Darf's ein Eis auf Mehlwurmbasis sein? Auch wenn das viele ekeln mag – Insekten kursieren längst als ernstzunehmende Proteinquelle für eine nachhaltige Ernährung der Zukunft. Nicht nur als Lebensmittel, sondern auch Futtermittel, alternativ zu importiertem Soja. Wie das in der Praxis funktionieren kann, erforscht seit Ende letzten Jahres ein interdisziplinäres Team im Projekt "Sustainable Proteins: Integrierte Insekten-Innovationen entlang der Food Chain". Forscher der Grazer FH Joanneum, die das Projekt leiten, arbeiten mit der Uni Graz, der niederländischen Uni Wageningen und der Grazer Firma Hygienicum daran, die Insektenwertschöpfungskette von der Zucht bis zur Markteinführung auf die Probe zu stellen. Mehrere Unternehmen haben angekündigt, mit den Forschern kooperieren zu wollen. Das Projektvolumen beträgt rund eine Million Euro – 70 Prozent kommen vom Programm Coin (Cooperation and Innovation), konkret von der Schiene "Aufbau".

Regionale Kooperation

Das Projekt ist eines von 13, die in der Ausschreibung 2018 einen Förderzuschlag bekamen. Es könnten die letzten gewesen sein – das Coin-Aufbau-Programm steht auf der Kippe. Eine bereits mit der Forschungsförderungsagentur FFG ausgearbeitete Ausschreibung liegt derzeit im zuständigen Wirtschaftsministerium auf Eis. "Endlich grünes Licht für eine gesicherte Fortführung und den Ausbau des Forschungsförderprogramms" forderten kürzlich die Fachhochschulkonferenz (FHK) und die Austrian Cooperative Research (ACR), eine Plattform für kooperative KMU-Forschung.

"Wenn es das Programm in der Form nicht mehr gibt, haben die Fachhochschulen viel weniger Möglichkeiten, in der Region mit Unternehmen zu kooperieren und so die Forschungsleistungen an den Mann und an die Frau zu bringen. Dann sind wir abgeschnitten", sagte Kurt Koleznik, Generalsekretär der FHK, im Gespräch mit dem STANDARD.

Coin richtet sich mit der expliziten Aufforderung gezielt an außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen, mit anderen Einrichtungen und Firmen zu kooperieren. Die Bandbreite der Themen ist groß: Heuer wurden Projekte gefördert, die sich mit Gebäudetechnik, Demenz-Früherkennung genauso wie mit Virtual Reality beschäftigen. Nach zwei Jahren der bis zu fünf Jahre möglichen Förderdauer müssen Aufträge in der Höhe von mindestens zehn Prozent des Projektvolumens nachgewiesen werden. Deshalb rege Coin Unternehmen an, sich an Forschungsaktivitäten zu beteiligen, um daraus Innovationen zu generieren. Es wäre "fatal für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Österreich", würde man genau hier den Sparstift ansetzen, sagen Koleznik und ACR-Geschäftsführerin Sonja Sheikh.

Vermehrt nachgefragt

Für den Erfolg des Programms sprechen die Zahlen: Seit 2008 wurden laut FFG in sieben Ausschreibungen 451 Projekte beantragt. Obwohl ein Drittel bis zu einer Hälfte der eingereichten Anträge aus Sicht der Bewertungsjury als förderwürdig eingestuft wurden, konnte nur weniger als ein Viertel, nämlich 107 Projekte, mit rund 69 Millionen Euro gefördert werden. Rund zwei Drittel der Fördermittel wurden von Fachhochschulen eingeworben. "Die Ergebnisse mehrerer Evaluierungen sowie die Empfehlungen des Rats für Forschung und Technologieentwicklung bestätigen die positive Wirkung von Coin-Aufbau. Auch die Nachfrage in diesem Förderformat ist gleichbleibend hoch", betonen die FFG-Geschäftsführer Henrietta Egerth und Klaus Pseiner.

"Coin-Aufbau ist mit Abstand das wichtigste Forschungsförderprogramm für Fachhochschulen", sagt Roswitha Wiedenhofer, an der FH Joanneum für Forschungsorganisation zuständig. Eine aktuelle FFG-Förderstatistik bestätigt das: Rund 18,7 Millionen Euro konnten die FHs seit 2014 aus Coin lukrieren – mehr als aus jedem anderen FFG-Programm. "Wenn es wegfällt, trifft das den Sektor an der strategischen Wurzel der Entwickelbarkeit von F&E."

Die "Aufbau"-Programmlinie dient ganz konkret dazu, Forschungsgeräte anzukaufen und Fachpersonal zu bezahlen, um erste Kompetenzen aufzubauen, die später ihren Weg in den Markt finden sollen. Weil die Ausschreibung themenoffen sei, ermögliche es die Aufbau-Schiene auch kleineren, weniger F&E-affinen FHs, "auf der grünen Wiese" zu beginnen und in Forschungsinfrastruktur zu investieren, sagt Wiedenhofer. "Wir haben keine Alternative. Es gibt keinen anderen Topf, wo die FHs eine vergleichbare Chance haben." Die positive Wirkung zeige sich auch darin, dass viele FH-Projekte erst durch Coin-Aufbau Anschluss an Exzellenzprogramme finden.

Ausrichtung auf Digitalisierung?

Nach elf Jahren sei es an der Zeit zu prüfen, ob das Programm noch dem Zeitgeist und den aktuellen Anforderungen entspreche und ob die vorhandenen Mittel für die FHs besser eingesetzt werden könnten, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Derzeit werde die Programmlinie intern evaluiert, eine Entscheidung soll bis Mitte Oktober fallen.

Angedacht ist eine Umschichtung der Fördermittel in Richtung Beforschung von digitaler Transformation von KMUs, bestätigt Ministeriumssprecher Felix Lamezan-Salins entsprechende Vermutungen. Eine derartige Schwerpunktsetzung sei auch der derzeitigen Struktur des Ressorts (mit vollem Namen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) geschuldet. "Die FHs sollen weiter profitieren", betont Lamezan-Salins.

Bei den Betroffenen herrscht dennoch Unverständnis. Es habe bereits eine Reihe externer Evaluierungen gegeben, mehrfach wurde eine Anhebung des Fördervolumens empfohlen. FHK-Generalsekretär Kurt Koleznik warnt davor, die Aufbau-Schiene dem "Digitalisierungshype" zu opfern. "Gerade kleine Start-ups und Handelsbetriebe haben nicht unbedingt ein Digitalisierungsproblem, sondern sind auf Forschungsleistungen in Bereichen wie Materialwissenschaft, Tribologie oder Logistik angewiesen." Wenn man von dem Programm weggehen wolle, könne das jedenfalls nicht an mangelndem Erfolg liegen. (Karin Krichmayr, 29.9.2019)