Wirklich überraschend ist der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC natürlich nicht. Er fasst nur auf fast 1200 Seiten zusammen, was zahlreiche wissenschaftliche Studien schon seit mehreren Jahren belegen: Der Meeresspiegel steigt an, die Ozeane versauern, Gletscher schmelzen und gehen weltweit deutlich zurück. Schließlich drohen bis zum Jahr 2100 zwischen 30 und 99 Prozent der Permafrostböden aufzutauen, was Treibhausgase, die darin gespeichert sind, freisetzt und die Erderwärmung noch verstärkt.

Der Planet steckt also in einem unendlichen Teufelskreis, wie es scheint. Und der Mensch als zentraler Verursacher desselben tut so, als wäre es nicht sein Vergehen: Nicht anders kann man die pikierten und zynischen Reaktionen auf die Wutrede der 16-jährigen Klimaaktivistin Greta Thunberg und auf ihre Klage wegen der Verletzung der Kinderrechte werten. Ist doch wirklich unfair, hier Länder wie Frankreich oder Deutschland zur Rechenschaft ziehen zu wollen, die besonders viel für den aktiven Klimaschutz tun. Oder?

Nicht zu überbietende Dramatik

Allein der Anstieg des Meeresspiegels wird im IPCC-Bericht mit Zahlen belegt, die an Dramatik nicht zu überbieten sind: Würde die Erde nur um zwei Grad Celsius wärmer werden, könnten Landgebiete überflutet werden, auf denen derzeit etwa 280 Millionen Menschen leben. Das ist etwa die Bevölkerung von Österreich, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen. Freilich bewegen wir uns auf ein Plus von drei bis vier Grad Celsius zu, wodurch wohl mehr Menschen nicht mehr leben dort könnten, wo sie heute ihr Zuhause haben. Wollen wir uns vielleicht kurz vor dem geistigen Auge überlegen, was das bedeuten würde? Das wollen wir nicht, oder?

Durch den Gletscherrückgang wird die Wasserqualität reduziert.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Natürlich ist es begrüßenswert, dass im aktuellen IPCC-Bericht erstmals ein eigenes Kapitel den Gebirgen gewidmet wurde. Die Gletscherschmelze betrifft, wie der Klimaforscher und IPCC-Mitautor Georg Kaser von der Uni Innsbruck sagt, zunächst kleinere Gebirge wie die Alpen – also auch Österreich. Dass der Gletscherrückgang die Wasserqualität reduziert, wie der Weltklimarat schreibt, könnte die diesbezüglich verwöhnten Österreicher vielleicht wachrütteln. Vielleicht denken sie dann ja ein wenig mehr über die Welt nach, in der wir leben, wenn sie beim nächsten Mal den Wasserhahn aufdrehen. Aber der Klimawandel hat ja nichts mit ihnen zu tun, oder?

Die nächsten Maßnahmen sollte die Politik treffen, und sie sind überfällig. Die Zivilgesellschaft hat dank Greta Thunberg und zweier extrem heißer Sommer in Mitteleuropa den Anfang gemacht, die wissenschaftliche Evidenz in Aktivismus umzusetzen. Das kann nicht alles gewesen sein. Wenn man sich aber in Vorwahlzeiten hierzulande oder in den USA die Stellungnahmen vieler konservativer und rechter Politiker durchliest, könnte einem angesichts so deutlich bewiesener Ignoranz gegenüber dem Klimawandel schaudern. Oder? (Peter Illetschko, 25.9.2019)