Neu entwickelte Medikamente sind immer öfter extrem teuer. Dies stellt Gesundheitssysteme vor neue Herausforderungen.

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Wien – Die Entwicklung von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen ist teuer. Da diese nur bei wenigen Patienten eingesetzt werden, sind die Preise sehr hoch – so die Argumentation der Pharmabranche. Wiener Forscher zeigen nun aber, dass die Entwicklungen teils mit öffentlichem Geld in Millionenhöhe gefördert werden, trotzdem aber hohe Preise verlangt werden. Die Wissenschafter fordern mehr Transparenz.

Eine Behandlung mit dem Medikament Nusinersen (Handelsname: Spinraza) beschere dem Hersteller "Umsätze in Millionenhöhe pro Patient", wie es vonseiten des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Technology Assessment (LBI-HTA) heißt. Die Gabe des Mittels gegen Spinale Muskelatrophie (SMA) – eine seltene vererbte Erkrankung, die bei Kindern Muskelschwäche hervorruft – schlägt laut US-Angaben im ersten Behandlungsjahr mit 750.000 Dollar (rund 680.000 Euro) und in der Folge mit etwa der Hälfte pro Jahr zu Buche.

Wissenschafter um die Leiterin des LBI-HTA, Claudia Wild, haben für ihren HTA-Bericht eine aufwendige, mehrstufige Suchmethodik entwickelt, mit der sie in einer Vielzahl an Datenbanken nach öffentlichen und privat-philanthropischen Einrichtungen suchten, die die Entwicklung eines Medikaments gefördert haben. Angewandt haben sie diese Methode an drei ausgewählten Arzneimitteln. Konkret handelte es sich um die sogenannten pädiatrischen Orphan Drugs Spinraza (Wirkstoff Nusinersen), Brineura (Wirkstoff Cerliponase alfa) und Crysvita (Wirkstoff Burosumab), die 2017 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen wurden. Mehr als "40 öffentlich sowie philanthropisch geförderte Projekte" mit einer Förderhöhe von 165 Millionen Euro konnten die Forscher im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung zu SMA in ihrem Bericht nachweisen. Davon waren 20 Millionen Euro direkt auf Nusinersen zurückzuführen.

Öffentliche Vorfinanzierung

Ein ähnliches Bild zeigte sich auch beim Medikament Brineura (Cerliponase alfa), das bei einer Erbkrankheit von Kindern eingesetzt wird, die zu fortschreitenden Hirnschäden führt. Hier errechneten die HTA-Forscher produktbezogene öffentliche und private Förderungen von 31 Millionen Euro. Die Forscher kritisieren allerdings, dass das Bild über Förderungen bei der Entstehung der drei Medikamente lückenhaft bleibt. So konnten für die Entdeckung und Entwicklung von Cerliponase alfa zwar über 20 öffentlich oder philanthropisch finanzierte Projekte gefunden werden – doch deren Fördersummen waren oftmals nicht festzustellen.

Das dritte Präparat, das in der Analyse berücksichtigte wurde, war Burosumab (Handelsname: Crysvita), das bei einer seltenen Erkrankung von Kindern zum Einsatz kommt, die Knochen schwächen und zu lebenslangen körperlichen Behinderungen führen kann. Hier wurden vor allem Grundlagenforschungsprojekte mit einem Fördervolumen von 26 Millionen Euro identifiziert.

Förderungen "wurden zu unterschiedlichen Stadien der Entdeckung und Entwicklung des Medikaments aus öffentlichen oder philanthropen Quellen bereitgestellt. Verkauft werden alle drei Medikamente durch Pharmaunternehmen", sagt Wild. Hier handle es sich um eine durchaus gängige Praxis, die aber oft nicht gerne gehört werde. Es gebe bereits weitere erste Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass mehr oder weniger alle zugelassenen Medikamente in hohem Ausmaß öffentlich vorfinanziert sind, betont die Studienleiterin.

Viel Geld, wenig Transparenz

"Die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung werden von den Herstellern oft als Grund für hohe Medikamentenkosten angegeben, daher erscheint Transparenz über öffentliche Forschungsförderbeteiligungen sehr wichtig. Genau die ist aber nicht gegeben", kritisiert Claudia Wild. Die Expertin weist darauf hin, dass besonders die meist die öffentlich und philanthropisch finanzierte Grundlagenforschung die Basis für die Medikamente darstellt.

Insgesamt lasse sich ein Trend dahin gehend feststellen, dass neue Medikamente immer öfter zu sehr hohen Preisen auf den Markt kommen. Auch die OECD, Ärzte ohne Grenzen und die Weltgesundheitsorganisation WHO warnten bereits vor Einschränkungen zum Zugang zu Medikamenten und forderten die Offenlegung der Preisbildung, um die hohen Preise für neue Arzneimittel nachvollziehbar darzustellen. Trotz aller Einschränkungen könne man mit der neuen Methode den Einsatz staatlicher und philanthropischer Mittel besser nachvollziehen, was einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über öffentliche Renditen aufgrund öffentlicher Investitionen liefere. (APA, red, 26.9.2019)