Ist die Demokratie unangreifbar? Können Wähler auch irren?

Im Zusammenhang mit der wahrscheinlich bevorstehenden Wiederwahl von Donald Trump wird derzeit in den USA das 2016 erschienene Buch "Against Democracy" von Jason Brennan wieder viel und kontrovers diskutiert. Brennans These: Demokratie ist die Herrschaft der Ignoranten und der Irrationalen. Besser wäre eine "Epistokratie", eine Herrschaft der Wissenden.

Jason Brennan, Professor für Politikwissenschaften an der renommierten Georgetown-Universität in Washington, D.C., nimmt die Resultate demokratischer Wahlen im Laufe der Geschichte unter die Lupe. Er kommt zu dem Schluss, dass diese sehr oft keineswegs im Sinne des Gemeinwohls und der Interessen des Landes ausgefallen sind.

US-Präsident Donald Trump auf Wahlkampftour.
Foto: APA/AFP/NICHOLAS KAMM

Adolf Hitler kam infolge einer demokratischen Wahl an die Macht, in der seine Nationalsozialisten zur stärksten Partei wurden. Aus gegenwärtiger Perspektive könnte man hinzufügen: Auch Viktor Orbán wurde demokratisch gewählt. Matteo Salvini wurde aufgrund einer demokratischen Wahl zum populärsten Politiker Italiens. Der Brexit wurde demokratisch beschlossen.

Hätten die "Wissenden", also diejenigen, die mehr über Politik und deren Folgen wussten, anders entschieden? Sind Gebildete die besseren Demokraten? Bevor in Österreich vor hundert Jahren das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde, durften in den meisten Ländern, in denen überhaupt gewählt wurde, nicht alle ihre Stimmen abgeben. Nur Männer, nur Wohlhabende, nur Gebildete. Kaiser Joseph II., der große "Aufklärer von oben", erklärte, noch unter dem Eindruck der Französischen Revolution, der seine Schwester zum Opfer gefallen war: Alles für das Volk. Nichts durch das Volk.

Hobbits, Hooligans und Vulcans

Wer nichts weiß und nichts versteht, lässt sich eher von Vorurteilen und Fake-News leiten und ist leichter manipulierbar, findet Jason Brennan. Zahllose Wähler in den USA hätten keine Ahnung davon, wie Politik funktioniere und was sie mit ihrer Stimme bewirkten. Der Autor von "Against Democracy" teilt die Wahlberechtigten in Hobbits, Hooligans und Vulcans ein.

Hobbits sind Menschen, die sich im Grunde für nichts außer ihrer unmittelbaren Umgebung interessieren. Hooligans folgen dem Wettkampf der Parteien nur so, wie sie als Fußballfans dem Spiel ihrer Lieblingsmannschaft zuschauen. Bleiben nur noch die Vulcans.

Aber wenn nur die Gebildeten, die Wohlhabenden und Privilegierten wählen dürften, wurde ihm entgegnet, würde dann nicht nur im Sinne der Reichen entschieden und die armen Teufel blieben auf der Strecke? Nein, sagt Professor Brennan. Wenn man die "unteren" 80 Prozent der weißen Wähler in den USA ausschlösse, wäre das vermutlich genau das, was die armen Schwarzen brauchten.

Und das Fazit? Ja, die Demokratie ist angreifbar. Ja, die Mehrheit der Wähler kann auch irren. Aber letzten Endes können sich die meisten Menschen dennoch auf den berühmten Ausspruch von Winston Churchill einigen: Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – mit Ausnahme aller anderen Regierungsformen, die man im Laufe der Zeit schon ausprobiert hat. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 25.9.2019)