Im Khalifa International Stadium beginnt am Freitag die 17. Leichtathletik-WM. Die Arena soll auf 25 Grad heruntergekühlt werden. Doch in den Aufwärmbereichen wird es richtig heiß.

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Sportdirektor Högler ist ein großer Tüftler vor dem Herrn.

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Cooles Lächeln, coole Weste. Lukas Weißhaidinger zeigte kürzlich in der Südstadt die Pads her, von denen er sich in Doha viel verspricht.

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Wer hat's erfunden? Ein Schweizer, eh klar. Wobei Viktor Röthlin, vor etwa zehn Jahren einer der besten Marathonläufer der Welt, eher durch Zufall darauf gekommen ist, wie sich sportliche Leistung bei Hitze durch wohlüberlegte Kühlung des Körpers im richtigen Moment optimieren lässt. Röthlin war nebenbei schon als Physiotherapeut tätig, als er in einem Spital quasi über Kühlpflaster stolperte. Sie werden in der Medizin eingesetzt, um die Körpertemperatur eines Patienten zu senken, nach einem Hitzschlag etwa oder bei Herzstillstand.

Röthlin, der als EM-Zweiter 2006 (Göteborg) und WM-Dritter 2007 (Osaka) erste Erfolge feierte und als Olympiasechster 2008 (Peking) bester Nichtafrikaner war, begann selbst mit Cooling-Pads zu experimentieren. Bei der EM 2010 in Barcelona gelang ihm, auch dank Thermoregulation, "das perfekte Rennen". In der letzten Stunde vor dem Start hatte er sich Pads auf den Oberkörper geklebt, das half ihm im Rennen. Er lief sozusagen später als die Konkurrenten heiß und feierte einen überlegenen Sieg. "Erstaunlicherweise war ich der einzige Athlet, der sich im Vorfeld dazu Gedanken gemacht hatte. Dabei war doch ziemlich klar, dass es am 1. August in Barcelona sehr heiß werden könnte."

Eher keine neue Eiszeit

Mittlerweile macht sich die halbe Leichtathletik-Welt Gedanken darüber, wie man Hitze beikommen kann. Schließlich droht auf dieser Welt eher keine neue Eiszeit, dazu kommt noch, dass großen Sportverbänden ihr Kontostand wichtiger ist als ihr ökologischer Fußabdruck und, wie Kritiker meinen, wichtiger als die Gesundheit ihrer Protagonisten. Bei der heute, Freitag, also in der katarischen Hauptstadt Doha beginnenden WM herrschen tagsüber um die 40 und nächtens noch 30 Grad. Selbst in den Marathonläufen, die bei Damen und Herren absurderweise jeweils um Mitternacht beginnen, werden, nun ja, Hitzeschlachten und Ausscheidungsrennen erwartet.

Doch auch für die anderen Athleten kann der Umgang mit den äußeren Bedingungen den Ausschlag geben, davon ist nicht nur Gregor Högler überzeugt. Der Sportdirektor des österreichischen Verbands ist ein großer Tüftler vor dem Herrn, er setzt sich seit geraumer Zeit mit dem Thema Hitze auseinander. Die EM 2018 in Berlin bei drückender Hitze war Testlauf für Doha, das wiederum Testlauf für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio ist, wo ebenfalls extreme Temperaturen zu erwarten sind, hohe Luftfeuchtigkeit kommt da wie dort noch dazu.

Högler sagt, er würde eine, wenn auch kurze, "Kühlkette installieren". Diese Kühlkette beginnt einige Stunden vor einem Bewerb im Athletenhotel mit spezieller Kleidung, die gekühlt werden kann. Högler hat für die vier Österreicherinnen und zwei Österreicher, deren WM-Bewerbe sich ja auf verschiedene Tage verteilen, "vier Hosen mit, die sich aber auch zu Westen umfunktionieren lassen". Geholfen hat dem ÖLV die in Doha beispielsweise im U-Bahn-, aber auch im Stadionbau umtriebige Firma Strabag, die Högler eine Gefriertruhe ins Hotelzimmer stellte.

Die zweite und auch schon letzte Station der Kühlkette ist das Khalifa International Stadium. Es soll zwar, obwohl es kein Dach hat, auf 25 Grad heruntergekühlt werden, doch in den diversen Aufwärmbereichen ist sehr wohl mit 40 Grad und mehr zu rechnen. Hier setzt Högler auf die vom österreichischen Start-up Emcools entwickelten Pads. Diese werden in Westen getragen, können aber auch in speziellen Wearables für Oberschenkel, Unterschenkel und die Stirn zum Einsatz kommen.

Die Pads bestehen aus einer speziellen TPU-Folie, diese ist mehrschichtig, hautverträglich und latexfrei. Die Kühlmasse ist keineswegs schlichtes Eis, sondern eine patentierte Mischung aus Grafit und Wasser. "Auf der Haut werden sieben bis neun Grad Celsius erreicht", erklärt Benjamin Rauscher von Emcools. Er spricht von einem "mobilen System", schließlich werden die Pads in einem mittelgroßen Spezialrucksack transportiert, so bleiben sie quasi auch unterwegs bis zu 24 Stunden lang verfügbar. Ziel von Emcools ist es, bald einen eigenen Onlineshop zu eröffnen, derzeit sind die Produkte über Amazon zu beziehen. Man ist recht schnell auf den Markt gekommen. "Das Produkt ist gut, und der Zeitpunkt ist richtig", sagt Rauscher. Er denkt nicht nur an Leichtathletik, sondern auch an Fußball und also an die WM 2022, die ebenfalls in Katar über die Bühne gehen wird.

Die größere Zielgruppe

Der Spitzensport generell wird keinen reißenden Absatz garantieren, er kann nur das Vehikel sein. Am Ende sollen Hobbyisten wie semiprofessionelle Triathleten, Rennradler, Mountainbiker und Läufer überreißen, wie cool sie wirklich sein können. "Wir bieten ein Produkt an, das sich mit dem herkömmlichen Gelpackerl nicht vergleichen lässt", sagt Rauscher. "Aber wir sind noch in den Startlöchern."

Das gilt jedenfalls in Doha auch für den Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger, der von Högler trainiert wird. Der Oberösterreicher tritt als EM-Dritter und Nummer drei der Weltrangliste mit Medaillenhoffnung zur Qualifikation am Samstag an, der am Montag das Finale folgen soll. "Regeneration", sagt Weißhaidinger, "ist der Schlüssel zum Erfolg." Regeneration, das umfasst diverse Therapien, Laser, Ultraschall, Stoßwelle und Physiotherapie. Der 1,97 Meter große und 130 Kilogramm schwere Koloss wird täglich massiert. "Aber die Kälte", sagt Weißhaidinger, "ist das Allerwichtigste."

Es kommt nicht von ungefähr, dass der 27-Jährige in dieser so langen Saison ohne Verletzung blieb und konstant gute Leistungen zeigte, nicht nur bei der EM, auch in der Diamond League, nicht nur bei großen, sondern auch bei kleineren Wettkämpfen . "Die meisten Werfer haben irgendwann irgendwo ein Zwickerl, doch ich hatte heuer gar nichts", sagt Lukas Weißhaidinger. "Wir setzen auf Prophylaxe, damit wir nicht im Nachhinein Feuerwehr spielen müssen." (Fritz Neumann, 27.9.2019)