Zigtausende Euro an Spesen im Monat stehen im Raum, verrechnet vom Ex-Obmann der Partei für die kleinen Leute – für Mietzuschüsse, Kleidung, Fahrer, et cetera. Auch wenn Heinz-Christian Strache die Vorwürfe zurückweist und für ihn die Unschuldsvermutung gilt: Drohen den Freiheitlichen wegen der jüngsten Causa weitere Verluste am Wahlsonntag?

Ex-FPÖ-Chef Strache mit seinem Nachfolger Hofer beim blauen Oktoberfest am 19. September: Trotz neuer Affäre hält man zumindest bis zum Wahlsonntag noch fest zusammen.
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Trotz Straches offenbar üppigen Lebensstils womöglich auf Kosten der Steuerzahler sieht Politologe Peter Filzmaier auf die FPÖ nur Wählerverschiebungen "in geringem Ausmaß" zukommen. Schon das Auffliegen der Causa Ibiza kurz vor der EU-Wahl habe gezeigt, dass sich ihre eingefleischten Wähler selbst von auf Video gebannten Skandalen nicht abschrecken ließen: Die Partei streifte im Mai 17 Prozent ein.

In der Wahlforschung, erklärt Filzmaier, gelte die Faustregel, dass Ereignisse etwa zehn Tage vor einer Wahl sickern müssen, ehe sie größere Effekte erzeugen können. Daran habe auch das beschleunigte Social Media-Zeitalter wenig geändert, dass Botschaften über oder von Parteien zuerst öffentlich, dann privat diskutiert und reflektiert werden, bevor eine signifikante Zahl an Wahlberechtigten daraus Konsequenzen in der Wahlzelle zieht. Als so gut wie sicher gilt daher, hält der Politologe fest, dass sich auch nach dem 29. September eine Mehrheit für Türkis-Blau "weit über 50 Prozent" ausgeht.

Altlast bei neuem Koalitionspakt

Doch danach fangen für den neuen FPÖ-Chef Norbert Hofer die Probleme an, prophezeit der Fachmann, denn: Wolle er mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen treten, werde "der ungeklärte Fall Strache" zum permanenten "Störfaktor" – und als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Türkis müsse er den Altparteichef wohl endgültig loswerden. Um vorerst nicht weitere Wähler zu verunsichern, halte Hofer, der bisher offiziell "ein kriminelles Netzwerk" hinter den jüngsten Veröffentlichungen rund um Strache ausmacht, noch bis Sonntag "den Deckel drauf".

Auch Politexperte Thomas Hofer weist darauf hin, dass bis dato keine empirisch gesicherten Daten vorliegen, wie sich die Spesenaffäre auf den Gemütszustand der FPÖ-Klientel auswirkt, aber: Er hält es für möglich, dass die Angelegenheit – wenn auch nicht "bei den HC-Hardcore-Fans" – einen "demobilisierenden Effekt" hat, sodass doch nicht wenige Blau-Wähler ins Lager der Nichtwähler wechseln.

Deswegen beschwöre FPÖ-Chef Hofer nun vorerst die Opferrolle unter dem Motto "Sie sind gegen uns!". Und auch Experte Hofer meint: Die Parteispitze versuche sich so "über den Wahltag zu hinwegzuretten" – ehe es zu einem Bruch mit Strache kommen könne. (Nina Weißensteiner, 26.9.2019)