar das US-Verteidigungsministerium (vor Trump) und das eher wirtschaftlich orientierte World Economic Forum haben die Klimakrise als die größte Bedrohung unserer Zeit erkannt.

Zweitens ist der Beschluss auch semantisch relevant, denn er sollte helfen, die verharmlosende Bezeichnung "Klimawandel" endlich zu überwinden. Das Klima wandelt sich nicht einfach so wie es das immer getan hat, wir überhitzen es, und wenn wir nicht bald drastische Maßnahmen ergreifen, dann wird diese Überhitzung unkontrollierbar weitergehen. Drittens können Politiker immer wieder an diesen Beschluss erinnert werden, und das wird nötig sein. Doch welche Rolle wird der Klimanotstand in der österreichischen Politik der nächsten Jahre spielen? Das hängt stark vom Wahlausgang und den anschließenden Koalitionsverhandlungen ab. Eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ oder FPÖ wird aus zwei Gründen wohl bedeuten: Es ist zwar Klimanotstand, aber wir tun so weiter wie bisher.

Erstens hat Gerald John ("Klimakrise: Wie ÖVP, SPÖ und FPÖ die Wähler einlullen") richtig festgestellt, dass die drei Großparteien die Wähler bereits im Wahlkampf mit viel Rhetorik aber wenig Substanz "eingelullt" haben. Zweitens geben die SPÖ-ÖVP- bzw. ÖVP-FPÖ-Koalitionen seit den 1990er Jahren keinen Grund zur Annahme, dass sich der bisherige Kurs bald ändern wird. Möglicherweise wird ein neues Regierungsdokument zu Klima- und Energiefragen erarbeitet. Dieses wird dann Strategie oder Plan genannt, obwohl es eigentlich weder die eine noch die andere Bezeichnung verdient. Die Regierungsparteien wird das nicht daran hindern, trotzdem permanent darauf als Meilenstein ihrer Klimapolitik hinzuweisen. Aus diesem "Plan" werden dann ein paar neue Klimaschutz-Maßnahmen (unter anderem zum Ausbau des Ökostroms, ein Ziel aus dem Jahr 2017) hervorgehen, und statt Emissionen mit ausreichend wirksamen Maßnahmen (wie z.B. einer CO2-Abgabe) im Inland zu senken, werden wir uns wohl schon 2020, spätestens jedoch 2030 mit Zertifikaten vom Klimaschutz teils freikaufen.

100% Ökostrom allein wird das nicht verhindern können. So haben es sämtliche Bundesregierungen seit den 1990er Jahren gemacht, so hat Österreich das Kyoto-Ziel um fast 16% verfehlt: Zwischen 1990 und 2012 sind die Emissionen nicht um 13% gefallen, sondern um knapp 3% gestiegen. Der Beschluss zum Klimanotstand wird daran nichts ändern, denn es handelt sich um Symbolpolitik, die keine harten Maßnahmen vorsieht. Der Beschluss ist sogar so symbolisch, dass genau genommen nicht der "Klimanotstand", sondern der "Climate Emergency" ausgerufen wurde. Damit will der Nationalrat verhindern, dass tatsächlich Notfalls-Maßnahmen abgeleitet werden können.

Die Chance auf eine deutliche Kurskorrektur wäre besser, wenn ÖVP oder SPÖ mit einer oder zwei der Kleinparteien regieren würde. Nur diese hatten im Wahlkampf zum Beispiel den Mut, einen Preis auf CO2 zu fordern, wobei die Einnahmen in allen Modellen in der einen oder anderen Form an die Bürger zurückfließen sollen. Wenn der Nationalrat seinen heutigen Beschluss ernst nimmt, dann führt daran früher oder später kein Weg vorbei. Ohne Kostenwahrheit wird es nicht gelingen, auf fossile Energiequellen vollständig zu verzichten. Diese sind nämlich noch im Überfluss vorhanden und entsprechend billig. Von einem CO2-Preis abgesehen, könnte auch noch Dekarbonisierung bis 2050 als Staatsziel in der Verfassung verankert und das Klimaschutzgesetz entsprechend novelliert werden. Im Zuge dessen sollte auch die Transparenz sowie die Rolle der Wissenschaft in der Klimapolitik gestärkt werden.

Vom Wahlergebnis abgesehen, gibt es noch eine Möglichkeit, die alten Muster der Klimapolitik zu überwinden: Wenn Proteste und andere Formen des gesellschaftlichen Engagements weiter zunehmen, dann wird das wirksamer sein als die symbolische Erklärung zum "Climate Emergency". Dabei kann dann immer wieder an diesen Beschluss erinnert werden.

Unlängst demonstrierten Klimaaktivisten vor dem Stephansdom. Die Frage ist, ob die Politik nach dem Beschluss noch immer "pennt".
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

(Sarah Louise Nash, Reinhard Steurer, 26.9.2019)